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Das 'Fließende Licht der Gottheit' der Mystikerin Mechthild von Magdeburg (1207-1282) ist das früheste erhaltene Dokument der Frauenmystik in deutscher Sprache. Die lange vergriffene erste vollständige Übersetzung des Textes (1955) wird hier vorgelegt in einer umfassenden Neubearbeitung, der die textkritische mittelhochdeutsche Edition von Hans Neumann (1990/93) zugrunde liegt. Die Erläuterungen wurden vor allem hinsichtlich quellengeschichtlicher Belege ergänzt. Ausführliche Register wie Bibel-, Namen-, Verfasser- und Sachverzeichnis erschließen den Band.

Produktbeschreibung
Das 'Fließende Licht der Gottheit' der Mystikerin Mechthild von Magdeburg (1207-1282) ist das früheste erhaltene Dokument der Frauenmystik in deutscher Sprache. Die lange vergriffene erste vollständige Übersetzung des Textes (1955) wird hier vorgelegt in einer umfassenden Neubearbeitung, der die textkritische mittelhochdeutsche Edition von Hans Neumann (1990/93) zugrunde liegt. Die Erläuterungen wurden vor allem hinsichtlich quellengeschichtlicher Belege ergänzt. Ausführliche Register wie Bibel-, Namen-, Verfasser- und Sachverzeichnis erschließen den Band.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.03.2004

O selige Gottesferne!
Mechthild von Magdeburg als deutsche Klassikerin
Gläubig, demütig und andächtig soll man dieses Buch neunmal durchlesen, rät uns das Vorwort gleich zweimal, in lateinischer und in deutscher Sprache, und informiert gleichzeitig darüber, dass es sich dabei um die Offenbarungen handelt, die eine fromme Begine ab etwa 1250 mit dem Beistand eines Bruders aus dem Predigerorden zu Pergament gebracht hat. Sehr viel mehr weiß man auch heute noch nicht über die 1207/08 bei Magdeburg geborene und wohl adlige Mechthild, die mit 12 Jahren „vom Heiligen Geist gegrüßt”, zunächst als Begine in Magdeburg, dann ab etwa 1270 im Kloster Helfta lebte und ihre Visionen, geistlichen Erlebnisse und Gedanken unter dem Titel „Das fließende Licht der Gottheit” über mehrere Jahrzehnte niederschrieb und veröffentlichte, ehe sie dort, sehr alt und blind, Anfang der 80er Jahre starb.
Niemals mit Begier geküsst
Noch im allerletzten Kapitel nennt sie Siechtum, Krankheit, Anfechtung „die Hochzeitskleider”, mit denen sich die Jungfrauen nach dem Willen des himmlischen Bräutigams kleiden. Bräute Jesu zu sein, das war für fromme Seelen, besonders solche von Klosterfrauen, seit etwa einem Jahrhundert gang und gäbe: Während bis dahin die Geliebte und der Bräutigam im Hohenlied Salomos, dessen erotische Poesie wie ein blinder Passagier im Kanon der Heiligen Schriften über den Ozean der Zeiten gesegelt war, die Kirche und Gott zu bedeuten hatten, waren sie nun die Protagonisten der unio mystica, der Vereinigung der Seele mit ihrem himmlischen Bräutigam. Freilich haben auch Männer eine Seele, aber mindestens das Wort Seele ist doch weiblich (auch schon im Griechischen und Lateinischen), und so kam die symbolische Übertragung des Verhältnisses der Seele zu Gott in ein Liebesverhältnis der weiblichen Frömmigkeit besonders entgegen.
Ein schönes frühes Zeugnis dieser Gottesminne ist ohne Zweifel jenes St. Trudperter Hohelied von etwa 1160, dem seit 1998 in der Bibliothek des Mittelalters, herausgegeben von Friedrich Ohly, ebenfalls ein Platz unter den Klassikern reserviert worden ist. Noch in jüngster Zeit hätte man gern gesehen, wenn auch das St. Trudperter Hohelied von einer Frau verfasst worden wäre, was der in den letzten Jahrzehnten so dringend gewordenen Frage nach dem Wesen des weiblichen Schreibens einen bedeutenden Forschungsgegenstand beschert hätte.
Doch war hier wohl der Wunsch der Vater und eine gar zu gezielte Wissbegier die Mutter des Gedankens. Wenn denn also keine Klosterfrau das Trudperter Hohelied verfasst hat, so besteht doch kein Zweifel daran, dass es für Klosterfrauen geschrieben worden ist. Hat Mechthild von Magdeburg dieses Werk gekannt, das nun neben ihrem „Fließenden Licht” in der Bibliothek deutscher Klassiker steht? Ist es möglich, dass sie nicht erfahren haben sollte, wie dort schon hundert Jahre vor ihr ihre frommen Schwestern angesprochen wurden: Nun tretet herzu, ihr Jungfrauen, / ihr niemals mit Begier GEKÜSSTEN. / ... Eure Brüste mögen von Gott geliebkost werden, / da sie nie ein Mann berührte ....? Genauso unbefangen sagt die Seele ja bei Mechthild: Sag meinem Liebsten, sein Bett sei bereit und ich sei liebeskrank nach ihm.
Was las die Begine?
Die Herausgeberin notiert in ihrem Kommentar, Mechthild habe natürlich aus der Bibel, besonders aus dem Hohenlied, aber auch aus der Liturgie und vor allem aus dem reichen Schatz von Predigten geschöpft, die sie in ihrem langen Klosterleben gehört hat; und fügt dann etwas verschämt und fast ein wenig unwillig hinzu: „auch an das St. Trudperter Hohelied könnte man denken”.
Mehr lässt sich in der Tat aus der Sicht der Philologie nicht behaupten, obwohl doch die Erforschung von Einflüssen und Abhängigkeiten zwei Jahrhunderte lang eine der Hauptbeschäftigungen dieser Wissenschaft war. Es ist aber durchaus nicht abwegig anzunehmen, dass die Begine Mechthild dieses große Vorbild nie gelesen oder gehört haben könnte. Sein Inhalt ist – genau wie der Inhalt des „Fließenden Lichts” – auf eine ganz andere Art literarisch, als wir es gewohnt sind. Das betrifft auch den Status dieser Werke in einer Buchreihe deutscher Klassiker. Das „Fließende Licht der Gottheit” ist, wie schon seine Vorgänger, mehr fromme Übung als Botschaft, mehr Exerzitium als Darstellung oder Reflexion, mehr Gebet als Verkündigung.
Zwar ist die mittelalterliche Frömmigkeit kaum noch mit jener zu vergleichen, die einen heutigen Christen bewegen mag; doch lassen sich diese alten Texte mit dem eigenen religiösen Geist füllen, und nicht wenige der bedeutendsten Forscher des ausgehenden 20. Jahrhunderts auf diesem Gebiet haben ihr Interesse und ihren Fleiß, wenn nicht ihrem Glauben, so doch mindestens ihrer Sehnsucht nach einem solchen zu verdanken.
Darum scheint auch der Überlieferungszustand dieses Werks, den man aus philologischer Sicht nur als katastrophal bezeichnen kann, seiner Wirkung und seinem Ruhme durchaus nicht zu schaden. Die Herausgeberin meint: „Was die Inhaltsseite anlangt, ist trotz der ungünstigen Überlieferungslage Mechthilds Text wohl mehr oder weniger unbeeinträchtigt erhalten.”
Der Ausdruck „ungünstige Überlieferungslage” ist freilich hier ein Euphemismus für die Tatsache, dass es den mittelniederdeutschen Text Mechthilds schlicht gar nicht gibt, sondern nur eine frühe lateinische und eine ein Jahrhundert später angefertigte oberdeutsche Übersetzung aus dem Kreis der Basler Gottesfreunde um Heinrich von Nördlingen, denen die stilistische und poetische Qualität des Originals, insbesondere seine öfter noch deutlich und ungewollt durchscheinende Reimprosa, durchaus gleichgültig war.
Licht ohne Werk
Was die modernen Leser und Herausgeber so fasziniert - der „persönliche Überschuss”, die „Intensität und Leidenschaft” des Verhältnisses der liebenden Seele zu Gott, das Aufbrechen der „terminologischen Versiegelung” der theologischen Metaphernwelt des Lateins, ein „persönlicher Erfahrungsstil” mit einer „biographischen Struktur” – ist für seine Rezeption beinahe zweitrangig gewesen. Aber gerade diese „eigene Linie der Narration im Werk macht das Fließende Licht zu einem Novum in der deutschen Literaturgeschichte”, schreibt die Herausgeberin mutig, und fügt hinzu: „Bezeichnenderweise ging gerade dieses innovative Element in der weiteren Überlieferung des Werkes rasch verloren.” In der Tat ordnet schon die lateinische Übersetzung den Stoff nicht chronologisch, als „individuelle Lebensgeschichte”, sondern sachlich-thematisch nach theologischen Gesichtspunkten ... „und für die Streuüberlieferung ist das Werkganze ohnehin nicht mehr von Interesse”.
Für die Leser von heute – wenn sie sich für Mechthild und nicht für die Basler Gottesfreunde interessieren – hat die Ausgabe den Vorzug, dass man hier einmal mit bestem Gewissen eigentlich nur die sehr gelungene Übersetzung zu lesen braucht, da das vermeintliche „Original” ja selber nur eine Übersetzung ist.
Freilich nähern wir uns damit auch dem, was man literarische Mystik nennen könnte: wird unsere Begierde nach dem Text nicht gerade dadurch ins Unendliche gesteigert, dass er in unerreichbare Ferne gerückt ist? Die Mystikerin kannte dieses unaussprechliche Gefühl von Gewissheit aus Verzweiflung, als sie, freilich in mittelniederdeutsch, ausrief: „O selige Gottesferne!”
HANS-HERBERT RÄKEL
MECHTHILD VON MAGDEBURG: Das Fließende Licht der Gottheit. Hrsg. von Gisela Vollmann-Profe. Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main 2003. 870 Seiten, 76 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.10.2010

Im Baumgarten der Liebe
Praktizierte Gotteserotik: Mechthild von Magdeburgs sprachglühende Mystik

Mystik hat Konjunktur. Nicht nur Esoterik-Shops preisen ihre Räucherstäbchen als mystisch an, man kann auch mystische Urlaube buchen oder sich ein mystisches Tattoo applizieren lassen. Mystisch heißt heutzutage alles, was irgendwie übersinnlich sein soll. Der diffundierende Sprachgebrauch hat einen durchaus nicht diffusen Ursprung. Als mystisch, "geheim(nisvoll)" (griechisch mystikós), verstehen sich spirituelle Lehren und Praktiken, die es in vielen Religionen gibt, im Christentum so gut wie im Judentum, im Islam oder im Buddhismus. Im Christentum zielt diese Art von Spiritualität auf die unmittelbare Erfahrung Gottes schon im diesseitigen Leben. Sie gipfelt in der Vereinigung der Seele mit Gott, in der unio mystica.

Von den Kirchenvätern begründet, spielen mystische Frömmigkeit und mystisches Denken in der geistlichen und geistigen Kultur des Mittelalters eine wichtige Rolle. Die Literaturgeschichte verdankt ihnen eine Reihe bedeutender Texte, als "erstes Buch der deutschen Mystik" (Gustav Ehrismann) gilt das "St. Trudperter Hohelied" aus der zweiten Hälfte des zwölften Jahrhunderts. Es ist eine Auslegung des "Hohen Liedes" der Bibel. Ein unbekannter Verfasser hat sie für Nonnen verfasst, um sie über die "Erkenntnis Gottes in der Liebe" zu belehren. Als Bräute Christi sollen sie die Liebe zwischen der Braut und dem Bräutigam des "Hohen Liedes" als Modell für ihr eigenes Verhältnis zu Gott begreifen. "Brautmystik" nennt man das. Sie ist über das Mittelalter hinaus eine der wirkungsmächtigsten Formen mystischer Spiritualität. Ihr ist auch das erste mystische Bekenntnisbuch in deutscher Sprache verpflichtet, das "Fließende Licht der Gottheit" der Mechthild von Magdeburg. Entstanden in der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts, protokolliert es die geistlichen Erfahrungen und Einsichten seiner Verfasserin. Wer diese Frau war, können wir nur annäherungsweise erschließen. Sie dürfte als Begine in Magdeburg gelebt haben, hat sich gegen Ende ihres Lebens offenbar zu den Zisterzienserinnen des Klosters Helfta bei Eisleben zurückgezogen und scheint dort in den frühen achtziger Jahren des dreizehnten Jahrhunderts gestorben zu sein.

Das "St. Trudperter Hohelied" belehrt über die geistliche Brautschaft der Seele - und stimmt die Adressatinnen mit einer raffiniert rhythmisierten Prosa emotional auf sie ein. Das "Fließende Licht der Gottheit" dagegen macht uns zu Zeugen einer praktizierten Gotteserotik, in der das "Hohe Lied" gewissermaßen "experimentiert" wird (Alois Haas). Die Vereinigung der Seele mit Gott erscheint als Geschlechtsakt: "Ich warte auf dich im Baumgarten der Liebe", spricht der himmlische Bräutigam, "und breche dir die Blumen der süßen Vereinigung."

Die bildliche Rede hier ist nicht bloß äußerliche Form der Darstellung. Bildlich ist zuallererst die Form der Erfahrung selbst. Denn als das ganz Andere kann die Gotteserfahrung nicht hinübergenommen werden in das Bewusstsein, das dem diesseitigen Menschen zugehört. Es kann sich in ihm nur abbilden in Gestalt diesseitiger Erlebnismuster. Und ein solches Erlebnismuster ist das der geschlechtlichen Liebe.

Indem es bekenntnishaft Zeugnis ablegt von der Erfahrung Gottes, ist das "Fließende Licht der Gottheit" zugleich ein Buch der Offenbarung der göttlichen Geheimnisse. Durch den Mund Mechthilds, so wird dem Leser versichert, spricht Gott. Er selbst, heißt es zu Beginn, hat das Buch gemacht, in seinem Unvermögen, seine Gnade zurückzuhalten. Und er hat dem Buch auch den Titel gegeben: "Es soll heißen: Das Licht meiner Gottheit, fließend in alle Herzen, die da leben ohne Arg."

Für uns ist dieses Buch vor allem ein sprachliches Kunstwerk von außergewöhnlichem Rang. Mechthild verfügt über alle Register des Sprechens vom nüchternen Bericht bis zum entzückten Gesang. Ihre Prosa schwingt sich immer wieder auf zu rhythmischer Rede, zu Vers und Reim. Überreich ist die Bildlichkeit, die in mystischer Tradition als Vehikel jener Erkenntnis des Bildlosen fungiert, die - wie es dann im vierzehnten Jahrhundert Johannes Tauler formulieren sollte - durch Bilder über die Bilder hinauszukommen trachtet. Es kann diese Bildlichkeit aber auch jäh umschlagen in Abstraktion, in ein "Schrumpfen der Rede", wie man gesagt hat, die "das Vielfältige zur Einheit" zwingt (Kurt Ruh). Man möchte das virtuos nennen, wenn sich der Begriff nicht verböte angesichts einer Autorin, die sich gerade nicht als selbstmächtige Künstlerin verstanden hat, sondern "unter heißen Tränen" bekennt, dass sie sich ihrer Berufung, das Buch "aus Gottes Herzen und Mund zu schreiben", schämte, weil ihr ihre "vollkommene Unwürdigkeit deutlich vor Augen" stand.

Vor sieben Jahren hat Gisela Vollmann-Profe im Deutschen Klassiker Verlag eine exzellente zweisprachige Ausgabe des faszinierenden Werks vorgelegt (F.A.Z. vom 17. Juni 2004). Der Verlag der Weltreligionen hat sie jetzt neu herausgebracht. Text und Übersetzung sind unverändert geblieben, Nachwort und Kommentar hat die Herausgeberin gründlich überarbeitet und aktualisiert; die rein sprachlichen Kommentare, die nur den Philologen interessieren können, wurden getilgt. Es ist ein auch äußerlich schönes Buch geworden, dem man viele Leser wünscht - nicht zuletzt solche, die Mystik bisher nur aus dem Esoterik-Shop kannten.

JOACHIM HEINZLE

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