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Schlagzeile:
"Das Auge des Gesetzes wacht!"
Kurztext:
"Das Auge des Gesetzes wacht"! Ein etwas altmodisch gewordener Satz, der je nach Tonlage und Situation ironisch, beruhigend oder warnend klingen mag. Was aber steckt hinter der merkwürdig anthropomorphen Metapher vom "Gesetz", das ein Auge haben soll, das niemals schläft und "alles" sieht? Und was kann uns ihre Geschichte mitteilen über den Wandel unseres Rechtsverständnisses?
Langtext:
Michael Stolleis spürt in seinem Essay den verschlungenen Wegen eines Bildes nach, dessen Anfänge weit in die Menschheitsgeschichte
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Produktbeschreibung
Schlagzeile:
"Das Auge des Gesetzes wacht!"

Kurztext:
"Das Auge des Gesetzes wacht"! Ein etwas altmodisch gewordener Satz, der je nach Tonlage und Situation ironisch, beruhigend oder warnend klingen mag. Was aber steckt hinter der merkwürdig anthropomorphen Metapher vom "Gesetz", das ein Auge haben soll, das niemals schläft und "alles" sieht? Und was kann uns ihre Geschichte mitteilen über den Wandel unseres Rechtsverständnisses?

Langtext:
Michael Stolleis spürt in seinem Essay den verschlungenen Wegen eines Bildes nach, dessen Anfänge weit in die Menschheitsgeschichte zurückreichen, und er vermag nicht zuletzt anhand von zahlreichen Bildbeispielen zu zeigen, wie die Augenmetapher Strömungen der Rechtsgeschichte seit dem 16. Jahrhundert aufnimmt, die im revolutionären Frankreich in eine radikal neue "Vergöttlichung des Gesetzes" einmünden. Mit ihr befreit sich das Recht zwar von religiösen und fürstlichen Bevormundungen, aber zugleich erhebt es auch einen Anspruch auf "Allwissenheit", der in den totalitären Überwachungspraktiken der Moderne seinen bedrohlichen Ausdruck gefunden hat.

'Es ist nur ein schmales Bändchen über die Metapher vom 'Auge des Gesetzes'. Aber der Frankfurter Rechtshistoriker Michael Stolleis erklärt darin assoziations- und gedankenreich, warum wir sie der Allegorie der blinden Justitia vorziehen.'
Bettina Engels, Der Tagesspiegel, 30. Mai 2004

'Mit lockerem Strich zeichnet Stolleis die griechischen und jüdisch-christlich Herkünfte der Vorstellung von einem allsichtigen Auge der Gerechtigkeit nach, welches ein direkter Abkömmling des alles sehenden Götterauges ist. Aus dem melting pot der barocken Emblematik, in dem politische und theologische Symbole ineinander umgeschmolzen werden, dringt das Auge Gottes in die Ikonographie des Souveräns ein."
ff, Süddeutsche Zeitung, 23. März 2004

'Wer mit dem Auge des Gesetzes nur den Schnüffelstaat assoziiert, der wird verblüfft und schließlich bereichert Michael Stolleis` kleinem Spaziergang durch die Geschichte dieser Metapher folgen."
Arno Widmann, Berliner Zeitung, 22. März 2004

'Der Frankfurter Rechtshistoriker Michael Stolleis demonstriert in seinem brillanten Essay die komplexe Geschichte der Metapher, mit welcher der Schutz des Bürgers ebenso gemeint sein kann wie dessen Überwachung durch den allmächtigen Staat."
rwa, Tages Anzeiger, 16. März 2004

'Das Gesetz hat nicht nur ein Auge, es ist auch ein Auge. - Der Frankfurter Rechtshistoriker Michael Stolleis zeichnet in seiner (...)'Geschichte einer Metapher" die politische Ikonographie dieses sehr besonderen Auges nach."
Uwe Justus Wenzel, Neue Zürcher Zeitung, 17. Februar 2004

'Der Rechtshistoriker Michael Stolleis geht in diesem materialreichen und fabelhaft anschaulichen Essay einer vielfarbigen Vorstellung nach, die das Rechtsverständnis seit der Antike in seinem Wandel dokumentiert.'
Elisabeth von Thadden, Die Zeit, 12. Februar 2004

'(...) Für die gegenwärtige Idee des Rechtsstaates europäischer und amerikanischer Prägung - und mehr noch: geradezu als Modell einer solchen Bibliothek der politischen Bilder - steht der knappe Essay, den Michael Stolleis dem selten gewordenen Bild vom 'Auge des Gesetzes' gewidmet hat."
Lorenz Jäger, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26. Januar 2004
Autorenporträt
Michael Stolleis, Dr. jur., Dres.h.c., ist seit 1975 Professor für Öffentliches Recht und Neuere Rechtsgeschichte an der Universität Frankfurt/Main und seit 1991 Direktor am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte. Bei C.H.Beck ist u.a. seine große Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland erschienen, von der bislang drei Bände (1988-1999) vorliegen, die den Zeitraum von 1600 bis 1945 behandeln.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.01.2004

Ikonographie des Rechtsstaats

Daß die Heraldik, die Kenntnis der Wappen, eine bloße Hilfswissenschaft der Historiker ist, gilt schon lange nicht mehr. Bilder und Embleme der Staaten und Ideologien können in besonders glücklichen Fällen durchaus wesentliche Einsichten in die Natur der geschichtlich wirkenden Kräfte vermitteln. Seit die Geisteswissenschaften sich der Bilderwelt zugewandt haben, ist man dafür aufmerksamer geworden: Kaum eine konzisere Einführung in die Geschichte und Vorgeschichte des Zionismus dürfte es geben als Gershom Scholems Abhandlung über das Zeichen, in dem diese Richtung vor hundert Jahren auftrat, das Davidschild, den sechseckigen Stern, die sich im ersten Band seiner "Judaica" findet. Und in die neuzeitlichen Staatslehren in der Nachfolge von Thomas Hobbes gibt gerade die Analyse ihrer Bilderwelt in Carl Schmitts "Leviathan" und in den Arbeiten von Horst Bredekamp tiefe Einblicke. Man möchte sich eine kleine Bibliothek der politischen Bilder und Metaphern wünschen, die monographisch das Sternenbanner oder die grüne Fahne des Propheten behandelte.

Für die gegenwärtige Idee des Rechtsstaates europäischer und amerikanischer Prägung - und mehr noch: geradezu als Modell einer solchen Bibliothek der politischen Bilder - steht der knappe Essay, den Michael Stolleis dem selten gewordenen Bild vom "Auge des Gesetzes" gewidmet hat ("Das Auge des Gesetzes". Geschichte einer Metapher. Verlag C. H. Beck, München 2004. 88 S., br., Abb., 12,- [Euro]). Die Geschichte des Bildes führt vom europäischen Absolutismus, der die strahlende Sonne als Herrscherzeichen im Zentrum seiner Ikonographie hatte, in die Epoche nach den religiösen Bürgerkriegen, die das Gesetz immer reiner, immer unpersönlicher in den Mittelpunkt des Staatsdenkens stellte. Allegorien des Rechts nahmen seit dem achtzehnten Jahrhundert das Bild auf, nachdem es zuvor als Zeichen des universellen Wissens eine eher esoterisch-philosophische Karriere hinter sich gebracht hatte.

Schon Athanasius Kircher zeigte es 1669 in der später obligaten Verbindung mit dem gleichseitigen Dreieck. Aber auch in Verbindung mit dem Zepter tritt es auf: "Es ist das Zeichen der klugen und gerechten Herrschaft. Das Auge steht für die umfassende Fürsorge und Kontrolle, das Zepter für die befehlende Macht. Ein solches Zepter halten vor allem Herrscher in Händen, deren Gerechtigkeit gerühmt wird. Der ägyptische Gott-König Osiris, dessen Hieroglyphenzeichen ein Auge ist, galt als Muster der Gerechtigkeit."

Den Höhepunkt seiner Beliebtheit hatte das Zeichen in der Epoche der amerikanischen und der Französischen Revolution. Noch heute findet man es auf der Ein-Dollar-Note der Vereinigten Staaten: Es steht in einem Dreieck an der Spitze einer gemauerten Pyramide. Sehr zu Recht hat Stolleis hier - immerhin handelt es sich auch um das Staatssiegel - auf die freimaurerische Bedeutung des Zeichens hingewiesen: "Das Zitat der ägyptischen gemauerten Pyramide deutet auf Freimaurerei und Illuminaten, also auf Aufklärung." Das Ägyptische mußte der Freimaurerei, die "Zauberflöte" zeigt es, als Inbegriff einer "überkonfessionellen" Weisheit naheliegen. Aber bei dem Hinweis - und einem zweiten, eher kuriosen, auf die hier sich anschließenden Verschwörungstheorien in Pynchons Roman "Gravity's Rainbow" - bleibt es, und wer mehr über die Zusammenhänge von Aufklärung und Maurern wissen will, muß in Reinhart Kosellecks immer noch lesenswerte Studie "Kritik und Krise" schauen.

Das Auge sieht und wacht. Man möchte meinen, daß bei einem anthropologisch so sensiblen Bild die literarischen Belege häufig zu finden sein müßten. Dem ist nicht so. Stolleis hat in Schillers "Lied von der Glocke" den entscheidenden, aber auch einen seltenen Hinweis gefunden: "Schwarz bedecket / Sich die Erde, / Doch den sichern Bürger schrecket / Nicht die Nacht, / Die den Bösen gräßlich wecket, / Denn das Auge des Gesetzes wacht." In der Restauration nach den Freiheitskriegen bekam das Auge einen negativen Beiklang: Es stand nun für die Überwachung, den Spitzel. Aber schon in der Französischen Revolution hatte das Auge einen zunehmend polizeilichen Sinn: Wachsam beobachtet die Revolution ihre Gegner. 1793 erscheint die neue Münze von zwei Sous, die auf der einen Seite Jakobinermütze und Waage zeigte, auf der anderen das Auge des Gesetzes, wiederum im Dreieck, und in der Mitte die zentrale Gesetzesaussage: "Les hommes sont égaux devant la loi" - die Menschen sind vor dem Gesetz gleich. Auf Michel Foucaults Untersuchung "Überwachen und Strafen" geht Stolleis zurück, wenn er die repressiven Überhöhungen des Bildes behandelt, die in die Idee eines völlig überschaubaren, kontrollierbaren Raumes münden.

Für die Gegenwart sieht Stolleis eine Aushöhlung des Symbols: Das Gesetz habe gleichsam seine utopischen Qualitäten verloren: "Über die Zusammensetzung der Parlamente sind alle elitären Illusionen des neunzehnten Jahrhunderts verflogen. Niemand nimmt mehr an, dort würde im freien Diskurs und erleuchtet von der Stimme des Gewissens die beste aller denkbaren Lösungen gefunden. Was im Gesetz abgebildet wird, ist nichts anderes als der mit allen Mediokritäten behaftete Kompromiß des Tages." Das entspricht dem gegenwärtigen Selbstbild des Rechtsstaates, der als pragmatisch gesehen werden möchte. Aber über welche ideologischen Energien er darüber hinaus verfügt, ist noch keineswegs ausgemacht. Die Steuerung der Familienpolitik durch die Europäische Union etwa, die auf eine klare Enttraditionalisierung der Rollen hinausläuft, läßt Erinnerungen an die revolutionären Ursprünge des Rechtsstaats wach werden, die Stolleis dem Leser nahebringt.

LORENZ JÄGER

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Das Gesetz hat nicht nur ein Auge, es ist ein Auge: auf diese knappe Formel bringt Rezensent Uwe Justus Wenzel die These des Frankfurter Rechtshistorikers Stolleis, der die Geschichte dieser Metapher als politische Ikonografie nachzeichnet. Das wachende Auge Gottes, die Augen der Göttin Gerechtigkeit, der absolute Souverän - Stolleis führt verschiedene abendländische Traditionslinien zusammen, erklärt Wenzel, die in der französischen Revolution münden, als das Volk seine Souveränität an die Verfassung übertrug. Im 19. Jahrhundert gab dann die Entwicklung des Überwachungs- und Strafsystems der Metapher vom Auge des Gesetzes einen negativen Beiklang. Im Grunde, stellt der Rezensent fest, präsentiert Stolleis "Fragmente einer Verfallsgeschichte"; das nimmermüde Auge des Überwachungsstaates korrespondiere nämlich mit dem blind werden Auge des Gesetzes, das beliebig gefüllt werden könne, solange es mit dem Verfassungsrecht nicht kollidiere. Insofern ist das "Gesetz blind geworden", behauptet Wenzel und vermutet beim Autor eine gewisse Sehnsucht nach Bildern, in denen sich der nüchterne Rechtsstaat von heute symbolisch bekräftigen könne.

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