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Produktdetails
  • Verlag: Aufbau-Verlag
  • Seitenzahl: 75
  • Abmessung: 225mm
  • Gewicht: 164g
  • ISBN-13: 9783351028770
  • ISBN-10: 3351028776
  • Artikelnr.: 08322343
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.02.2000

Lesetipp zum Wochenende
Labebrote
„Wir” und „die Anderen”
in Reden von Barbara Frischmuth
Die ,Überläufer‘, die Grenzgänger – jene, die „die Grenzen zu einer anderen Sprache oder Kultur überschritten haben, um sich darin aufzuhalten, lange oder überhaupt” – sie „werden immer das Eigene mit dem Blick des Fremden und das Fremde mit einem Blick fürs Eigene ansehen. Und aus dem, was dabei nicht aufgeht, entsteht ihre Literatur. Somit verkörpern sie das, was ich als gegenseitige kulturelle Wahrnehmung bezeichnen möchte, ohne die auf Dauer kein Zusammenleben möglich ist. ” Und: „Menschen, die in solcher Aufmerksamkeit miteinander verbunden sind, werden ihre Eigenart nicht mehr auf so verschwitzte und verbiesterte Art verteidigen müssen, wie es derzeit in Europa wieder geschieht, als fraglos, nämlich als Eigenart unter Eigenarten, begreifen und sich wieder den grundsätzlichen Dingen zuwenden können, die da sind: Leben, Lieben, Lernen. ”
So klang’s vor einem halben Jahr aus Österreich herüber. Zur Eröffnung der Salzburger Festspiele 1999 hatte die Schriftstellerin Barbara Frischmuth über „Das Heimliche und das Unheimliche. Von den Asylanten in der Literatur” gesprochen – wohl auch in Vorahnung dessen, was der damals schon absehbare Wahlerfolg des Nationalpopulisten aus Kärnten dem Überrest des einstigen kakanischen Vielvölkerstaates zu bescheren droht. Barbara Frischmuth – studierte Orientalistin und des Türkischen mächtig – hat sich in dieser Rede einmal mehr mit dem besonders ausgeprägten Missverhältnis beschäftigt, das zwischen den eigenartsbetonten Einheimischen und den wegen ihrer Zugehörigkeit zum vermeintlich monolithischen Islam für überaus anders und daher für unheimlich gehaltenen Zugewanderten aus dem Orient herrscht. Und einmal mehr hat sie bedacht und an exemplarischen Zitaten (von Assja Djebar, Zafer Senocak, SAID, Adonis und anderen) belegt, welche Chancen der wechselseitigen Annäherung und der (auch sprachlichen) Bereicherung von Dichtern und Schriftstellern erkannt und ergriffen werden können, die „erst einmal das Vertraute, das Heimliche der Kultur, in die sie hineingeboren wurden, in Frage gestellt” und damit den Abstand gewonnen haben, der es ihnen ermöglicht, das Herkömmliche von außen und das Fremde aus der Nähe wahrzunehmen.
Verrückt wie Rückert
Barbara Frischmuth hat sich zu dieser Thematik auch schon in zwei früheren Reden geäußert. 1996 erläuterte sie in Seattle den Mitgliedern der German Studies Association Friedrich Rückerts rühmliche Leistung als Ver-Mittler, als „das Andere im Eigenen erfahrbar” machender Nachbildner orientalischer Dichtung („Verrückt wie Rückert”), und 1998 beteiligte sie sich mit dem Beitrag „Löcher in die Mauer bohren” am Wiener Symposion „Wir und die anderen”. Im Aufbau-Verlag kam man auf die gute Idee, aus den drei Reden ein Ganzes zu machen. Hochaktuell sind diese Reflexionen der österreichischen Autorin allemal; lesens- und bedenkenswert sind sie auch im Hinblick auf die am 17. Februar anstehende Verleihung des diesjährigen Chamisso-Preises (an Ilija Trojanow) und der zugehörigen Förderpreise (an Terézia Mora und Aglaja Veteranyi). Es sieht ja für manchen Einheimischen immer noch so aus, als sei diese Auszeichnung für in deutscher Sprache schreibende Autoren fremder Herkunft eine Art gönnerhafter Unterstützung, die ihnen das reiche „Gastland” gewährt und nicht ein eher bescheidenes Zeichen des Dankes, den wir diesen Autoren schulden. Sie verabreichen uns, um es „blümlich” wie Rückert zu sagen, „Labebrote”, wie sie kein Heimatdichter zu backen versteht.
WOLFGANG WERTH
BARBARA FRISCHMUTH: Das Heimliche und das Unheimliche. Drei Reden. Aufbau-Verlag, Berlin 1999. 76 Seiten, 20 Mark.
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