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Gedenk- und Erinnerungsorte, die im Kontext der NS-Verbrechen stehen, verzeichnen immer neue Besucherrekorde. Sie werden mittlerweile in erheblichem Umfang von Touristen aufgesucht. Was aber bedeutet eine touristische Erinnerungskultur? Schließen sich Tourismus und Gedenken aus, oder ergeben sich dadurch neue Chancen der Geschichtsvermittlung? Die Beiträge des Bandes spüren dem Phänomen des "Dark Tourism" nach, fragen nach Motivationen und Hintergründen und werfen einen kritischen Blick auf dessen Folgen für die gegenwärtige Erinnerungskultur. Sie plädieren zugleich dafür, nicht in Abwehr und…mehr

Produktbeschreibung
Gedenk- und Erinnerungsorte, die im Kontext der NS-Verbrechen stehen, verzeichnen immer neue Besucherrekorde. Sie werden mittlerweile in erheblichem Umfang von Touristen aufgesucht. Was aber bedeutet eine touristische Erinnerungskultur? Schließen sich Tourismus und Gedenken aus, oder ergeben sich dadurch neue Chancen der Geschichtsvermittlung? Die Beiträge des Bandes spüren dem Phänomen des "Dark Tourism" nach, fragen nach Motivationen und Hintergründen und werfen einen kritischen Blick auf dessen Folgen für die gegenwärtige Erinnerungskultur. Sie plädieren zugleich dafür, nicht in Abwehr und Skandalisierung zu verharren, sondern die Herausforderung durch touristische Besucher produktiv anzunehmen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Man könnte denken, überlegt Rezensent Robert Probst, dass der Tourismus zu Stätten der historischen Gewalt einfach nur "Sensationsgier und Voyeurismus" befriedigten. So einfach aber sei die Sache nicht, und der Kritiker ist dankbar für diese Sammlung wissenschaftlicher Arbeiten, die sich dem Phänomen ausführlich widmen. Tatsächlich erfährt hier der Kritiker, dass solche Reisen auch der historischen Aufklärung und gezielten Schulung dienen können. Das Beispiel Ruanda erwähnt der Kritiker besonders als eines, in dem die Stätten der Gewalt von Damals als Orte der Legitimation des Heute fungieren.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.01.2021

Ausflug
nach Auschwitz
Ein Sammelband sucht Antworten
auf das Phänomen Dark Tourism
Es ist gar nicht so einfach, die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz zu besuchen, wegen des enormen Andrangs ist der Zugang für Einzelbesucher seit einiger Zeit reglementiert. Wer nicht Wochen im Voraus reservieren will, kann sich aber jederzeit einer organisierten Tour in Krakau anschließen, wo gern Auschwitz mit einem Ausflug zu den berühmten Wieliczka-Salzminen kombiniert wird – all included: Guide, Transfer, Eintritt + 2 Discount Coupons. Von derlei Tagestouren ist es dann nicht weit bis zu den Selfies, die hie und da in den Krematorien aufgenommen werden, und zur Debatte, was solche Touristen außer Sensationsgier und Voyeurismus eigentlich antreibt.
Das Forschungsfeld des sogenannten „Dark Tourism“ wurde in den 1990er-Jahren entdeckt und hat seit einiger Zeit auch in Deutschland Konjunktur. Ein sehr empfehlenswerter Sammelband nähert sich dem wenig erforschten Phänomen aus verschiedensten Perspektiven an. Und kommt ganz wissenschaftlich, aber gut lesbar zu dem Ergebnis: Ganz so einfach ist es nicht. Es geht nicht nur um das korrekte Verhalten in Mahn- und Gedenkstätten, sondern auch darum, welche Angebote vor Ort gemacht werden. Und, dass Dark Tourism seine guten Seiten haben kann.
Seit Jahrhunderten pilgern Menschen zu heiligen Gräbern, besuchen Schlachtfelder oder Massengräber großer Kriege. Aber erst seit die Menschen in Scharen zu früheren Stätten von Gewalt, Tod, Krieg und Völkermord reisen, um dort etwas zu erleben, treten die problematischen Seiten solcher „Ausflüge“ immer klarer zu Tage. Die Menschen setzen auf sinnliche und subjektive Erlebnisse und reisen mit klaren Erwartungshaltungen an; bei Orten des Holocausts möchte man vor allem Wachtürme, Stacheldrahtzäune, Baracken, Gaskammern und Krematorien sehen und gewissermaßen abhaken. Wo solche „Holocaust Icons“ nicht zu finden sind, wie etwa in der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg ist man „enttäuscht“. Vielen Menschen fehlt aber etwa die Einordnung, dass der Holocaust zum allergrößten Teil im von Nazi-Deutschland besetzten Gebieten Osteuropas vollzogen wurde und dort wiederum zum größten Teil bei Massenerschießungen oder in den Vernichtungslagern der „Aktion Reinhardt“ im Osten Polens, wo heute wenig an die authentischen Mordstätten erinnert (weil die Nazis alle Spuren verwischen wollten) und wohin auch keine Besuchermassen reisen.
Der Band zeigt anschaulich, wie man Reisen nach Polen etwa mit Erinnerungsarbeit sinnvoll verbinden und auch über die völlig andere Aufarbeitung der Vergangenheit in Osteuropa aufgeklärt werden kann; was Touristen über ihren Aufenthalt in KZ-Gedenkstätten auf Tripadvisor schreiben und was Besucher auf dem Obersalzberg genau suchen. Immer wieder bestürzend zu lesen ist aber auch, wie wenig sich etwa Italien mit der Periode des Faschismus auseinanderzusetzen bereit ist, gezeigt wird das an Mussolinis Grabmal – einem Pilgerort für alte und junge Unbelehrbare.
Wie man Erfahrungen mit einem Genozid schließlich sinnvoll nutzen kann, zeigt das Beispiel Ruanda. Dort wird staatlicherseits bewusst darauf gesetzt, Touristen zu den Stätten der Gräueltaten von 1994 zu lotsen, um zu zeigen, welche Fortschritte seither erzielt wurden. Dark Tourism kann also auch eine „politische Legitimationsfunktion“ haben.
ROBERT PROBST
Frank Bajohr,
Axel Drecoll,
John Lennon (Hg.):
Dark Tourism. Reisen
zu Stätten von Krieg, Massengewalt und
NS-Verfolgung.
Metropol-Verlag,
Berlin 2020. 266 Seiten,
24 Euro. E-Book: 19 Euro
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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