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Die Frage nach Glück (Eudämonie) und einem sittlich-schönen Leben (Ethos) bewegt die Menschen seit jeher. Wolfgang Janke stellt die verschiedenen einander ablösenden und ausgrenzenden Auffassungen im philosophischen, mythischen und dichterischen Denken des Abendlandes (von Homer und Pindar über Aristoteles, Thomas von Aquin, Leibniz und Kant bis Shakespeare, Nietzsche, Rilke) vor.

Produktbeschreibung
Die Frage nach Glück (Eudämonie) und einem sittlich-schönen Leben (Ethos) bewegt die Menschen seit jeher. Wolfgang Janke stellt die verschiedenen einander ablösenden und ausgrenzenden Auffassungen im philosophischen, mythischen und dichterischen Denken des Abendlandes (von Homer und Pindar über Aristoteles, Thomas von Aquin, Leibniz und Kant bis Shakespeare, Nietzsche, Rilke) vor.
Autorenporträt
Wolfgang Janke ist emeritierter Professor für Philosophie. Ein Schwergewicht seiner Forschungsarbeit lag bei ihm, auf Beiträgen zu Fichte und dem Deutschen Idealismus. Die Gedankenwelt Platos und der griechischen Klassik ist ihm durch seinen Lehrer Karl-Heinz Volkmann-Schluck und dessen Lehrer Hans-Georg Gadamer eröffnet worden. Die vorgelegten Studien zu antriken Theologien des Staunens schließen in systematischer Absicht an seine neueren Werke an: Kritik der präzisierten Welt (1999), Das Glück der Sterblichen (2002), Archaischer Gesang (2005, erschienen bei K&N).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.07.2002

Sterbliches Glück
Wolfgang Janke rehabilitiert die Philosophie als Lebenskunst
Man möchte sagen, heißt es in Freuds Schrift über „Das Unbehagen in der Kultur”, „die Absicht, dass der Mensch ‚glücklich‘ sei, ist im Plan der ‚Schöpfung‘ nicht enthalten.” Das klingt nicht nur nach Schopenhauer, sondern auch wie das Schlusswort zu einer langen, in Europa mit den Vorsokratikern beginnenden Reflexionsgeschichte.
Die Frage nach dem Glück der Sterblichen konnte von Anfang an beim Menschen nicht haltmachen, sie musste sich auf die ganze Welt ausdehnen: Ethik geht über in Kosmologie. In Platons „Gorgias” wirft Sokrates dem das Recht des Stärkeren verfechtenden Sophisten Kallikles vor, er vernachlässige die Geometrie. Sonst würde er nämlich das All als eine sinnvolle Ordnung erkennen und einsehen, dass folglich Gerechtigkeit und seelisches Gleichmaß und nicht Unordnung und Zügellosigkeit zum glücklichen Leben führen. Das Ende der Metaphysik hat viel zu tun mit dem Siegeszug der modernen Physik: Sie konfrontiert uns mit einem Universum, das (nach den berühmten Worten von Jacques Monod) für die Musik des Menschen taub ist und gleichgültig gegen seine Hoffnungen, Leiden oder Verbrechen.
Wer’s glaubt, wird glücklich
Wird diese Botschaft ernst genommen, bedeutet sie das böse Erwachen aus einem tausendjährigen Traum: dem von der Erreichbarkeit eines dauerhaft gelingenden Daseins. Die Philosophie ist denn auch, soweit sie sich als „Anweisung zum seligen Leben” (Fichte) verstand, recht still geworden. In seiner groß angelegten Retrospektive auf die abendländischen Glückstheorien spricht Wolfgang Janke von einer „Präzisierungsgeschichte”. Präzisierungen sind im Wortsinn Abschneidungen. Dem Messer von Kants Kritik fiel fast die gesamte Glücks-Weisheit von zweitausend Jahren zum Opfer: Gutsein und Glücklichsein schließen einander aus. Da ist es nur noch ein Schritt zum absurden Glück des Sisyphos, der die Götter leugnet und seinen Stein wälzt.
Die Geschichte der Philosophie als Lebenskunst zeigt also – von den optimistischen Imperativen der Sieben Weisen über Hegels Erbaulichkeitsverbot bis zum heute herrschenden Erkenntnisstadium der positiven Wissenschaften – einen negativen Verlauf. „Wo göttliche Verkündigung als Selbstentfremdung des Menschen entlarvt, der Mythos aufgeklärt, das Dichterische vom wirklichen Leben getrennt, der metaphysische Logos in die Einzelwissenschaften aufgelöst und Zahlenverhältnisse in wortlosen Zeichen zum präzisen Ausdruck des quantifizierbaren Glücks auf der Welt erhoben worden sind, da verstummt eine umfassende Theorie der Eudämonie offenbar endgültig.”
Dieser Befund ist aber nicht der eigentliche Ertrag von Wolfgang Jankes Rekapitulation der Überlieferung philosophischer Glücksthematik, die sich in einer Fülle von Bezügen entfaltete: Glück und Ethos, Glück und Lust, Glück und Zufall oder Schicksal, Glück und Spiel, Glück und Liebe, Glück und Tod, Seligkeiten des Schauens. Seine „Präzisionsanalysen” stehen vielmehr im Dienst einer „Restituierung, die an der Zeit ist”. Die abgeschnittenen Bezüge sollen also wieder zur Geltung gebracht werden.
Wie kann das gelingen? Mit Hilfe eines Begriffspaars, das zunächst den glückshungrigen Leser eher abzuweisen scheint. Was soll er mit Zauberwörtern wie „Adienz” und „Attinenz” anfangen? Gemeint ist aber etwas durchaus Fassliches: die elementare Polarität von Subjekt und Objekt, die unauflösliche Zweieinigkeit von Ich und Welt. Das Sein „geht uns an”, und wir antworten dieser „Adienz”, indem wir sie annehmen („Attinenz”).
Wir existieren also weder als selbstherrliche Subjekte noch als willenlose Adressaten einer höheren Instanz. Wahrheit ereignet sich vielmehr im Zwischen-Sein („inter-esse”) zwischen „Angang” und „Annahme”. Den gegenwärtigen Entwürfen eines sinnvoll gelingenden Lebens hält Janke vor, dass sie einseitig auf dem Prinzip menschlicher Selbstbestimmung beruhen. Wir sind aber nicht unseres Glückes alleiniger Schmied. Das „bejahenswerte Leben gewinnt seine Kraft nicht aus der Wahl eigenen Selbstseinskönnens”, sondern in der freien Bejahung „absoluter Attinenz: das uns Zukommende und wirkliche Betreffende ohne Abstriche und Auslassungen, ohne Verschleierungen und Entschuldigungen aufzufassen und sich anzueignen”. Wer’s glaubt, wird glücklich; er hat die Chance, die Gunst der Götter zurückzugewinnen, die – Janke zitiert viele Dichter, vornehmlich Rilke und Goethe – ihren Lieblingen an allen unendlichen Freuden und Schmerzen Anteil geben.
ALBERT VON
SCHIRNDING
WOLFGANG JANKE: Das Glück der Sterblichen. Eudämonie und Ethos, Liebe und Tod. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2002. 288 Seiten, 32,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Albert von Schirnding zitiert eingangs einen Satz aus Freuds Schrift über "Das Unbehagen in der Kultur", wonach "die Absicht, dass der Mensch 'glücklich' sei, im Plan der 'Schöpfung' nicht enthalten" ist. Ein Satz, der laut Schirnding dazu geeignet ist, eine lange abendländische Reflexionsgeschichte über die Frage nach dem Glück der Sterblichen zusammenzufassen. Wolfgang Janke liefert nun mit seinem Buch einen großangelegten Überblick über diese Glückstheorien, den er laut Schirnding eine "Präzisierungsgeschichte" nennt, im wortwörtlichen Sinne von Präzision gleich "Abschneidung". Vor allem das scharfe Messer der Kantschen Kritik hat 2000 Jahre Glücksweisheit dahingesäbelt, erzählt der Rezensent. Gutsein und Glücklichsein schlossen sich seitdem aus. Das sehe Janke, der Philosophie als Lebenskunst betrachte, ganz anders: Die im Verlauf der Philosophiegeschichte abgeschnittenen Bezüge müssten eben wieder hergestellt werden, berichtet Schirnding, und zwar mit Hilfe des Begriffspaares "Adienz" und "Attinenz", das eine "unauflösliche Zweieinigkeit von Ich und Welt" beschwört. Glück resultiere nicht aus einer völlig selbstbestimmten Wahl, erläutert Schirnding, sondern aus einer Bejahung des auf uns Zukommenden: "wer's glaubt, wird glücklich", fügt der Rezensent etwas zweifelnd hinzu.

© Perlentaucher Medien GmbH
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