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Hautnah und zeitnah schildert Irina Denezkina das Leben der russischen "next generation". Erotischer Tatendrang treibt die jungen Petersburger von Party zu Party, von Mund zu Mund. Sie führen ein herrlich zielloses und berückend ereignisloses Leben: erste Küsse, neueste Musik, Alkohol, Autofahrten, äußerst skurrile Zeitgenossen. Und über allem schwebt das unbeirrbare "Mir gehört die Welt".

Produktbeschreibung
Hautnah und zeitnah schildert Irina Denezkina das Leben der russischen "next generation". Erotischer Tatendrang treibt die jungen Petersburger von Party zu Party, von Mund zu Mund. Sie führen ein herrlich zielloses und berückend ereignisloses Leben: erste Küsse, neueste Musik, Alkohol, Autofahrten, äußerst skurrile Zeitgenossen. Und über allem schwebt das unbeirrbare "Mir gehört die Welt".
Autorenporträt
Irina Denezkina wurde 1981 in Jekaterinenburg geboren. Sie studiert an der dortigen Universität Journalismus und schreibt für die Studentenzeitung "Studio". Ihr Erzählband wurde 2002 für den russischen "Bestseller Preis" nominiert.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.10.2003

Lass diesen Kerl an mir vorübergehen
„Komm”: Irina Denezkina zieht von Party zu Party, von Couch zu Couch, von Mund zu Mund
Wer je eine Freundin zum Blind-Date begleitet hat, weiß wovon die Rede ist! Ein nervenaufreibender Moment in jeder Mädchenbiographie: Hübsch zurecht gemacht sitzen beide nebeneinander, starren nervös zur Tür und bei jedem neu Hereinkommenden dieser Riesenschreck: „Gute Güte, nein! Lieber Gott, bitte !! Lass’ das nicht Mr. X sein!” Gekicher, Erröten und Bäuchehalten, O Gott und Igitt – große Hysterie.
Irina Denezkinas Erzählungsband „Komm” entnehmen wir, dass es in Russland offenbar ganz genau so läuft. Nur dass die Petersburger Girls sich mangels entsprechender Infrastruktur nicht im Café, sondern im U-Bahn-Untergeschoss verabreden: „Und so stehen wir an der Rolltreppe: ,Ah! Der sieht zu uns rüber! Igitt!‘ – ,Bloß der nicht, bloß der nicht!‘ – Nein, bloß nicht dieses Scheusal, bitte, bitte!‘ Und so stehen wir und schaukeln uns so hoch, dass wir fast Hals über Kopf aus der Metro fliehen müssen.”
In Russland war die 22-jährige Debütantin der Shootingstar des Jahres 2002, in Italien landete ihr Buch gleich in der ersten Woche auf Platz neun der Bestseller-Liste. Zweifellos würde es selbst in Amerika seine Leser finden, denn wovon die hübsche Jeans-und-T-Shirt-Trägerin erzählt, ist ungefähr so universal wie die westliche Kultur: Jugendliche Großstädter, die studieren, sich auf Punkrock-Konzerten heftig verlieben, morgens verkatert auf fremden Sofas aufwachen und nachmittags im Chatroom dem nächsten Flirt hinterher jagen. Auf die Frage, was sie interessiere und worüber sie schreibe, hat sie in einem Interview mit einem einzigen Wort geantwortet: Maltschiki, Jungs.
Man mag das für erwartbar und belanglos halten, aber in erster Linie ist es einfach eine Tatsache: Was Mädchen am allermeisten interessiert, sind Jungs. Punkt. Alles weitere ist dann eine Frage des „wie”. Die Geschichten sind gut geschrieben und außerordentlich suggestiv. Es ist sicherlich kein Zufall, dass die Autorin Journalismus studiert: Sie hat ein gutes Gespür für Situationen und sie kann mit knappen unerschrockenen Worten das Dringende und die Ungeduld, das Warten, die Unsicherheit, das Hoffen, das Enttäuschtsein und das Zufällige – also die bekannten und doch immer wieder interessanten Gefühls- und Liebeslagen darstellen.
Sie schreibt, wie man Schüler und Studenten an der Bushaltestelle reden hört: sehr direkt, manchmal derb, aber glaubwürdig, so dass zugleich auch diese gewisse jugendliche Verlegenheit spürbar wird. Sprechen ist eine Pose und der Köper ist eine Sprache: Man ist niemals man selbst, sondern man probiert Ausdrücke aus und Kleider an. „Ich hasse meinen Körper”, heißt es einmal, „ich habe immer so viel Mühe mit ihm. Anziehen, gerade halten, Schminke ins Gesicht. Das muss unbedingt erledigt werden, denn er ist meine Eintrittskarte.”
Die zehn Geschichten, das soll nicht verschwiegen werden, sind von recht unterschiedlicher literarischer Qualität. Als Dokument sind sie alle lesenswert. Als Porträt einer neuen russischen Jugend der Post-Perestroika, die zum ersten Mal dasselbe Netz durchsurft, die selbe Musik hört, die selben Filme sieht und die selben Kleider kauft wie ihre Alterskollegen im geographischen Westen.
So gesehen ist es weder verwunderlich noch völlig falsch, dass der Buchhandel das Generationenbuch als „Popliteratur aus Russland” etikettiert hat: Genauso wie man in allen Metropolen der Welt eine Pizza und eine Robbie-Williams-Platte bekommt, ähneln auch die Lebensberichte ihrer jugendlichen Bewohner einander. Was die Haltlosigkeit und das Exzessive anbelangt, so erinnern Irina Denzekinas Geschichten in manchem an „Zwölf”, den in diesem Sommer so erfolgreichen Roman des 17-jährigen Amerikaners Nick McDonell.
Zum Kapitalismus verhalten sich die jungen Wilden des Ostens rein affirmativ. Doch gibt es einen Unterschied zu den reichen Kids aus Manhattan: Bezeichnenderweise ist in der Welt der Irina Denzekina niemals von den Eltern die Rede. Die Jugendlichen haben sich eine Welt ohne Erbe und ohne Geschichte eingerichtet. Sie leben rein in der Gegenwart. Es scheint keine Zukunft, ja noch nicht einmal einen Plan, aber durchaus Zuversicht zu geben. Die Haltlosigkeit der jungen Russen ist anders als die der Amerikaner keine innere, sondern eine äußere, soziale: Eine Generation, die ein großes Blind-Date mit dem eigenen Leben hat.
EVA MARZ
IRINA DENEZKINA: Komm. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2003. 256 S., 17,90 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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