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Produktdetails
  • Verlag: Links, Ch
  • ISBN-13: 9783861535232
  • ISBN-10: 3861535238
  • Artikelnr.: 25627899
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.03.2009

Volk und Geld
Abschied vom Osten: Christoph Links rekonstruiert das Schicksal der DDR-Verlage
Reclam ist fort, Brockhaus hat die Stadt verlassen, der Insel-Verlag wird seine Niederlassung aufgeben. „Leipzig schließt statt Leipzig liest?”, fragte das Börsenblatt vor wenigen Wochen. Nun, Bücher bekommt man in der Stadt so schnell und bequem wie überall. Der Leipziger Buchhandel verfügt heute über zehnmal so viel Verkaufsfläche wie im Jahr 1989. Für die Buchproduktion, das Verlagswesen dagegen spielt die Stadt, die bis 1939 Zentrum des deutschen Buchhandels war, eine sehr geringe Rolle – so wie die neuen Länder insgesamt, mit Ausnahme freilich Berlins.
Die Verlagsbranche spiegelt den allgemeinen Zustand im Osten Deutschlands zwanzig Jahre nach der Vereinigung. Es gibt keine Entwicklung, die „ein regionales und kommunales Funktionieren aus eigener Kraft ermöglicht”. Zu diesem Schluss kommt der Verleger Christoph Links in seinem detaillierten, materialreichen Überblickswerk „Das Schicksal der DDR-Verlage”. 78 lizenzierte gab es, als der Arbeiter- und Bauernstaat implodierte. Zwölf davon arbeiten noch. Vor der Revolution erschienen auf dem Gebiet der DDR jährlich etwa 6 500 bis 7 000 Titel, von denen etwa 4 500 klassische Buchtitel waren. 2006 wurden in den neuen Bundesländern – ohne Berlin – nur noch 2098 Titel verlegt. Das entspricht mageren 2,2 Prozent der gesamtdeutschen Produktion. Am Gesamtumsatz, immerhin 10,7 Milliarden Euro, waren die ostdeutschen Verlage 2006 mit lediglich 0,9 Prozent, Berlin mit 5,6 Prozent beteiligt.
Christoph Links ist nicht der Mann, die Verhältnisse in der DDR zu beschönigen. Er selbst hat die Chancen der Befreiung ergriffen und Anfang 1990 seinen eigenen Verlag gegründet. Er war damals einer der ersten. Aber er ist auch nicht bereit, sich mit allgemeinen Floskeln vom Strukturwandel zu beruhigen. Er will es genauer wissen. Vom Akademie Verlag, Berlin, bis zum S. Hirzel Verlag, Leipzig, schildert er die Entstehung, die Arbeit in sozialistischer Zeit und die Privatisierung. Folgt man der konzisen Darstellung, ergibt sich ein trübes, beklemmendes Bild: Diese Verlagshäuser hatten im Regelfall keine Chance, auf dem freien Markt zu reüssieren. Sie besaßen kaum Eigentum im Sinne von Anlagevermögen oder Immobilien. Ihre immateriellen Werte, Autoren- und Übersetzungsrechte, verfielen im Augenblick des Beitritts. Die Leser interessierten sich naturgemäß für das ihnen bisher Vorenthaltene, der Handel räumte Regale frei für neue Produkte. In kürzester Zeit wurden massenhaft Bücher zurückgesandt, so viele, dass die Auslieferungsfirma Leipziger Kommissions- und Großbuchhandel zu ihrer Entlastung tonnenweise Bücher in einen aufgelassenen Tagebau entsorgte.
Aber selbst von verkäuflichen Titeln konnte nicht recht profitiert werden. Ein erfolgreiches Buch mit West-Lizenz etwa durfte nach kurzer Übergangsfrist nicht mehr auf dem gesamtdeutschen Markt angeboten werden. Hatte man aber die Lizenz für einen eigenen Titel an einen bundesdeutschen Verlag vergeben, so durfte dieser das Buch noch Jahre verkaufen. Eine sehr einseitige Verteilung der Teilungslasten. Selbstverständlich fehlte es an Kapital – noch die Gewinne aus dem ersten Halbjahr 1990 mussten an den Staatshaushalt abgeführt werden; Erfahrungen, wie auf freiem Markt zu agieren sei, konnte man in der DDR kaum sammeln.
Die Treuhand setzte auf raschen Verkauf, ohne sich um die Eigenarten der Branche zu kümmern. Oft waren – wie im Falle des Aufbau-Verlags – die Eigentumsverhältnisse verworren. Bald kam der Skandal um Plusauflagen hinzu: Es waren zu DDR-Zeiten mehr Exemplare gedruckt und verkauft worden, als man in Lizenzverträgen mit West-Verlagen vereinbart und später abgerechnet hatte.
Nur wenige Häuser überlebten unter diesen Bedingungen. Neu gegründete Verlage sind bis heute zu klein, um den Verlust auszugleichen. Muss man das schlimm finden? Christoph Links meidet den Ton der Anklage, findet aber deutliche Worte für die Beschreibung des Zustands: „Während die produzierenden Einheiten (Verlage) in Ostdeutschland nur noch mit einer Kapazität von etwa 17 Prozent tätig sind, ist die Zahl der vertreibenden Einheiten (Buchhandlungen) seit 1990 um 20 Prozent gestiegen.” Es ist auch in der Verlagsbranche die Struktur einer Filialwirtschaft. Politischen Willen und Einsicht vorausgesetzt, hätte es nicht so kommen müssen. An den Folgen aber der Illusionen, der Arroganz und der Fehlentscheidungen werden noch unsere Enkel laborieren. JENS BISKY
CHRISTOPH LINKS: Das Schicksal der DDR-Verlage. Die Privatisierung und ihre Konsequenzen. Ch. Links Verlag, Berlin 2009. 352 Seiten, 24,90 Euro.
Auf der Leipziger Buchmesse im Jahr 1963 Foto: bpk / Jochen Moll
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.04.2009

Was bleibt?

Privatisierung als Schicksal: Christoph Links hat der Geschichte der DDR-Verlage nach der Wiedervereinigung eine umfangreiche Studie gewidmet.

Von Günter Berg

Die Namen klingen allesamt noch gut: Bei Rütten & Loening erschien nach Gründung 1844 "Die Heilige Familie" von Marx und Engels und auch der Struwwelpeter des Frankfurter Autors Heinrich Hoffmann. Bei Gustav Kiepenheuer begann Brecht seine Versuche-Reihe, Rilke, Hoffmannsthal, Stefan Zweig und andere veröffentlichten ihre Bücher im Insel-Verlag Anton Kippenberg in Leipzig. Wie die Insel, so wurde auch der F.A. Brockhaus Verlag nach der deutschen Teilung an zwei Standorten weitergeführt, in Wiesbaden und in Leipzig. Nach der Wende schließlich ist bis heute von der Leipziger Insel kaum etwas geblieben, nun soll die kleine Dependance ganz abgewickelt werden; Brockhaus, neben Duden eine sogenannte Premiummarke des Bibliographischen Instituts in Mannheim (im Besitz von Langenscheidt), baute in der traditionsreichen Verlagsstadt Leipzig zunächst neue Redaktionen auf - nun ist die Marke von Bertelsmann gekauft, Leipzig wird dichtgemacht.

Letztendlich ist nicht viel übrig geblieben von den achtundsiebzig staatlich lizenzierten Verlagen der DDR. Ruhmreich begannen viele, rasch und weitgehend lautlos verschwanden sie in den Wirren der Nachwendezeit. Christoph Links ist in die einschlägigen Archive gestiegen, hat das Material des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels genau studiert, die ehemaligen Mitarbeiter befragt - und auf dieser Materialbasis ein ganz und gar erstaunliches Buch verfasst. In prägnanter Form beschreibt Links die Historie jedes dieser Verlagsunternehmen, legt den Schwerpunkt aber auf die Zeit zwischen 1949 und 1989 und verfolgt dann das Schicksal der zahlreichen in ihrer Kultur blühenden ostdeutschen Verlage.

Unrühmlich bis fahrlässig erscheint die Rolle der Treuhandanstalt, die in nur zwei Jahren eine teils unnötig überstürzte Privatisierung der Unternehmen betrieb. Als 1994 die Treuhandanstalt ihre Tätigkeit weitgehend einstellte, mochte sich auch ihre Nachfolgeorganisation (die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) nicht mehr kümmern um eine Überprüfung der Kaufverträge durch Westinvestoren, in denen Bestandsgarantien, Investitionen et cetera festgeschrieben waren. Nicht einmal die vertragswidrige Schließung der Unternehmen wurde sanktioniert.

Niemand wundert es, dass die westdeutsche Wirtschaft überflüssige Teile der ostdeutschen Wirtschaft schrumpfen oder verschwinden ließ. Es erging den Verlagen wie zahlreichen anderen Unternehmungen auch: Die ostdeutschen Verlage wurden Filialbetriebe westdeutscher Mütter. Bis sie auch das nicht mehr sein konnten: Der Altberliner Verlag, der Verlag Böhlaus Nachfolger, der Greifenverlag, Volk und Welt - sie alle existieren nicht mehr. Warum? Leicht zu beantworten. Solche Verlage waren unter den neuen Bedingungen nicht länger überlebensfähig. Bald nach der Wiedervereinigung setzte eine starke Konzentration im Verlagsgewerbe in ganz Deutschland ein. Bertelsmann, Holtzbrinck und später dann die Bonnier-Gruppe aus Schweden verwandelten einst selbständige Publikumsverlage von Rang (wie Luchterhand, Siedler, Kiepenheuer & Witsch, Heyne oder Piper) in sogenannte Imprints; mancher wurde dadurch gerettet. Personell heillos überbesetzte, durch ihre wirtschaftlichen Kennziffern unmöglich integrierbare Ostverlage hatten nahezu keine Chance. In einigen Fällen fehlte wohl auch das Interesse an einer Sanierung. Nach Übernahme der interessantesten Rechte in die westdeutschen Mutterhäuser hatten die Ostunternehmen ihre Schuldigkeit getan.

Eine so wichtige wie am Ende dann eben doch glücklose Geschichte ist die des Aufbau-Verlags. Der Frankfurter Immobilienunternehmer Bernd F. Lunkewitz wurde unmittelbar nach der Wende zum Verleger. Er kaufte den Aufbau-Verlag von der Treuhand - der er gar nicht gehörte. Unbeirrt kaufte Lunkewitz den Verlag 1994 ein zweites Mal vom wahren Eigentümer, dem nach wie vor existierenden Kulturbund, und investierte in die starke Marke Aufbau. Aber auch Lunkewitz musste irgendwann wohl erkennen, dass es weitaus einfacher ist, Verleger zu werden als es zu bleiben. Er warf im letzten Jahr das Handtuch. Nach der Insolvenz wurde der Verlag verkleinert weiterverkauft.

Christoph Links, der Autor dieser peniblen Studie, stammt aus einer Verlegerfamilie und ist direkt nach der Wende konsequent den Weg seiner Eltern gegangenen. Er wurde Verleger. Er besetzt seitdem eine Nische und veröffentlicht mit Erfolg Sachbücher zur Zeitgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts. Seine Studie über das Schicksal der DDR-Verlage ist eine spannende Lektüre und ein Nachschlagewerk von bleibendem Wert.

Unser Rezensent, langjähriger verlegerischer Geschäftsführer von Suhrkamp und Insel, ist heute Geschäftsführer des Hamburger Verlags Hoffmann und Campe.

Christoph Links: "Das Schicksal der DDR-Verlage". Die Privatisierung und ihre Konsequenzen. Links Verlag, Berlin 2009. 352 S., geb., 24,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Jens Bisky würdigt in seiner Rezension zu Christoph Links Buch "Das Schicksal der DDR-Verlage", dass der Autor klare Worte findet für die traurigen Zustände der Ost-Verlage, ohne anzuklagen. Links habe detailliert aufgezeigt, mit welchen Problemen sich die Verlage seit der Wende konfrontiert sahen: Kaum Eigentum in Form von Anlagevermögen oder Immobilien, kaum Kapital und vor allem wenig Erfahrung im Umgang mit dem freien Markt. So sei es kaum verwunderlich, dass von damals 78 Verlagen heute noch zwölf existieren. Mit mehr politischem Willen und Einsicht "hätte es nicht so kommen müssen", stellt der Rezensent nach der Lektüre fest.

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