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"Uns ist in alten m ren wunders vil geseit" - so beginnt die berühmteste Dich-tung deutschsprachiger Heldenepik des Mittelalters. Zurückgreifend auf uralte Stoffe aus dem 5. und 6. Jahrhundert, erzählt das Nibelungenlied in knapp 10 000 Versen und 38 Aventiuren von Liebe, Treue, Rache und Tod. Eindrucksvoll sind die archaische Sprache und strophische Formkunst des Originals, die üppigen Schilderungen der Pracht des höfischen Lebens, der zahlreichen Schlachten und Kämpfe. Bis zu seiner Wiederentdeckung durch den Schweizer Literaturprofessor Johann Jakob Bodmer im 18. Jahrhundert galt das…mehr

Produktbeschreibung
"Uns ist in alten m ren wunders vil geseit" - so beginnt die berühmteste Dich-tung deutschsprachiger Heldenepik des Mittelalters. Zurückgreifend auf uralte Stoffe aus dem 5. und 6. Jahrhundert, erzählt das Nibelungenlied in knapp 10 000 Versen und 38 Aventiuren von Liebe, Treue, Rache und Tod. Eindrucksvoll sind die archaische Sprache und strophische Formkunst des Originals, die üppigen Schilderungen der Pracht des höfischen Lebens, der zahlreichen Schlachten und Kämpfe. Bis zu seiner Wiederentdeckung durch den Schweizer Literaturprofessor Johann Jakob Bodmer im 18. Jahrhundert galt das Nibelungenlied als verschollen. Rasch avancierte es dann zum vielfach gefeierten, ideologisch verbrämten und instrumentalisierten "Nationalepos der Deutschen". Die Handschrift C bietet die älteste erhaltene vollständige Version des Epos aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts und war die im Mittelalter deutlich dominierende Fassung. Vollständige Ausgabe. Mittelhochdeutsch - Neuhochdeutsch. Nach der Handschrift C neu übersetzt und herausgegeben von Ursula Schulze. Mit ausführlichem Kommentar und Glossar. Diese außergewöhnliche Lese- und Studienausgabe aus der Hand einer anerkannten Spezialistin wird neue Maßstäbe setzen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.12.2005

Und schwebte im Nebel seiner Tage
Gewiss, Ursula Schulzes Übersetzung des Nibelungenlieds ist nicht die erste. Entdeckt hat sie dennoch etwas
Das Nibelungenlied ist das bisher einzige literarische Werk des deutschen Mittelalters in der Sammlung „Winkler Weltliteratur” - aber was für eine Ehre, wenn man bedenkt, dass aus dem ganzen Mittelalter nur noch Dante und aus der gesamten Antike nur Homer hier Eingang gefunden haben. Unser Proto-Klassiker Johann Wolfgang von Goethe hat da wohl immer noch insgeheim seine Hand im Spiel, formulierte er doch (für heutige Leser etwas peinlich): „Das Klassische nenne ich das Gesunde, und das Romantische das Kranke. Und da sind die Nibelungen klassisch wie der Homer.” Während der Dichter dem Homer aber seine antiken Verse gönnte, war ihm die Vers- und Strophenform des Nibelungenliedes nicht klassisch genug: „Hätte man die Nibelungen gleich in tüchtige Prosa gesetzt und sie zu einem Volksbuche gestempelt, so wäre viel gewonnen worden.” Wohlgemerkt, Goethe schreibt „Volksbuch” und nicht „Nationalepos”, als welches es bis Stalingrad durch die deutsche Volksseele geistern musste.
Das Nibelungenlied ist auf dem Buchmarkt in mehreren kritischen Ausgaben zu haben, ohne oder mit neuhochdeutschen Übersetzungen, in Versen oder in Prosa, mit gelehrter oder ästhetisierender Nacherzählung, für Studienzwecke oder in bibliophiler Ausstattung - was unterscheidet den neuen Band von all jenen? In einem knappen Anhang findet man dazu Auskunft: Text und Übersetzung bieten die sogenannte Fassung C aus der Karlsruher Badischen Landesbibliothek mit ihrem „fortgeschritteneren Bearbeitungsgrad der schriftlichen Dichtung”. Die höfische Kultur des staufischen Zeitalters tränkt das Ganze und verbreitet ihren Glanz intensiver als in den beiden anderen Hauptquellen (A in München und B in St. Gallen) - aber die höfische Kultur wird auch radikaler von den barbarischen Ereignissen um Siegfrieds Ermordung und den Untergang der Nibelungen-Burgunder desavouiert.
Das Nibelungenlied ist gerade wegen seiner altertümelnden Form, seiner metrisch und kompositorisch begründeten Wiederholungen und seiner elementaren Syntax kein besonders schwieriger Text. Ursula Schulzes Übersetzung will zum Original hinführen und erstrebt keinen eigenen prosaischen Erzählstil. Das haben wohl auch nur Uwe Johnson und Manfred Bierwisch 1960 bei Reclam in Leipzig versucht (gerade kommt auch ihre Übersetzung als Insel-Taschenbuch wieder auf den Markt).
Die mehr oder weniger „tüchtige Prosa”, in der das Nibelungenlied nach dem Zweiten Weltkrieg gleich mehrfach wiederbelebt wurde, gehört jedenfalls zum Prozess der literarischen Ernüchterung, der das Epos endgültig von seiner national-fatalen Aura befreit hat. Ist es schon deswegen heute noch oder heute wieder lesenswert? Ursula Schulze gibt eine lakonische Antwort: „der vorliegende Band (vermag) . . . genaue Vorstellungen von dem Gang der Handlung . . . und von den künstlerischen Qualitäten des Epikers zu vermitteln.” Aber dann entreißt sie dem Werk doch noch eine Botschaft, die aufhorchen lässt, weil sie einem so bekannt vorkommt. Im Nibelungenlied würden die Menschen „in einem anscheinend unaufhaltbaren Prozess in den Untergang hineingezogen, weil die entscheidenden Personen nicht bereit oder nicht in der Lage sind, einen Schlußstrich unter die Vergangenheit zu ziehen und neu anzufangen.” Ja schon im Mittelalter, in zeitlicher Nähe zum Epos hätte die sogenannte „Nibelungenklage” mit ihren mehr als 4000 Reimpaarversen „weitererzählend einen Weg in die Zukunft (gezeigt): die Bewältigung des Untergangs durch Trauer und die Fortführung der Herrschaft in einer neuen Generation.”
Diese „Klage” ist in der Tat das Erstaunlichste am Nibelungenlied: In allen drei Haupthandschriften folgt sie unmittelbar auf das Epos. Wenn man dieses Überlieferungszeugnis nur annähernd so ernst nehmen würde wie die Orthografie irgendwelcher Vokale und Konsonanten in den Handschriften, dann würde man wohl die „Klage” mit dem „Lied” zusammen abdrucken (und übersetzen) müssen. Was Ursula Schulze nur andeutet, der besondere literarische Charakter des Werks, würde dann jedem Leser ins Auge springen. Die Klage „ist der erste Beitrag zur Rezeption des Nibelungenliedes im Mittelalter selbst”, schreibt sie; man kann hinzufügen, dass ihr Verfasser Literaturgeschichte schreibt, indem er den Hergang des Aufschreibens berichtet (wie phantastisch auch immer), und dass er der Literatur sehr viel zutraut, nämlich auch das Inkommensurable zu formulieren und erfahrbar zu machen.
Dass ihn die „Ratlosigkeit” des Erzählers anstachelt, dass ihn die Schuldfrage umtreibt, dass er unermüdlich von allen Gattinnen, Verlobten, Eltern und Freunden der Toten erzählt, wie sie unter der Trauer zusammenbrechen, wenn sie das Unglück erfahren, das hat dem Verfasser der „Klage” in der Germanistik keinen Ruhm gebracht, schien er doch die klassische Gesundheit des Epos anzukränkeln.
Der gute König Etzel jedenfalls, der niemanden getötet und sich nichts hat zu Schulden kommen lassen, der Letzte seines Geschlechts, weil Hagen seinen und Kriemhilds Sohn Ortlieb erschlagen hat, sieht keinen Weg in die Zukunft. Nüchtern und ergreifend wird berichtet, dass er am Ende, aus Trauer, in geistige Umnachtung fällt und nur noch selten spricht: „Er war weder hier noch dort, er war weder tot noch lebte er: er schwebte in einem Nebel für den Rest seiner Tage.” Damit meinte der Dichter doch wohl schon damals, dass es Taten, Ereignisse, Vergangenheiten gibt, unter die nicht einmal der Unschuldigste einen Schlussstrich ziehen kann, von Bewältigung ganz zu schweigen.
Furchtbar, es läuft einem nach, dieses „Nationalepos”, es klebt einem an den Fingern . . . HANS-HERBERT RÄKEL
DAS NIBELUNGENLIED. Nach der Handschrift C der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe. Mittelhochdeutsch und Neuhochdeutsch. Herausgegeben und übersetzt von Ursula Schulze. Artemis & Winkler, Düsseldorf und Zürich 2005. 855 Seiten, 48 Euro.
„Siegfrieds Tod”: Mit Paul Richter als Siegfried in Fritz Langs Verfilmung aus dem Jahr 1924.
Foto Scherl / SZ-Archiv
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