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Seit Österreich von einer Koalition zwischen ÖVP und rechtspopulistischer FPÖ regiert wird und damit einen Skandal europäischen Ausmaßes auslöste, ist die Frage, was es mit der Alpenrepublik eigentlich auf sich hat, erneut von besonderem Interesse: Ein Land, das seine Existenz damit legitimiert, daß es in den entscheidenden Jahren nicht existiert hat? Mit einem rechten Rebellen, der die aktuelle Politik vor sich her trieb? Mit einer zur ewigen Koalition verurteilten Regierung, die daran schließlich scheiterte? Ein Land, in dem ein einziger Medienkonzern mächtigen Einfluß ausübt? Ein Land…mehr

Produktbeschreibung
Seit Österreich von einer Koalition zwischen ÖVP und rechtspopulistischer FPÖ regiert wird und damit einen Skandal europäischen Ausmaßes auslöste, ist die Frage, was es mit der Alpenrepublik eigentlich auf sich hat, erneut von besonderem Interesse: Ein Land, das seine Existenz damit legitimiert, daß es in den entscheidenden Jahren nicht existiert hat? Mit einem rechten Rebellen, der die aktuelle Politik vor sich her trieb? Mit einer zur ewigen Koalition verurteilten Regierung, die daran schließlich scheiterte? Ein Land, in dem ein einziger Medienkonzern mächtigen Einfluß ausübt? Ein Land rutschender Berge und einstürzender Bergwerke? Ein Land, bevölkert von Staatsanarchisten und Handytelefonisten, maschinenartigen Schifahrern und melancholischen Fußballern? Armin Thurnher zeigt, was sich hinter der Fassade verbirgt: Merkwürdige politische Strukturen, Sozialpartnerschaft, Medialpartnerschaft und Skandalpartnerschaft, die alten Fronten von Austrosozialismus und Austrofaschismus, das neu e Phänomen des Feschismus und über allem ein Gefühl des Andersseins. "Thurnhers Buch sei allen empfohlen, die sich nicht nur empören, sondern auch begreifen wollen." (Tages-Anzeiger)
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.02.2000

Die Konsensfabrik Österreich
Pointiert und aktuell: Armin Thurnher hat einen Bericht zur Lage unserer Nachbarnation geliefert
Für den lesenden Teil der Bevölkerung gibt es in Österreich allwöchentlich einen Pflichtartikel: die Kolumne Armin Thurnhers im Falter. Seine in essayistischem Parlando gehaltenen Editorials über die merkwürdigen politischen Strukturen Österreichs beendet der Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung seit vielen Jahren mit immer demselben Satz: „Im Übrigen bin ich der Meinung, die Mediaprint muss zerschlagen werden. ” Man liest und staunt: Ein Medienkonzern, der für Österreich so gefährlich wäre wie weiland Karthago für Rom?
Thurnher ist einer der scharfsichtigsten Beobachter der österreichischen Öffentlichkeit. Und während gerade europaweit immer kurzatmiger den Wiener Ereignissen hinterherkommentiert wird, wie das habe geschehen können, das Böse plötzlich an der Macht, und was von guter Seite nun zu tun sei, hat Thurnher vor einigen Tagen eine tiefgehende Analyse zur Lage in Österreich vorgelegt.
„Das Trauma, ein Leben” erzählt die Geschichte Österreichs als Tragödie einer rudimentären Öffentlichkeit und als Mediengeschichte: „Mein Grundthema heißt Öffentlichkeit, und das österreichische Grundtrauma rührt daher, dass das Land bis heute keine hat. ”
„Manufacturing Consent – Die Konsensfabrik” nannte der Linguist und Medienkritiker Noam Chomsky ein Buch, in dem er seine zentrale These von der medialen Manipulation als einem der grundlegenden Elemente der westlichen Demokratien belegt. Thurnher zeigt, dass ganz Österreich eine einzige Konsensfabrik darstellt. Wer da noch immer glaubt, die Regierungsgewalt teile sich hier auf in Exekutive, Judikative und Legislative, wird eines Besseren belehrt. Im Grunde gibt es in Österreich nur eine Regierungsgewalt: die Medien.
„Ich versuche nicht zu bekehren, sondern zu informieren”, sagte Chomsky. Thurnher hält’s genauso. Im unterhaltsamen Ton des Flaneurs, der seine Argumentation auf paradox pointierte Aphorismen zuzuspitzen vermag, trägt er seine Thesen vor: Dass die Macht in Österreich in den Händen der beiden Medienmogule Hans Dichand und Wolfgang Fellner liegt. Dass aller seriöse Journalismus nurmehr als lästiges, ewiggestriges Störgeräusch wahrgenommen wird. Dass die österreichischen Politiker völlig von der monströsen Indoktrinationsmaschinerie Boulevard abhängen.
Ein Kommentar des 79-jährigen Krone-Kolumnisten Staberl trägt weit mehr zur Meinungsbildung bei als sämtliche Erklärungen des Präsidenten Klestil. Den übermächtigen Einfluss der Krone auf die österreichische Öffentlichkeit fasst Turnherr in einer Überschrift zusammen: „Die Schöpfung der Krone – Ein Land als Seifenoper seiner mächtigsten Zeitung”. Der in Österreich weltberühmte Staberl brilliert mit mutigen Thesen: „Die dritte Generation überlebender Juden mag die Märtyrer-Saga der so barbarisch vergasten Opfer Hitlers auf ähnliche Weise brauchen, wie die Christen seit 2000 Jahren das Andenken an den – wohl noch barbarischeren – Kreuzigungstod Jesu Christi pflegen”.
„Das Trauma, ein Leben”: Indem er den Titel des Grillparzerstückes „Der Traum, ein Leben” im Titel seines Buches ironisch abändert, spielt Thurnher auf eine seiner Grundthesen an: Dass in Österreich das Verdrängen nicht nur als psychoanalytischer Befund formuliert, sondern auch als Kulturleistung optimiert wurde: „Was in Amerika der Pioniermythos ist, auf dessen Tiefenstrom die Popfans alle irgendwie schwimmen, das ist bei uns der Nazi-Mythos der besiegten Väter und Großväter. ” Das gereichte Haider zum Vorteil: er ist schon seit zehn Jahren der Popstar der österreichischen Öffentlichkeit – und das nicht obwohl, sondern gerade weil er als Einziger die Chuzpe hatte, untergründig an den verdrängten Mythos anzuknüpfen.
Die deutschen Medien könnten für die nähere Zukunft vom Herausgeber des wichtigsten österreichischen Intellektuellen-Blattes lernen: Thurnher hat Haider mit einem Bildverbot belegt; seit Jahren wurde im Falter kein Foto des Kärntner Populisten abgedruckt. Der ärgert sich darüber grün und braun. Vielleicht sollte man es bei uns ähnlich halten, anstatt den Unsympathen mit dem Sexappeal eines Skilehrers – Thurnher bringt Haiders Image im Begriff des „Feschismus” auf den Punkt – noch durch Bildreportagen und Talkshow-Auftritte zu promoten. ALEX RÜHLE
ARMIN THURNHER: Das Trauma, ein Leben. Österreichische Einzelheiten. Paul Zsolnay Verlag, Wien 1999. 336 Seiten, 39,80 Mark.
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