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Angespannt wartet die Familie am gedeckten Tisch auf den Vater. Mutter, Tochter und Sohn sitzen vor einem Berg Muscheln, die allein das Oberhaupt der Familie gerne isst. Um die zähe Wartezeit zu überbrücken, beginnen sie miteinander zu reden. Je mehr sich der Vater verspätet, desto offener wird das Gespräch, desto umbarmherziger der Blick auf den autoritären Patriarchen und desto tiefer der Riss, der die scheinbare Familienidylle schließlich zu zerstören droht.
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Birgit Vanderbeke, geboren 1956 in Brandenburg, übersiedelte mit ihrer Familie 1961 in den Westen und lebt seit 1993 als Schriftstellerin in Südfrankreich. Ihr Erstling, die Erzählung Das Muschelessen, trug ihr 1990 den Ingeborg-Bachmann-Preis ein, machte die Autorin mit einem Mal einem breiten literarischen Publikum bekannt und gilt bis heute als ihr bekanntestes Werk.

Produktdetails
- Rotbuch Literatur
- Verlag: Rotbuch / Rotbuch Verlag
- Neuausg.
- Seitenzahl: 128
- Erscheinungstermin: 11. März 2013
- Deutsch
- Abmessung: 211mm x 127mm x 15mm
- Gewicht: 216g
- ISBN-13: 9783867891806
- ISBN-10: 386789180X
- Artikelnr.: 36795950
Herstellerkennzeichnung
Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Keine Ausflucht auf die Metaebene
"Jede Ähnlichkeit mit lebenden / oder toten Personen / ist zufällig und von der Autorin / nicht beabsichtigt." Ein Satz, wie er sonst auf Kinoleinwänden prangt, stand diesem schmalen Buch voran. Und wer da nicht schon ein ungutes Gefühl bekam, bekam es eine Seite später: "Es ist natürlich kein Zeichen gewesen, wie wir hinterher manchmal gesagt haben, es ist ein ungutes Omen gewesen."
Dass unsere Deutschlehrerin gerade Birgit Vanderbekes "Das Muschelessen" für unsere zehnte Klasse aussuchte, war, sagte ich mir hinterher, ein Zeichen gewesen. Die Erzählstimme war jung und weiblich wie wir; sie lebte in einer patriarchalen Welt, wie wir, Schülerinnen einer Klosterschule; sie in Ost-,
"Jede Ähnlichkeit mit lebenden / oder toten Personen / ist zufällig und von der Autorin / nicht beabsichtigt." Ein Satz, wie er sonst auf Kinoleinwänden prangt, stand diesem schmalen Buch voran. Und wer da nicht schon ein ungutes Gefühl bekam, bekam es eine Seite später: "Es ist natürlich kein Zeichen gewesen, wie wir hinterher manchmal gesagt haben, es ist ein ungutes Omen gewesen."
Dass unsere Deutschlehrerin gerade Birgit Vanderbekes "Das Muschelessen" für unsere zehnte Klasse aussuchte, war, sagte ich mir hinterher, ein Zeichen gewesen. Die Erzählstimme war jung und weiblich wie wir; sie lebte in einer patriarchalen Welt, wie wir, Schülerinnen einer Klosterschule; sie in Ost-,
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wir in Westdeutschland. Ein Text, der brachial die Abgründe einer Familie freilegte und uns schonungslos vor Gedankengänge stellte, die viele vielleicht gar nicht betreten wollten (oder: sollten). Eine Lektüre, über die wir schwer mit Abstand sprechen konnten, weil jede von uns natürlich wusste: Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen waren vorhanden. Stilmittelanalysen wurden hier selbst zum Euphemismus, und Ausflüchte auf Metaebenen konnten nur den Kern treffen. Die vorangestellte Allusion hätte nicht perfekter sein können als für unsere Klasse.
Als das "Muschelessen" im Müll endete, wich das ungute einem befreienden Gefühl. Nicht (nur), weil die Lektüre endlich vorbei war, sondern weil sie uns antrug: Illusionen müssen nicht gewahrt werden.
Caroline Jebens
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Als das "Muschelessen" im Müll endete, wich das ungute einem befreienden Gefühl. Nicht (nur), weil die Lektüre endlich vorbei war, sondern weil sie uns antrug: Illusionen müssen nicht gewahrt werden.
Caroline Jebens
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»Birgit Vanderbeke zeichnet in diesem literarischen Debüt, das ihr den Ingeborg-Bachmann-Preis eintrug, ihren maschinenhaft kalkulierenden ,Helden' mit eisiger Genauigkeit.« Der Spiegel
Broschiertes Buch
Demontage einer verlogenen Idylle
Gleich ihr Erstling «Das Muschelessen» hat Birgit Vanderbeke 1990 den Ingeborg-Bachmann-Preis eingebracht. Diese Erzählung ist bis heute ihr bekanntestes Werk geblieben und wird inzwischen auch als Schullektüre benutzt, nicht immer zur …
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Demontage einer verlogenen Idylle
Gleich ihr Erstling «Das Muschelessen» hat Birgit Vanderbeke 1990 den Ingeborg-Bachmann-Preis eingebracht. Diese Erzählung ist bis heute ihr bekanntestes Werk geblieben und wird inzwischen auch als Schullektüre benutzt, nicht immer zur Freude der Schüler, wie man dem Internet entnehmen kann. In ihrer Geschichte finden sich einige Parallelen zur Vita der Autorin, obwohl sie jedwede biografische Ähnlichkeit natürlich verneint. Wer das Buch gelesen hat, weiß warum!
Ich-Erzählerin ist die gerade volljährig gewordene Tochter eines Ehepaares, das aus der DDR nach Westdeutschland übergesiedelt war und sich dort zur Zeit des Wirtschaftswunders, verbissen und zielstrebig, ein neues Leben aufgebaut hat. Der Vater ist als Mathematiker in hervorgehobener Position tätig, die Mutter arbeitet als Lehrerin, der Bruder ist wie die Erzählerin noch Schüler. Die Handlung erstreckt sich zeitlich über knapp vier Stunden eines Abends, an dem es Muscheln geben soll, das Lieblingsessen des Vaters. Als der sonst überpünktliche Vater um 18 Uhr noch nicht eingetroffen ist, beginnen die Drei sich zögernd über die ekligen Miesmuscheln zu unterhalten, die außer dem Vater eigentlich niemand richtig mag in der Familie. Je später es wird, desto anklagender werden die Gespräche über den abwesenden Vater und dessen despotisches Gehabe, dem alle devot folgen müssen ohne aufzumucken, der penible Ordnung verlangt und immer das letzte Wort haben muss als Oberhaupt einer richtigen Familie, wie er es immer nennt. Eine inzwischen geöffnete Spätlese löst Allen die Zunge, die Anklagen gegen den Vater werden immer drastischer, auch die anfänglich noch zurückhaltende Mutter begehrt zunehmend auf gegen ihren Mann, ob es nun um die Finanzen geht oder das Konzertabonnement, das Urlaubsziel oder das strenge Reglement im Tagesablauf, vor allem aber seine Brutalität bei dem, was er die Erziehung seiner Kinder nennt, die in Wahrheit eher einer Dressur gleichkommt. Am Ende erwähnt die Mutter zum Schrecken der Kinder sogar die mythische Königstochter Medea, «Alle vergiften, und dann ist Ruhe» sagt sie. Als um Viertel vor zehn schließlich das Telefon klingelt, geht die Mutter nicht ran, schüttet die inzwischen schlecht gewordenen Muscheln in den Mülleimer und sagt zum Sohn: «Würdest du bitte den Müll runter tragen». Mit diesem symbolträchtigen Satz endet die Erzählung.
In weiten Teilen wird die Geschichte in Form des Bewusstseinsstroms erzählt, ohne Absatz und ohne direkte Rede geschrieben, in langen, hypotaktischen Satzkonstruktionen mit einer sehr naiv wirkenden Sprache. Gleichwohl werden damit unterschwellig viele Assoziationen ausgelöst, werden immer wieder wie unbeabsichtigt versuchsballonartig Stichwörter eingeschoben, die im Folgenden dann doch noch ausführlich thematisiert werden. Verdi, um ein Beispiel zu nennen, von dem der Vater jeden Sonntagvormittag eine Platte anhört, wobei er die Kinder zwingt, dabei zu sitzen. Und «wenn dieser Verdi im Wohnzimmer alle war», ist die Mutter aus der Küche gekommen und hat «gleich gelüftet, um den Troubadour rauszulassen», jene, wie sie - schon leicht beschwipst - an diesem Abend erstmals mutig sagt, «akustische Wohnzimmerpest».
Man hat also reichlich Grund zum Schmunzeln, es gibt aber auch genügend Möglichkeiten zu ernsthaften Interpretationen dieser gnadenlos demaskierten Familienidylle, die vor allem das damals gängige, patriarchalische Rollenklischee auf beschämende Weise als Terror und Unterdrückung bloßstellt. Soziologisch gesehen ein Abgesang auf eine gottlob überholte familiäre Rollenverteilung, der mir literarisch als sehr gelungen erscheint, weil hier in einer angenehm leichtfüßigen Form erzählt wird, die ganz ohne Pathos und erhobenen Zeigefinger auskommt. Durch diesen Mix ist die Erzählung sogar für Leute wie mich erfreulich zu lesen, die Miesmuscheln ebenso eklig finden wie diese bedauernswerte Familie, mit der sie zwei bis drei vergnügliche Lesestunden verbringen durften.
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