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Aljoscha verbringt den Sommer bei seiner Großmutter Charlotte in der unendlichen Weite Sibiriens. Dort stößt er auf einen Koffer, der sie durch "all die Revolutionen, Kriege, gescheiterten Utopien und erfolgreichen Schreckensherrschaften" des Jahrhunderts begleitet hat. Er ist gefüllt mit Erinnerungsstücken aus Paris, wo sie einst ihre Kindheit verbrachte. Aljoscha kann nicht genug hören aus jener Zeit um die Jahrhundertwende. Auf seine französische Großmutter ist Aljoscha zugleich stolz und zornig, denn ihretwegen wird er von seinen Kameraden verspottet, weil er anders ist. Mal fühlt er sich…mehr

Produktbeschreibung
Aljoscha verbringt den Sommer bei seiner Großmutter Charlotte in der unendlichen Weite Sibiriens. Dort stößt er auf einen Koffer, der sie durch "all die Revolutionen, Kriege, gescheiterten Utopien und erfolgreichen Schreckensherrschaften" des Jahrhunderts begleitet hat. Er ist gefüllt mit Erinnerungsstücken aus Paris, wo sie einst ihre Kindheit verbrachte. Aljoscha kann nicht genug hören aus jener Zeit um die Jahrhundertwende. Auf seine französische Großmutter ist Aljoscha zugleich stolz und zornig, denn ihretwegen wird er von seinen Kameraden verspottet, weil er anders ist. Mal fühlt er sich als Russe, dann wieder als Franzose, und erst als er schließlich selbst nach Paris kommt, findet er Frieden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.11.2003

Der Pianist und die Tochter des Generals
Andreï Makine, französischer Erfolgsautor sibirischer Herkunft, las im Hessischen Literaturforum

Mit ihm ist nicht gut Kirschen essen. Andreï Makine fühlte sich schlecht präsentiert, und man mußte ihm recht geben. Da hatte das Hessische Literaturforum einen französischen Bestseller-Autor sibirischer Herkunft eingeladen, ihm aber keinen professionellen Dolmetscher zur Seite gesetzt. So kam es von Anfang an zu Mißverständnissen zwischen dem Gastgeber Werner Söllner und dem Schriftsteller, der schon die Einführung in sein Leben und Werk bemängelte, weil er nicht genug Deutsch verstand. Immerhin merkte Makine, daß die ausführlichen Resümees, mit denen Söllner die allzu kurzen deutschen Textpassagen aus dem jüngsten Roman Makines verband, den ästhetischen Genuß störten und das geduldige Publikum ermüdeten.

Makines siebter Roman, mit seinen 128 Seiten eher eine Novelle, ist in der Übersetzung von Holger Fock und Sabine Müller bei Hoffmann & Campe erschienen. Das schmale Bändchen erzählt von der gescheiterten Pianisten-Karriere eines Russen, den der Ich-Erzähler auf einem Bahnhof im Ural kennenlernt. Kurz vor seinem ersten großen Konzert mußte sich Alexei Berg vor Stalins Häschern in Sicherheit bringen. Das Dorf, in dem er bei Verwandten untergeschlüpft ist, wird 1941 von deutschen Soldaten verwüstet. Alexei zieht die Uniform eines toten russischen Soldaten an und versucht, zwischen Krieg und KGB zu überleben. Als Chauffeur eines Generals lernt er nach dem Krieg dessen Tochter Stella kennen, die ausgerechnet ihm Klavierunterricht geben möchte.

Bis hier ließ der Autor seinen Gastgeber gewähren, nachdem er selbst einen langen Text aus seinem französischen Original vorgetragen hatte. Tatsächlich waren die deutschen Passagen zu kurz, um einen Einblick in die Kunst des Romanciers zu gewähren. Eindringlich jedenfalls schildert er das Grauen auf dem Schlachtfeld nach der Schlacht, das qualvolle Sterben der deutschen und russischen Soldaten. Makine hat den Krieg nicht mehr miterlebt. 1957 in Krasnojarsk geboren, ist er bei seiner Großmutter in Sibirien aufgewachsen, einer Französin, die dort von der Weltgeschichte überrollt worden war und ihn nun mit der Sprache und Kultur ihrer Heimat vertraut machte. Ihr hat er 1995 mit seinem Roman "Das französische Testament" ein Denkmal gesetzt, für das er mit den beiden höchsten französischen Literaturpreisen ausgezeichnet wurde: dem Prix Goncourt und dem Prix Medici.

Jacques Chirac bat ihn zu Tisch und setzte sich persönlich dafür ein, daß der Immigrant endlich die französische Staatsbürgerschaft erhielt. Bis dahin nämlich waren die Franzosen mit dem Fremdling aus dem Osten nicht eben freundlich umgegangen. Nach seiner Emigration 1987 mußte Makine auf Pariser Parkbänken schlafen, sofern er sich mit Russisch-Nachhilfestunden kein Zimmer leisten konnte. Dennoch gelang es ihm in dieser "Boheme"-Zeit, vier Romane zu schreiben, die er nur mühselig, als Übersetzungen aus dem Russischen getarnt, bei Verlagen unterbrachte. Bis ihn Verlegerin Simone Gallimard kurz vor ihrem Tode entdeckte. "Das französische Testament" wurde in 29 Sprachen übersetzt, die Franzosen allein kauften mehr als eine Million Exemplare. Inzwischen liegt es auch als Taschenbuch in deutscher Übersetzung vor.

CLAUDIA SCHÜLKE

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