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Um die Fesseln ihrer traditionellen weiblichen Rolle zu sprengen, versucht Hadda, die Liebe eines reichen jungen Mannes zu gewinnen. Als sie erkennt, dass sie von ihm nur ausgenutzt wird, greift sie zur Gegenwehr ... Eine ungewöhnliche und dramatische Lebens- und Liebesgeschichte einer jungen Frau im Islam. »Ein monströser Alptraum, der Spiegel der algerischen Wirklichkeit ist.« Renate Wiggershaus, Neue Zürcher Zeitung

Produktbeschreibung
Um die Fesseln ihrer traditionellen weiblichen Rolle zu sprengen, versucht Hadda, die Liebe eines reichen jungen Mannes zu gewinnen. Als sie erkennt, dass sie von ihm nur ausgenutzt wird, greift sie zur Gegenwehr ... Eine ungewöhnliche und dramatische Lebens- und Liebesgeschichte einer jungen Frau im Islam. »Ein monströser Alptraum, der Spiegel der algerischen Wirklichkeit ist.« Renate Wiggershaus, Neue Zürcher Zeitung
Autorenporträt
Leïla Marouane wurde 1969 in Algerien geboren. Sie hat in Algier und später in Paris moderne arabische und französische Literatur studiert. Seit sechs Jahren ist sie als Journalistin in Paris tätig. Das Mädchen aus der Kasbah ist ihr erster Roman.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.07.1999

Graue Haare in Algerien
Leila Marouanes Roman "Das Mädchen aus der Kasbah"

Der Titel führt in die Irre. "La fille de la casbah", wie es im französischen Original heißt, bedeutet Tochter. Hadda ist kein (junges) Mädchen mehr, eher eine "Frau von dreißig Jahren", und sie sieht nicht nur im gleichnamigen Roman von Balzac, sondern auch im Algier unserer Tage ganz schön alt aus. Zwar hat sie eine Universitätsausbildung und als Gymnasiallehrerin ein gutes Einkommen, aber keinen Mann; juristisch steht sie damit unter der Vormundschaft ihrer Brüder (der Vater wurde im Unabhängigkeitskrieg erschossen), praktisch unter der Fuchtel ihrer keifenden Mutter.

Als sie eines Morgens zwei graue Fäden in ihrem Schamhaar entdeckt, beschließt Hadda, sich ihrer Jungfernschaft zu entledigen. Sie geht auf die Avancen des reichen Nassib ein, wird seine Geliebte. Das bedeutet einen doppelten Bruch: mit den religiösen Vorschriften, die sie bisher befolgt hat, und mit dem Ehrenkodex ihrer Familie. Diesen Bruch hofft sie kitten zu können, indem sie Nassib zu einer Heirat überredet. Der denkt gar nicht daran. Als Hadda ein Kind erwartet und er sich ihrer mit Geld entledigen will, ersticht sie ihn im Affekt.

Diese Kurzfassung macht deutlich, worauf es Leila Marouane ankam: eine moderne Frauentragödie aus ihrem Heimatland zu entwerfen, die ausweglose Lage der Geschlechtsgenossinnen zu schildern, die den Forderungen der Tradition und den Versprechungen der Moderne zugleich folgen wollen, und das Scheitern aller Emanzipationsversuche. Ein Ausweg, deutet sie an, liegt nur im Ausland; die Autorin, seit einigen Jahren Journalistin in Paris, hat ihn beschritten und im Roman von Haddas Freundin Nadira beschreiten lassen. Einen anderen Weg, der kein Ausweg mehr ist, geht Haddas Cousine Mimouna. Als Ärztin mit genausoviel "Modernitätspotential" ausgestattet wie diese, nimmt sie den Schleier und einen Muslimbruder zum Mann und zieht sich auch geistig auf eine untergeordnete Position zurück ("Der Prophet war schließlich keine Frau").

Die Konstruktion des Romans ist reißbretthaft. Konstruiert, aus antagonistischen Rollenerwartungen zusammengesetzt ist auch die Hauptfigur und Ich-Erzählerin Hadda. Unfreiwillig dekonstruktivistisch ist die literarische Realisierung dieser zentralen Gestalt ausgefallen. Diese Frau ist nicht zerrissen, sondern unglaubwürdig. Ihre in sich widersprüchliche "Rollen"-Prosa paßt nicht zu den Gegebenheiten, die Umschwünge ihrer Biographie - die Abkehr vom Glauben und die Entscheidung für ein "Lotterleben" - sind weder motiviert noch gestaltet. Haddas Literaturstudium hat offenbar keine intellektuelle Spuren hinterlassen, sonst könnte sie nicht so schlicht über politische und private Fragen reden ("Als Frau spürt man so etwas"). Der Satz "Ich war eine Materialistin geworden", gemeint als Resultat der Sartre-Lektüre, erweist seine banalen Sinn: Der Heldin geht es vor allem um Luxus und Wohlstandsattribute.

Nicht nur Hadda, auch Leila Marouane ist keine Meisterin der Sprache. Ob sie ins blumige Fach greift ("als der Tod blutige Ernte hielt") oder sich in gewagter Bildlichkeit versucht, es geht oft daneben: "Algier stöhnt, schaudert, liegt in den letzten Zügen wie in der Nachkriegszeit. Ein seiner Revolutionen müde gewordenes Untier, eine von ihren Jungen getrennte Wölfin."

Algier gibt das Stichwort für das, was dieses Buch doch zu einer ansprechenden, auch bewegenden Lektüre macht. Sowenig konsistent die Erzählerinnenfigur geraten ist, so anschaulich schildert diese ihre Umgebung. Von der fragmentierten Familie - der ältere Bruder im "Heiligen Krieg" in Afghanistan, der jüngere wegen Zigarettenschmuggels im Gefängnis - über die soziale und wirtschaftliche Depression - kaum Arbeit, kaum Nahrungsmittel, dafür Korruption und Bonzentum - bis hin zum Aufstieg der Islamisten: damit ist der Autorin einPorträt Algiers am Ende der achtziger Jahre gelungen. Man begreift mit diesem Roman besser, warum es zum Wahlsieg der Islamischen Heilsfront und zu der auf deren Verbot folgenden Selbstzerfleischung des Landes gekommen ist. Um den Roman aber zeitlich einordnen zu können, ist Vorwissen nötig - oder Nachhilfe. Die fehlt in dieser Ausgabe. Der Verlag hat weder ein Nachwort für nötig gehalten noch einen Kommentar. So bleibt der Leser allein mit Anspielungen auf historische Ereignisse (was hatte es mit dem Oktoberaufstand auf sich? Was mit dem neuen Pressegesetz?) und arabischen Begriffen, die kein Fremdwortlexikon erklärt: Was ist ein Magli, was ein Salafist?

MARTIN EBEL.

Leila Marouane: "Das Mädchen aus der Kasbah". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Rolf und Hedda Soellner. Paul Zsolnay Verlag, Wien 1998. 224 S., geb., 34,- DM.

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"Damit ist der Autorin ein Porträt Algeriens am Ende der achtziger Jahre gelungen." Martin Ebel, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.07.1999 "Ein monströser Alptraum, der Spiegel der algerischen Wirklichkeit ist." Renate Wiggershaus, Neue Zürcher Zeitung