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Das Buch vom Kaspischen Meer ist die vielschichtige Reportage eines durch Raum und Zeit reisenden Schriftstellers auf der Suche nach dem Wesen des größten Sees der Erde und seiner Anrainerländer Kasachstan, Turkmenistan, Iran, Aserbaidschan und der russischen Republik Dagestan. In historischer Tiefenbohrung und persönlichen Begegnungen lotet er die zeitlichen und physischen Bewegungen in einem uns kaum bekannten Raum aus, der sich vom Kaukasus im Westen und der unermesslichen Steppe im Osten, dem Elburs-Gebirge im Süden und dem Wolgadelta im Norden erstreckt. Dieses monumentale geopoetische…mehr

Produktbeschreibung
Das Buch vom Kaspischen Meer ist die vielschichtige Reportage eines durch Raum und Zeit reisenden Schriftstellers auf der Suche nach dem Wesen des größten Sees der Erde und seiner Anrainerländer Kasachstan, Turkmenistan, Iran, Aserbaidschan und der russischen Republik Dagestan. In historischer Tiefenbohrung und persönlichen Begegnungen lotet er die zeitlichen und physischen Bewegungen in einem uns kaum bekannten Raum aus, der sich vom Kaukasus im Westen und der unermesslichen Steppe im Osten, dem Elburs-Gebirge im Süden und dem Wolgadelta im Norden erstreckt. Dieses monumentale geopoetische Werk macht das Kaspische Meer als ein die Kulturen trennendes Gewässer verstehbar.
Autorenporträt
Wassili Golowanow, 1960 in Moskau geboren, war Journalist, Schriftsteller und Fotograf. Er arbeitete für verschiedene Literaturzeitschriften und veröffentlichte zahlreiche Bände mit preisgekrönten geopoetischen Essays und Reportagen. Er verstarb 2021 in Moskau. Valerie Engler, 1974 geboren, ist Literaturübersetzerin aus dem Russischen und Armenischen Sie übersetzte u.a. M. Agejew, Julia Kissina und Alexander Ilitschewski. Sie lebt und arbeitet in Berlin. Eveline Passet, geboren 1958, arbeitet als Übersetzerin aus dem Russischen und Französischen sowie als Rundfunkautorin in Berlin. Sie übersetzte u.a. Pennac, Constant, de Musset, Kuprin, Rosanow und Prischwin. 2014 erhielt sie den Übersetzerpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft und 2017 den Literaturpreis »Zuger Übersetzer-Stipendium«.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.2020

Für die Tasche Von einer Reise ins Wolga-Delta im Jahr 1999 bringt der russische Journalist und Reiseschriftsteller Wassili Golowanow ein Bild mit, das ihn nicht mehr loslässt: Das riesige, dschungelartige Geflecht der Kanäle mit ihren Lotusblütenteppichen, dem Dickicht aus Schilfwänden und uralten Weidenbäumen öffnet sich plötzlich zur gelben Weite des winddurchpflügten "Steppenmeeres", des Kaspisees. Golowanow hat es bei diesem Anblick sofort gepackt, nur widerstrebend kehrt er nach Moskau zurück und beginnt dort ein fünfzehn Jahre währendes Studium der Geschichte und Geografie Zentralasiens. Ihm schwebt nicht weniger als eine "vollständige Geographie des Kaspischen Meeres" und seiner von Buchara bis Indien, von der Mongolei bis nach Mesopotamien reichenden Handels- und Kulturbeziehungen vor, ein größenwahnsinniges Unterfangen. Selbst wenn sich Golowanow in seinem "Buch vom Kaspischen Meer" letztlich damit begnügt, "auf die Totalität nur anzuspielen" - seine "Einladung zu einer Reise", wie es im Untertitel heißt, ist immer noch mehr als tausend Seiten stark, disparat und in vielerlei Hinsicht monströs. Neben der uralten Geschichte der Region - Golowanow beginnt bei den 25 000 Jahre alten Felsbildern von Qobustan in Aserbaidschan, erzählt von den Persern, Alexander dem Großen, von Mongolen und Turkvölkern - beschäftigt den Autor vor allem die Gegenwart. Im heimatlichen Moskau begegnen ihm nämlich überall die arbeitssuchenden Migranten aus den ehemaligen südlichen Sowjetrepubliken, Hunderttausende haben nach dem Auseinanderfallen der Sowjetunion die Kaspiregion verlassen, bringen ihre Kultur und Religion und auch ihre Konflikte nach Russland und verändern damit mehr und mehr das Land, von dem sie über Jahrhunderte kolonisiert wurden. Golowanow will sie verstehen und weiß, dass es dazu nicht reicht, die Zugewanderten bloß zu befragen. Er muss den Raum, aus dem sie kommen, durchqueren.

Seine Reise ist daher nur selten bloß touristischer Ausflug, der ihn zu Kulturdenkmälern und in die ihn beeindruckende Leere und Weite der Steppe oder zu den Qaratau-Bergen führt. Sie ist vielmehr die ganz klassische Auseinandersetzung eines Okzidentalen mit dem Orient. Verstellt von seinen eigenen Prägungen und Projektionen, ist Golowanow aber ehrlich genug, einzugestehen, dass er immer wieder an seine Grenzen stößt. In Dagestan fühlt er sich so fremd, dass er die Reise abbricht und Hals über Kopf ins heimatliche Moskau flieht. Über der Verstörung, dass das Erfahren des Fremden die Fremde nicht kleiner macht, sondern vergrößert, gewinnt er jedoch zweierlei: eine tiefe Einsicht in das Eigene, Ungewusste, Verdrängte. Und ein Buch, das zwar verstörend und monströs ist, manchmal auch naiv, banal und selbstverliebt, aber vor allem berauschend, reich, poetisch, wunderbar.

beha

Wassili Golowanow: "Das Buch vom Kaspischen Meer. Einladung zu einer Reise". Matthes & Seitz 2019, 1072 Seiten, 48 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.07.2019

Am Anfang war nicht das Wort
Der russische Autor Wassili Golowanow hat das größte Binnengewässer der Welt umreist.
Sein Buch über das Kaspische Meer besticht durch das Zugleich von Reportage und Reflexion
VON BURKHARD MÜLLER
Handelt es sich jetzt eigentlich um einen See oder ein Meer? Wenn es ein See wäre, dann der größte der Welt. Wenn ein Meer, dann wäre es das einzige, das vom Zusammenhang der Ozeane gänzlich abgeschnitten ist. Kaspisee oder Kaspisches Meer, das ist nicht bloß eine akademische Frage, denn von der Antwort hängt die Grenzziehung ab und damit der Anspruch auf die gewaltigen Lagerstätten an Erdöl und Erdgas. Nicht weniger als fünf Anrainer hat dieses riesige Binnengewässer: im Uhrzeigersinn Aserbaidschan, Russland, Kasachstan, Turkmenistan und Iran. Vier davon gehörten früher zur Sowjetunion, nur der Iran hat von jeher ein Eigenleben geführt.
Anders als das Schwarze Meer, das über die Donau mit uns und über Bosporus und Dardanellen mit dem Mittelmeer in Verbindung steht, hat das Kaspische Meer (wenn man es nun doch einmal so bezeichnen will) bislang nicht viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Es galt als eine binnenasiatische Angelegenheit, als entlegenes Wesen der Steppe. Das könnte sich ändern, meint der 1960 in Moskau geborene Schriftsteller, Journalist und Fotograf Wassili Golowanow: „Mein Gefühl sagt mir, dass sich um den Kaspisee ein unglaubliches Spannungsfeld aufbaut und dass, sollte die Welt sich in diesem ,Great Game’ um die Ressourcen verlieren, dieser Raum in Stücke fliegt, zum Teufel geht.“
Golowanow hat schon früher literarische Reisen in schwer zugängliche Gegenden unternommen, auf die Inseln im sibirischen Polarmeer beispielsweise. Dort hatte er vor allem selbst zur Ruhe finden wollen. Diesmal setzt er sich ein breiteres Ziel: nämlich die Augen zu öffnen für eine wenig bekannte Region, die zwar schon seit Jahrhunderten unter russischem Einfluss steht, aber, anders als die Wildnisse des westlich angrenzenden Kaukasus, über den Puschkin und Tolstoj geschrieben haben, ihren Dichter noch nicht gefunden hat. Und kommt ein Raum denn nicht erst zur Welt, wenn er Dichtung geworden sind?
„Einladung zu einer Reise“ heißt das Buch im Untertitel. Nicht jeder wird geneigt sein, dieser Einladung (außer lesend) Folge zu leisten. Golowanow lässt keinen Zweifel an der katastrophalen Infrastruktur der Gegend, die jede Taxifahrt zu einem Abenteuer macht. Nach Turkmenistan kommt man als Privatreisender überhaupt nicht, in den anderen Ländern hängt alles vom Zufall und von der Freundlichkeit der Leute ab.
Auf die aber trifft Golowanow reichlich; für ihn sind seine Reisen, vier insgesamt, ein höchstpersönliches Projekt, immer stehen Menschen und das Gespräch mit ihnen im Mittelpunkt. Und wenn sein aserbaidschanischer Freund Azer zwischen ihrer ersten und zweiten Begegnung tiefer in den Trunk abrutscht, als selbst die tolerante Landessitte es duldet, dann erfüllt ihn das mit wahrem Gram. Ja, Gram und Schmerz spielen in diesem Buch eine Schlüsselrolle, sein eigener nach zwei gescheiterten Ehen ebenso der Schmerz der Historie, denn in dieser Region hat es so viel vergebliche Anstrengung, so viel Vernichtung, die nirgendwohin führt, gegeben; ganze Armeen sind hier spurlos in der Wüste verschwunden. „Sag einer noch: ,Am Anfang war das Wort.’ Am Anfang war die Gewalt (…) Aber wenn ich mich nicht an der Gewalt beteiligen will? Dann greife ich auf das Wort zurück. Ein neuer – womöglich vergeblicher – Versuch.“
Ein Versuch jedenfalls, der den Leser packt. Auch zu Einfühlung und Dankbarkeit ist dieser Autor fähig; und er lässt den Leser an seinem Glück teilhaben, dass er und seine langjährige Lebensgefährtin Olga schließlich doch noch heiraten und dass ihre Hochzeitsreise sie – wohin auch sonst? – ans Kaspische Meer führt. Golowanows Überzeugungen sind stark und vielleicht etwas naiv, sie orientieren sich an den Ideen von Tolstoj und Dostojewskij, er sieht in der Moderne vor allem Dekadenz am Werk.
Doch das verleiht seinem Blick tiefe Zuneigung für das mühsame Leben der Bergbewohner in Dagestan. Für einen Westeuropäer ist dieser Grad von Emotionalität teilweise schwer auszuhalten, der Stil streift gelegentlich das Blumige (was die Übersetzerinnen Valerie Engler und Eveline Passet mit einer Art von tapferer Treue bewahren). Aber man hat letzten Endes doch mehr davon als von einem Buch wie „Die Grenze“ der Norwegerin Erika Fatland, die ebenfalls am Kaspischen Meer unterwegs war (allmählich scheint die Region doch an Interesse zu gewinnen!) und selbst von der alten Tragödie zwischen Armeniern und Aserbaidschanern mit der unbelasteten Heiterkeit der Touristin berichtet.
Golowanow hingegen ist ein Verstrickter, der um Befreiung ringt. Als Russe bewegt er sich in einem Raum, den Russland als sein „nahes Ausland“ reklamiert; er kann sich mit fast Allen auf Russisch verständigen, begreift vieles intuitiv, weil die Menschen, auf die er trifft, seine Mitbürger und Landsleute von gestern sind. Doch die alte Schicksals- und Gewaltgemeinschaft macht ihm auch das Herz schwer.
Darum hat der letzte eigentliche Reiseteil des Buchs, in dem es um das iranische Südufer des Kaspischen Meeres geht, so erfrischenden Charakter. Hier ist dem Autor alles neu, hier hilft ihm kein Rückgriff in die ältere oder jüngere Geschichte, und er muss sich einen Dolmetscher nehmen, der ihm schon bald zum engen Freund wird.
Mit Staunen bemerkt er, dass von der angeblichen finsteren Theokratie im Alltagsleben so gut wie nichts zu spüren ist, dass die Leute vielmehr zielstrebig und fröhlich arbeiten (was sie im vom Erdöl korrumpierten Aserbaidschan niemals tun) und dass eine männliche Jugend herangewachsen ist, die, um sich im Leben zurechtzufinden und Spaß zu haben, keinen Alkohol braucht; der Autor bucht es als bedeutende Errungenschaft.
In einem Laden schaut er zwei jungen Frauen zu, die gemeinsam einkaufen, die eine mit Kopftuch und weitem traditionellem Gewand, die andere westlich-modisch gekleidet; und statt über die Unterdrückung der Frau im Islam vom Leder zu ziehen, hält er fest, dass die beiden Freundinnen offenbar auf zwei verschiedene erotische Strategien setzen, die der Schaustellung und die des Geheimnisses – und dass dieser Unterschied das gute Einvernehmen zwischen ihnen nicht stört.
Ein Buch, das vom Reisen spricht, kann nie in irgendeinem Sinn komplett sein. Dieses aber wirkt in seinem heterogenen Umfang wie ein zerbrochenes Gebirge. Auf die vier Reiseteile folgen die „Historischen Abstecher“, die es mit dem aufrührerischen Kosaken Stenka Rasin, dem rätselhaften Reich der Chasaren, den zwei aberwitzigen russischen Versuchen, vom Kaspischen Meer aus Indien zu erobern, mit Alexander dem Großen, Zarathustra und so manchem anderen zu tun haben. Das war in den Reisebericht nicht zu integrieren und muss darum für sich stehen.
Auch der Anhang will nicht enden, es gibt die „Kurzen Erweiterungen“, darauf die Anmerkungen im engeren Sinn (viele von den Übersetzerinnen eingefügt, die wissen, welche russischen Selbstverständlichkeiten einem westlichen Publikum erklärt werden müssen), einen historischen Abriss, ein Glossar usw. Angesichts solcher Ausführlichkeit hätte man dem Band etwas detailliertere Karten gewünscht.
Hingegen muss man, nach einigem Nachdenken, die Entscheidung billigen, das Buch frei von Bildern zu halten, obwohl der Autor die ganze Zeit mit der Kamera unterwegs war. Hier soll nur das Wort zählen, und alle Fotos wären nichts als verwässernde Urlaubsknipserei gewesen. Vielleicht kann man aus dem ausgeschiedenen Material bei Gelegenheit einen Bildband machen – aber hier auf Illustrationen zu verzichten, war richtig. Wenn es so etwas wie fragmentarische Meisterwerke gibt, solche also, die man verehren muss, auch wenn ihrer gezackten Kontur die abschließende Rundung fehlt: dies ist eins.
Wassili Golowanow: Das Buch vom Kaspischen Meer. Einladung zu einer Reise. Aus dem Russischen von Valerie Engler und Eveline Passet. Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2019. 1072 S., 48 Euro.
Die Menschen und das
Gespräch mit ihnen stehen
bei Golowanow im Mittelpunkt
In den Exkursen geht es auch um
die aberwitzigen russischen
Versuche, Indien zu erobern
„Ein unglaubliches Spannungsfeld“ hat Wassili Golowanow durchreist: Ölförderung im Kaspischen Meer vor der Küste Aserbaidschans.
Foto: Vincent Prado / laif
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»Wenn es so etwas wie fragmentarische Meisterwerke gibt, solche also, die man verehren muss, auch wenn ihrer gezackten Kontur die abschließende Rundung fehlt: dies ist eins.« - Burkhard Müller, Süddeutsche Zeitung Burkhard Müller SZ - Süddeutsche Zeitung 20190704