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Mit seinem vielfach ausgezeichneten Debüt "Lichter in Menlo Park" stürmte Raphael Urweider leichtfüßig die Bühne der Poesie und "durcheilte in rasantem Erfolgstempo den Weg zum lyrischen Jungstar".
Ernster zeigt sich sein neuer Gedichtband: "des anderen schlaf bewundern / im halbschlaf" - es sind stillere Seiten, die diese Gedichte entdecken, sprachnahe, wahrnehmungswache Beobachtungen: "erste eingebildete insekten formieren / sich zu licht". Im Zentrum steht Urweiders überwältigendes Langgedicht "Steine", das beim Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2002 mit dem 3sat-Preis…mehr

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Produktbeschreibung
Mit seinem vielfach ausgezeichneten Debüt "Lichter in Menlo Park" stürmte Raphael Urweider leichtfüßig die Bühne der Poesie und "durcheilte in rasantem Erfolgstempo den Weg zum lyrischen Jungstar".

Ernster zeigt sich sein neuer Gedichtband: "des anderen schlaf bewundern / im halbschlaf" - es sind stillere Seiten, die diese Gedichte entdecken, sprachnahe, wahrnehmungswache Beobachtungen: "erste eingebildete insekten formieren / sich zu licht". Im Zentrum steht Urweiders überwältigendes Langgedicht "Steine", das beim Klagenfurter Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb 2002 mit dem 3sat-Preis ausgezeichnet wurde. Als schwereloses Requiem begleitet es Krankheit und Sterben eines Geologen, dem die vertrauten Steine wie "das gegenteil von fleisch" erscheinen.

"Gänge mit steinen.

Auf beiden seiten in den kleidern gleichmäßig verteilt,

vertraut den händen, rückversicherungsgriffe

wie handschläge alter bekannter, gefühlvoll.

Hände, die etwas begreifen, die nicht schlafen,

nicht abwesendes staunen, starren augs:

Schaue den steinen nach, trauere den steinen nach,

wie wir kauerten hinter steinen, wie wir versuchen,

uns an einzelne steine zu erinnern, steine in mauern

zum beispiel, bestimmte moosformationen der kindheit,

an schweflige flechten, an ritzen, zwischenräume,

in denen immer etwas war oder etwas fehlt."

Aus: Steine

"Preisende Worte wären zu finden für die Energie der Sätze, den hymnischen Rhythmus, die genaue Wortwahl und immer wieder den evidenten Bildzauber."

SÜDDEUTSCHE ZEITUNG über "Lichter in Menlo Park"
Autorenporträt
Raphael Urweider wurde 1974 in Bern geboren, wo er als künstlerischer Leiter am Schlachthaus Theater arbeitet. Er übersetzt Gedichte und Theaterstücke aus dem Englischen. Bei DuMont erschienen seine Gedichtbände "Lichter in Menlo Park" (2000), "Das Gegenteil von Fleisch" (2003) und "Alle deine Namen" (2008). Auszeichnungen 1999 Leonce-und-Lena-Preis der Stadt Darmstadt 2001 Förderpreis des Bremer Literaturpreises 2002 3Sat Preis bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt 2004 Clemens-Brentano-Preis 2008 Schillerpreis
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.02.2004

Flüchtiger Gast, ewiger Staub
Raphael Urweiders Gedichtband „Das Gegenteil von Fleisch”
Wovon verabschieden wir uns? Das war im Millenniumsjahr 2000 die unausgesprochene Frage des damals 25jährigen Raphael Urweider in seinem Debütband. Er war auch deshalb so eindrucksvoll, weil diese Gedichte sich mit der fernen liliputhaften Spielwelt der Väter der Neuzeit zusammenschlossen, die das anthropozentrische Weltbild auflösten, die Lösung des Menschen von der Erde und sein Leben beschleunigten. Nun, aus der Sicht seines zweiten Gedichtbandes, wird kenntlich, dass Urweider damit den Grundstein für die Gegenwartskunde des neuen Gedichtbandes legte.
Den Auftakt bildet der im Titel an Mallarmé erinnernde Zyklus „Faltenwürfe”. Er rückt den Kontemplationsraum Landschaft ins Zeitalter Dubuffets und Christos, ersetzt das ptolemäische Weltbild des Landschaftsgedichts durch das kopernikanische und führt vor, wie durch die Aufgabe der Zentralperspektive und des Horizonts das Naturbild, Inbegriff von Mitte im unendlichen Raum, sich in Bewegung setzt und die Dinge zu Nomaden werden.
Urweider entdeckt die Ereignishaftigkeit von Natur und Wahrnehmung, die genetische Tätigkeit von Materie, Licht, Wetter, Wasser, See und Bäumen, die sich in Rillen, Schuppen, Wassergekräusel entfaltet. Und er entdeckt die Spontaneität der Sinne, ihr Doppelleben zwischen Innen und Außen, zwischen Material und immateriellen Bewusstseinsinhalten. Das Wahrnehmungsmaterial, das Zusammenhänge vorläufig nur in nebeneinander herlaufenden Bildreihen erkennen lässt, findet erst im zyklischen Laufwerk der reimlosen Terzinen zur Einheit. Der Film läuft auf einer motivisch, tonal und metrisch gestützten Rolle, deren unruhige Dreizahl sich in den Strophen und Zahlen der Gedichte wiederholt. Was der Film zeigt, ist ein lediglich von der Form verbürgtes Bild flüchtiger Natur. Das aufscheinende „Gesicht”, eine Anspielung an das Grinsen der nicht vorhandenen Katze bei Lewis Carroll, ist ein Medium der Illusion von Transzendenz.
Der Traum des Geologen
Das abwesende Grinsen verwandelt sich in der Abschiedselegie „Steine” in ein „nicht abwesendes staunen”. Mit Blick auf das Reich der Mineralien träumt ein sterbender Geologe trauernd den Traum der Unsterblichkeit. Die Abschiedsszene ist eine emphatische Blickbegegnung zwischen organischer und anorganischer Natur, dem Momentum des Menschen und den Millennien des planetarischen Geschehens. Ohne jede ursprungsmythische Spekulation überwindet das Gedicht die Grenzen des kontemplativen Augenblicks und weitet sich über die Lebenszeit hinaus in die Weltzeit des Wissens.
Dem Requiem entspringt ein Gedankengang über die Zeitordnungen des Menschlichen, der von Zyklus zu Zyklus fortschreitet. Das Doppelbildnis menschlicher Geistigkeit und Kreatürlichkeit greift im „Epitaph auf H. C. Artmann” auf die Motivik des Naturzyklus zurück, um die Poesie noch einmal als Luftgeist zu feiern. Neben den zeitfernen „Reisen” des „Aeronauten” ist das Fleisch ein flüchtiger Gast auf Erden, das im Nu zu Staub zerfällt und mumifiziert.
Den kantigen Schlussstein setzen die vier Variationensätze des Zyklus „Stationär”, die im kontemplativen Maß aneinander gereihter Distichen das poetologische Resümee ziehen. Vorangegangen ist dem Abgesang die schöne minimalistische Versmusik Euridikes, die mit dem Abschied von Orpheus auch von seiner Kunst der Totenbeschwörung Abschied nimmt, von der orphischen Worttheologie, deren Götterhimmel nur noch ästhetisch beglaubigt war. Der Schönheit seines Lieds stellt sie die Wahrheit entgegen, die Wahrheit über die Verdrängungsarbeit einer Ästhetik, die das sinnliche Material zum geistigen Prinzip sublimiert: nicht um zurückzubringen mitzunehmen/ im verlust enthalten war wohl: deine kunst.
Das semantische „nicht” Euridikes wird aufgenommen und wandelt sich im letzten Zyklus zur zentralen Metapher, die noch einmal das „néant” des französischen Symbolismus aufgreift, um es zu zersingen. Zwischen dem „nein” des Auftakts und dem „immer” des Schlussakkords bewegt sich ein Gedankengang, der das Zeitmotiv des Anfangs aufnimmt, aber die Naturszenerie mit der Bahnhofshalle vertauscht, um angesichts von Anzeigentafeln, Reisemöglichkeiten und „Destinationen” die künstlerische Glaubensfrage zu verhandeln: die Frage nach dem Jenseits der Kunst.
Der universellen Geltung lyrischer Subjektivität, ihrem allgemeinen Ich begegnet Urweider empirisch, als einzelner, mit Blick auf die Grenzen der eigenen Vorstellungskraft. Wittgensteins Rezeptur „Frag nicht nach der Bedeutung, frag nach dem Gebrauch” sichert dem Gedichtband seine Qualität als Kunst, die nicht mehr Spiegel der Welt ist, sondern Sprachhandlung, die ihr Verhältnis zur Wirklichkeit untersucht.
Das Spiel der poetischen Reflexion aber ist hier so lebendig der Anschauung angeschmiegt, dass der Gedichtband zu einem gelungenen Beispiel dafür wird, wie die Kunst den Rationalisierungsprozess der Moderne in sich aufnimmt und weitertreibt. So wird er zum glänzenden Gegenstück aller fußkranken Augenblicklichkeitskunst, die die Banalität des „Gerade-eben-jetzt” lediglich verdoppelt.
SIBYLLE CRAMER
RAPHAEL URWEIDER: Das Gegenteil von Fleisch. Gedichte. Dumont Verlag, Köln 2003. 100 Seiten, 17, 90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.01.2004

Balance mit schweren Steinen
Die Liebe zur Geologie: Raphael Urweiders zweiter Lyrikband

Daß Grazie möglich ist in der modernen Poesie - dafür gibt der junge Schweizer Raphael Urweider ein schönes Beispiel. Sein vor drei Jahren erschienener Debütband "Lichter in Menlo Park" brachte ein weitgespanntes Potpourri von Themen und Formen. Der damals Sechsundzwanzigjährige schrieb heiter und intelligent über Chopins Préludes wie über "leonardos gedanken beim segeln" oder jene "faktorei", in der Henry Ford seine "tin lizzies" produzierte. Seine kleingeschriebenen Gedichte stemmten keine schweren Gewichte - sie waren verbale Mobiles, die sich elegant im Strom der Einfälle bewegten. Der Beifall - auch in Gestalt von Literaturpreisen - blieb nicht aus. Und mit ihm wuchs die Hürde der Erwartung vor dem zweiten Buch.

Urweider nimmt sie durchaus respektabel, wenngleich nicht ohne jene Anspannung, die aus dem Ehrgeiz kommt. Spürbar ist sie an der gesucht aparten Titelformulierung "Das Gegenteil von Fleisch". Aber Titel sind keine Küchenzettel, wie Lessing sagt, und die Gedichte selbst wahren eine kluge Ökonomie, die den Profi bezeugt. Urweiders neuer Band ist schmaler geraten als sein Erstling. Er bringt eine Konzentration der Formen und Themen. Drei der sechs Kapitel sind ihm wohlgelungen, drei weniger. So wirken die "Faltenwürfe" zart, aber kunstgewerblich. Das Langgedicht "Fleisch" ist ambitioniert, aber überladen; ihm fehlt ebenjenes Fleisch, von dem es spricht. Und "Stationär", eine Rhapsodie über Bahnen und Stationen, leidet an der Diskrepanz von Thema und rhetorischem Aufwand. Es genügt einfach nicht, "nur einfach nur zu / versuchen nur den bahnhof verstehen zu wollen".

Um so rühmenswerter ist die andere Hälfte des Bandes - und aufs Gelungene kommt es schließlich an. Urweiders "Epitaph" auf H. C. Artmann ist eine artistische Hommage an den großen Wortklauber und -zauberer. Diese siebenteilige Sequenz in Variationen ist weniger eine Klage als ein heiterer Nachgesang im Artmann-Ton, eine Montgolfiere "für aeronauten weiß wie papier".

Das Hauptstück des Bandes ist auch das beste und eindrücklichste. "Steine" - von Urweider 2002 mit Erfolg in Klagenfurt vorgetragen - bringt eine Reihe von Meditationen und erzählerischen Passagen über die Motivwelt von Stein, Kies und Sand. Der Dichter will "jedem stein bei genauerer betrachtung etwas abgewinnen" und möchte es analog bei Menschen tun und "in fremden gesichtern nach eigener geschichte suchen". Wenn dann von Besuchen in einer Spitalanlage die Rede ist, von einem "gemutmaßten geschwür" und dem Tumor als "stein", als "hirnstein", dann erhält der Text - zum ersten Mal bei Urweider - eine existentielle Dimension. Es geht um das Leid eines nahen Menschen, um Krankheit und Sterben eines Geologen, dem die vertrauten Steine als "gegenteil von fleisch" erscheinen.

Die Frage, wie das Leiden der Menschen zu gestalten sei und welche Rolle der Poet dabei spielt, thematisiert der Zyklus "Euridice singt". Eurydike singt natürlich den Gegenpart zu Orpheus, dem - nach Eurydikes Fortgang - "menschliches" zuwider ist. Ihre Gegenstimme insistiert darauf, daß jede Kunst ihren Preis fordert: "im verlust enthalten war wohl: deine kunst." Raphael Urweider nimmt Distanz zur allzu naheliegenden Orpheus-Rolle. Er stellt sich damit auch der Frage, wie seine Poesie weitergehen soll. In seinem neuen Band sucht und findet er eine schöne Balance zwischen dem Graziösen und dem Ausdruck von Schmerz.

HARALD HARTUNG

Raphael Urweider: "Das Gegenteil von Fleisch". Gedichte. DuMont Literatur und Kunstverlag, Köln 2003. 90 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Schwärmerisch gibt sich die Rezensentin Sibylle Cramer in ihrer Besprechung von Raphael Urweiders zweitem Gedichtband "Das Gegenteil vom Fleisch", dabei leider nicht besonders anschaulich, sondern interpretativ. Es wird viel gesagt, das hier nur wiedergegeben werden kann. Denn was damit gemeint ist, und worauf es sich bezieht, bleibt (auch mangels Beispiele) schleierhaft. Also: Raphael Urweider betreibe hier "Gegenwartskunde". Er entdecke die "Ereignishaftigkeit von Natur und Wahrnehmung", die "Spontaneität der Sinne, ihr Doppelleben zwischen Innen und Außen, zwischen Material und immateriellen Bewusstseinsinhalten". Und noch viel mehr: das semantische "nicht" der mythischen Euridike werde zur "zentralen Metapher" und "zersinge" das symbolistische "neant", behauptet Cramer. Urweider stelle der "universellen Geltung lyrischer Subjektivität" die "empirische" Vorstellungskraft des einzelnen gegenüber. Kunst sei hier "nicht mehr Spiegel der Welt ist, sondern Sprachhandlung, die ihr Verhältnis zur Wirklichkeit untersucht". Tja. Wir hätten uns auch ein bisschen mehr Welt und Wirklichkeit von der Rezensentin gewünscht.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Preisende Worte wären zu finden für die Energie der Sätze, den hymnischen Rhythmus, die genaue Wortwahl und immer wieder den evidenten Bildzauber." (SDZ über 'Lichter in Menlo Park')