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Die Reichweite empirischer Erklärungen für phänomenale Bewusstseinszustände wie Schmerzen oder Farbempfindungen gehört gegenwärtig zu den umstrittensten Problemen der Philosophie des Geistes, den Neuro- und Kognitionswissenschaften. Zur Diskussion steht nicht nur, wie die Entstehung von Bewusstsein aus der Aktivität simpler Neuronen erklärt werden kann; fraglich ist vielmehr, ob hier überhaupt eine Erklärung möglich ist. Pauen zeigt, dass eine weiterentwickelte Form der klassischen Identitätstheorie Verwirrungen in der Problemstellung vermeidet. Im Mittelpunkt seiner Lösungsstrategie steht der…mehr

Produktbeschreibung
Die Reichweite empirischer Erklärungen für phänomenale Bewusstseinszustände wie Schmerzen oder Farbempfindungen gehört gegenwärtig zu den umstrittensten Problemen der Philosophie des Geistes, den Neuro- und Kognitionswissenschaften. Zur Diskussion steht nicht nur, wie die Entstehung von Bewusstsein aus der Aktivität simpler Neuronen erklärt werden kann; fraglich ist vielmehr, ob hier überhaupt eine Erklärung möglich ist. Pauen zeigt, dass eine weiterentwickelte Form der klassischen Identitätstheorie Verwirrungen in der Problemstellung vermeidet. Im Mittelpunkt seiner Lösungsstrategie steht der Versuch, mit Hilfe der Emotionspsychologie eine Verbindung zwischen subjektiven Bewusstseinserfahrungen und der Neurobiologie herzustellen. Eine solche Verbindung erlaubt es, naturwissenschaftliche Erkenntnisse für die Erklärung von Bewusstseinsprozessen in Anspruch zu nehmen, um so dem "Rätsel des Bewusstseins" zu Leibe zu rücken.
Autorenporträt
Michael Pauen, Dr. phil. habil., geb. 1956 in Krefeld. Studium in Marburg, Frankfurt und Hamburg. Promotion 1989, Habilitation 1995. Visiting Professor am Institute for Advanced Study in Amherst, Massachusetts, und Fellow an der Cornell-University in Ithaca; New York. Fellow am Hanse-Wissenschaftskolleg, Bremen. 1997 Ernst-Bloch-Förderpreis. Z. Zt. Professurvertretung an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.01.2001

Identität für Marsmenschen
Michael Pauen präsentiert seine Erklärungsstrategie für das Rätsel des Bewusstseins
Zweifellos spielt das Gehirn für die Entstehung von Bewusstsein eine zentrale Rolle. Wie sich die graue Neuronenmasse allerdings genau zu den vielfältigen bewussten Erfahrungen und Erlebnissen des Menschen verhält, war am Ende der Dekade des Gehirns noch völlig unklar. Und dies wird so bleiben, so Michael Pauen, wenn weiter versucht wird, eine geheimnisvolle Eigenschaft zu finden, kraft derer Neuronen Bewusstsein produzieren wie Drüsen ein Sekret. Im Moment, so Pauen, ist die Identitätstheorie die beste Erklärung des Zusammenhangs von Gehirn und Geist. Sie ist verlockend, weil sie mit vielen Problemen besser klar kommt als ihre Konkurrenten. Der radikale Dualismus etwa fasst das Geistige und das Körperliche als zwei verschiedene Substanzen auf und hat ein Problem damit, wie das Geistige auf den Körper einwirken kann. Die einen bemühen Quantenphänomene, um dem Geist Zugang zu den Kausalketten der materiellen Welt zu verschaffen, die anderen streiten die kausale Rolle des Geistes ganz ab und stehen dann vor dem Problem, dass das bewusste Erleben zu nichts gut zu sein scheint.
Die Identitätstheorie könnte dagegen mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: Sie kann die Existenz bewusster Zustände und ihre Wirksamkeit ernst nehmen, denn wenn bewusste Zustände mit neuronalen Zuständen identisch sind, sind die Wirkungen letzterer zugleich diejenigen ersterer. Und: Die Erklärungen, die die empirischen Wissenschaften für neuronale Zustände liefern, sind zugleich auch Erklärungen für die bewussten Zustände, es sind keine zusätzlichen Erklärungen eines geheimnisvollen mind stuff erforderlich.
Wenn jemand zum Beispiel fragt, was ein Blitz ist, ist er in der Regel mit einer Geschichte über elektrische Entladungen zufrieden. Beim Bewusstsein, so scheint es, verhält es sich anders. Zusätzlich zu den Informationen über aktive Neuronenverbände hätte man gerne noch gewusst, warum sich etwa Schmerzen anfühlen, wie sie sich anfühlen. Die Identitätstheorie, so Pauen, steht oder fällt damit, ob es gelingt aufzuzeigen, wie man die Erklärungen der Neurowissenschaften als Erklärungen der bewussten Erlebnisse verstehen kann.
Den Ansatzpunkt für die Verknüpfung dieser beiden Ebenen findet Pauen darin, dass schon das alltägliche Reden über mentale Zustände diese auch funktional, also in Hinsicht auf das, was sie bewirken, charakterisiert. So ist etwa Furcht nicht einfach eine Empfindung, die man nicht näher beschreiben kann, sondern sie beinhaltet typischerweise eine Aversion gegenüber der Gefahrenquelle, die Steigerung der Aufmerksamkeit und Körperreaktionen wie Schweißausbrüche und Pulsbeschleunigung.
Emotion ist analysierbar
Diese charakteristischen aber vagen Merkmale können nun, so Pauens Strategie, mit Hilfe der Resultate emotionspsychologischer Studien ergänzt und korrigiert werden. Emotionspsychologen haben systematische Beziehungen zwischen Emotionen gefunden, Verwandtschaftsverhältnisse, Gegensätze und Ausdifferenzierungen. Pauen nimmt dies als weiteren Anhaltspunkt, dass die sogenannten Erlebnisqualitäten, anders als häufig behauptet, durchaus analysierbar sind. Emotionspsychologische Studien liefern auch Hinweise darauf, dass die mit Emotionen einhergehenden Handlungstendenzen und Körperzustände nicht nur Begleiterscheinungen, sondern Bestandteile der emotionalen Zustände sind. Die Furcht bewirkt nicht, dass einem die Knie zittern, sondern das Zittern ist ein Teil der Furcht.
Wenn sich Emotionen präzise genug analysieren lassen, so Pauens Idee, müsste man auch nach ihren neuronalen Realisierungen suchen können. Der Erklärungstransfer von der neurowissenschaftlichen zur Erlebnisperspektive ist damit zumindest im Prinzip möglich. Wie effektiv diese Übersetzungsstrategie ist, hängt zum einen davon ab, ob es in einem interessanten Maß gelingt, die alltagssprachlichen Emotionsbegriffe zu präzisieren. Zum anderen darf diese Präzisierung nicht so weit vom Alltagsverständnis abweichen, dass die neurologischen Erklärungen nicht mehr als Erklärungen dessen plausibel sind, was man tagtäglich empfindet.
Der härteste Brocken ist wohl das sogenannte Argument der multiplen Realisierung. Demnach könnten bewusste Zustände im Prinzip auch eine andere Basis haben als die bei biologischen Wesen übliche Kohlenstoffchemie, etwa bei Marsmenschen oder Robotern. Dem begegnet Pauen mit der These, die Identität zwischen neuronalen und mentalen Prozessen müsse nur die kausal relevanten Eigenschaften der neuronalen Prozesse betreffen. Multiple Realisierung und Identitätsbehauptung können sich demnach durchaus vertragen.
Ein Problem dieses Arguments ist jedoch, dass Dinge, die nicht in allen Eigenschaften identisch sind, einfach nicht identisch sind. Ein anderes, dass unklar bleibt, wieso nicht auch eine Architektur, die sich deutlich von der des menschlichen Nervensystems unterscheidet, seinen Besitzer etwa mit Schmerzempfindungen ausstatten könnte.
Pauen hofft darauf, dass sich die Fortschritte in den Wissenschaften in gewandelten Intuitionen niederschlagen. Neurowissenschaftliche Erklärungen für bewusste Erlebnisse sollten dann so selbstverständlich werden, wie etwa Newtons Theorie, weißes Licht entstünde aus der Addition von Licht anderer Farben. Das Prisma, das das Bewusstsein in seine Bestandteile zerlegt, wie das weiße Licht in die Spektralfarben, ist noch nicht gefunden. Pauens Strategie zeigt, dass man es am besten in den empirischen Wissenschaften sucht.
MANUELA LENZEN
MICHAEL PAUEN: Das Rätsel des Bewusstseins. Eine Erklärungsstrategie. Mantis Verlag, Paderborn 1999. 223 Seiten, 68 Mark.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

In einer Doppelrezension bespricht Michael Hampe zwei Bücher, die sich mit dem Verhältnis von Hirn und Bewusstsein befassen.
1.) John Horgan: "