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"Ein Meisterwerk des Abgründigen"hat Bryan Ferry die Lebensgeschichte Sebastian Horsleys genannt. Sie erzählt vom Aufwachsen mit einer alkoholabhängigen Mutter und einem sexsüchtigen Vater und von der Suche nach Bedeutung und teuren Anzügen. Horsley, der sich bei seiner bisher spektakulärsten Aktion auf den Philippinen kreuzigen ließ, war Punk, Callboy, Börsenspekulant, Heroin- und Cracksüchtiger. Zu seinen Helden gehört neben Rimbaud und Johnny Rotten auch Marc Bolan, dessen letzte Platte den Titel Dandy in the Underworld trägt. Ein Buch über das Leben als Inszenierung und stilvolles…mehr

Produktbeschreibung
"Ein Meisterwerk des Abgründigen"hat Bryan Ferry die Lebensgeschichte Sebastian Horsleys genannt. Sie erzählt vom Aufwachsen mit einer alkoholabhängigen Mutter und einem sexsüchtigen Vater und von der Suche nach Bedeutung und teuren Anzügen. Horsley, der sich bei seiner bisher spektakulärsten Aktion auf den Philippinen kreuzigen ließ, war Punk, Callboy, Börsenspekulant, Heroin- und Cracksüchtiger. Zu seinen Helden gehört neben Rimbaud und Johnny Rotten auch Marc Bolan, dessen letzte Platte den Titel Dandy in the Underworld trägt. Ein Buch über das Leben als Inszenierung und stilvolles Scheitern.

"Wie Salvador Dalis Bekentnisse, nur lustiger. Dandy in der Unterwelt ist unterhaltsam und widerspenstig, zart und schockierend, verlogen und aufrichtig." (The Independent)

"Spannend, bezaubernd und auf eine bizarre Weise irritierend." (Will Self)

"Seine Versuche, ein anderer zu werden, sind von epischer Qualität." (Nick Cave)
Autorenporträt
Sebastian Horsley, geboren 1962, arbeitet als Künstler und Autor in Soho, London. Er schrieb u.a für "The Observer", "New Statesman", "The Independent" und hat eine monatliche Kolummne in "The Erotic Review".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.07.2009

Stil ohne Tempolimit

Brauchen wir den neuen Dandy? Der britische Künstler Sebastian Horsley reitet pompös und augenzwinkernd auf der Welle der Dekadenzliteratur.

Ohne Unterlass erhaben zu sein, wie es Charles Baudelaire vom Dandy verlangte, erfordert viel Mühe. Geld spielt eine untergeordnete Rolle, denn wie Oscar Wilde bemerkte, kann man auch mit einfachen Mitteln großen Sinn für Ästhetik beweisen. Viel Zeit zum Ankleiden ist jedoch einzuplanen: Schon dem weltersten Dandy Beau Brummell (1778 bis 1840), der auch nach seinem Ruin noch wie ein rechter Englishman lebte, sagt man nach, er habe fünf Stunden dazu benötigt.

Die extravagante Garderobe scheint der kleinste gemeinsame Nenner für ein Grundmerkmal des Dandys zu sein, wenn man sich die vielseitigen Ausprägungen dieses Typus der Literatur- und Kulturgeschichte ansieht. Unter der Oberfläche jedoch treten bald Extreme zum Vorschein, die eine Subsumtion gar zu verschiedener Ästheten unter dem Dandy-Begriff erschweren. Mit der Erhabenheit ist es spätestens seit Joris-Karl Huysmans Roman "Gegen den Strich" (1884) vorbei, der Dandy ist seither bedroht von Synonymie zum Décadent: Huysmans' Held Des Esseintes pflegt etwa sich nur noch durch ein Klistier zu ernähren; unvergessen wird seinem Leser auch die Perversion einer lebendig mit Gold und Edelsteinen besetzten Schildkröte bleiben. Als Gipfel der weiter fortschreitenden Dandy-Dekadenz konnte zuletzt Patrick Bateman gelten, jener virile Protagonist des Romans "American Psycho" (1991) von Bret Easton Ellis, der nicht nur größten Wert auf geschmackvolle Visitenkarten legte, sondern nebenbei auch die Kunst des grausamen Mordens zur feinsten Lebenskunst erklärte.

Mit aller Macht in diese Niedergangsreihe drängt nun erneut ein Brite: "Dandy in der Unterwelt" nennt der Maler, Aktionskünstler und Kolumnist Sebastian Horsley seine literarische Autobiographie, die Hedonismus um jeden Preis fordert. Ohne Geld ist da jedoch nichts zu machen: Über hunderttausend Pfund will Horsley für Prostituierte und Drogen ausgegeben haben. Zwischen beiden Gelüsten besteht für ihn allerdings eine klare Hierarchie: "Sex ist nur die Sublimierung der Drogenabhängigkeit." Was die Garderobe angeht, setzt er auf subversive Knalleffekte, schimpft den Vorgänger Brummell einen Konformisten und rühmt sich bereits einer persönlichen Hinterlassenschaft, nämlich des Horsley-Hemdes: "Vierknöpfiger Ärmelaufschlag. Dreizehn Zentimeter Manschettenumschlag, Kragenstellung: dreizehn Zentimeter (weit genug, um fliegen zu können)."

Die plakative Selbsteinschreibung in die Tradition verbindet Horsley gleich im Buchtitel mit einem Zitat: "Dandy in the Underworld" ist nämlich ein Song des Glamrock-Stars Marc Bolan und seiner Band T-Rex; ein entsprechendes Kapitel zur musikalischen Sozialisation in den siebziger Jahren enthüllt Bolan als großes Idol des Erzählers und nennt die Sex Pistols "die tiefsinnigsten Philosophen seit Kirkegaard". Bei seinen weiteren Einlassungen zum Dandytum hat Horsley das Zitieren wohl allerdings zuweilen vergessen - Baudelaire und Barbey D'Aurevilly lassen öfter grüßen, als man es für möglich hält. Horsleys etwas schamloses Sampling ohne Quellenangaben klingt zum Beispiel so: "Ein Dandy zu sein ist eher ein Zustand als eine Berufung. Das Dandytum ist eine Abwehr des Leides und eine Feier des Lebens. Es ist keine Mode, es ist kein Reichtum, es ist nicht Schönheit, es kann nicht gelehrt werden. Es ist ein Schild, ein Schwert und eine Krone - alle hervorgezogen vom Dachboden der Einbildungskraft."

Zugegeben, das Buch beginnt mit einem Paukenschlag von erstem Satz: "Als Mutter herausfand, dass sie schwanger war, nahm sie eine Überdosis." Gleich darauf folgt aber die Wendung ins Komische: "Die Sache mit der Überdosis klappte nicht. Doch hätte sie gewusst, wie ich mich entwickeln würde, hätte sie zu Zyanid gegriffen." Die Mischung aus ernstem Inhalt und prahlerischem Lügengeschichtenton ist typisch für Horsleys Stil: Was auch immer er Schlimmes berichtet, wird zugleich doch als Groteskerie gekennzeichnet. Mit weiteren Fanfarenstößen reitet er dann seinen Weg in die Unterwelt ab: zerrüttetes Elternhaus, Sex im Internat, Sex von der Straße, Dandy auf Speed, Dandy auf Entzug. Letzteres Kapitel gehört paradoxerweise zu den amüsantesten des Buches - der Patient wundert sich angesichts seiner Selbsthilfegruppe in der Entzugsklinik, wie er als Nihilist in die Fänge solcher "New-Age-Narren" geraten konnte. Auf den Rat des Arztes hin, er solle sich ernsthafter mit sich selbst beschäftigen, kontert er: "Ich kann Ihnen versichern, dass ich kaum etwas anderes tue."

Höhe- oder, besser gesagt, Tiefpunkt des Stationenwegs ist dann eine berüchtigte Performance, mit der Horsley im Jahr 2000 für Furore sorgte: Auf den Philippinen ließ er sich bei einem Karfreitagsritual von einheimischen Dorfbewohnern ans Kreuz nageln. Genüsslich wiederholt er in seinem Buch die damaligen Pressestimmen, die ihn eher zum Wahnsinnigen als zum Genie erklärten. Was er mit der Aktion erreichen wollte, scheint er bis heute nicht recht zu wissen, abgesehen von Provokation: Horsley erklärt den gekreuzigten Christus zum "ultimativen Dandy", der zwecks Kultbildung erstaunliches Stilbewusstsein bewiesen habe. Doch selbst mit solchen Pervertierungen durch die Literatur lebt das Christentum schon länger - heißt es doch bereits bei Georg Büchner, unter allen Epikureern sei Christus der feinste gewesen.

Ein Triumph für den Provokateur Horsley war es natürlich, als ihm vor kurzem die amerikanischen Behörden die Einreise verweigerten - angeblich wegen moralischer Verkommenheit, wie es auch im Klappentext des Buches heißt. Ein Artikel im britischen "Guardian" lässt jedoch auch wissen, dass eine frühere Verurteilung Horsleys wegen Drogenbesitzes bei dieser Zurückweisung eine Rolle spielte. Großartig und wahrhaft dandyesk jedoch die kolportierte Reaktion des Zurückgewiesenen auf das Vorgehen der Grenzbehörde: "Die gute Nachricht war, dass sie mein Buch gelesen hatten."

Dass Horsley daheim und anderswo so viel Aufsehen erregt, liegt wohl besonders daran, dass er zwischen seinem Buch-Ich und seiner Person keinen Unterschied macht: In Talkshows erscheint er gern mit Frack und Zylinder und preist in sehr gewählten Worten die Vorzüge der Prostitution. Wenn er bei solchen Auftritten etwa ernsthaft behauptet, unfreiwillige Prostitution sei ein Mythos, an den nur die Intellektuellen glauben, fordert dies zu Recht Protest heraus. An Horsleys Buchfiktion jedoch wird der durch Huysmans, Ellis oder auch Houellebecq abgehärtete Leser kaum Anstoß nehmen, weil sie ihre Übertriebenheit merklich ausstellt und eher auf Pointen als auf veritable Schockierung des Lesers zielt. Sie will am Ende gar nicht mehr sein als die unterhaltsame Parodie eines Entwicklungsromans, die man nicht zu ernst nehmen sollte.

JAN WIELE

Sebastian Horsley: "Dandy in der Unterwelt". Eine unautorisierte Biografie. Aus dem Englischen von Andreas Leopold Hofbauer. Blumenbar Verlag, München 2009. 425 S., geb., 19,90 [Euro].

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"Die abgefahrenste Lebensbeichte, die seit dem vorletzten Jahrhundert auf britischem Boden abgelegt wurde." -- Playboy

"Stil ohne Tempolimit: Der britische Künstler Sebastian Horsley reitet pompös und augenzwinkernd auf der Welle der Dekadenzliteratur." -- Frankfurter Allgemeine Zeitung

"Wenn auch nur die Hälfte wahr ist: Dann gnade ihm Gott!" -- Kultur Spiegel