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Memory Books, Erinnerungsbücher, so heißen kleine, bunte Hefte, vollgeschrieben und -gemalt von Men schen, die oft kaum das Alphabet beherrschen. Eltern, die HIV-positiv sind, formulieren darin Gedanken, Bräuche und Wünsche für ihre Kinder, die bald alleine aufwachsen müssen. In Uganda und anderen Ländern Afrikas, wo immer mehr Kinder auf sich gestellt sein werden, sind solche bewegenden Tagebücher oft das einzige Erbe, das erkrankte Mütter hinterlassen können wie Harriet, die für ihre sechsjährige Tochter festhält, was sonst bald niemand mehr weiß. Mo na telang bereiste die engagierte…mehr

Produktbeschreibung
Memory Books, Erinnerungsbücher, so heißen kleine, bunte Hefte, vollgeschrieben und -gemalt von Men schen, die oft kaum das Alphabet beherrschen. Eltern, die HIV-positiv sind, formulieren darin Gedanken, Bräuche und Wünsche für ihre Kinder, die bald alleine aufwachsen müssen. In Uganda und anderen Ländern Afrikas, wo immer mehr Kinder auf sich gestellt sein werden, sind solche bewegenden Tagebücher oft das einzige Erbe, das erkrankte Mütter hinterlassen können wie Harriet, die für ihre sechsjährige Tochter festhält, was sonst bald niemand mehr weiß. Mo na telang bereiste die engagierte Filmemacherin und Autorin Christa Graf das Land, besuchte Kranke und Waisenkinder, Ärztinnen, Heiler und Sozialarbeiter. Eindrucksvoll macht ihre Reportage deutlich, welch ungeheure Kraft in den Memory Books steckt.
Autorenporträt
Christa Graf, geboren 1947, Chemotechnikerin und Mutter zweier Söhne, kam über Umwege zum Film. Sie unternahm lange Reisen, durchquerte dieSahara und erlebte hautnah die Kriegswirren von Sri Lanka. Mittlerweile sind mehr als fünfzig Filme entstanden, von Magazinbeiträgen bis zu Dokumentarfilmen für ZDF, 3sat und ARTE, mit denen sie sich vor allem für Afrika und seine Bewohner einsetzt. Christa Graf lebt in München.

Sabine Eichhorst arbeitet für die ARD und schreibt Bücher. Sie wurde mit dem Civis Medienpreis der ARD ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.07.2008

Überlebenswillen in Uganda
Was den von Aids heimgesuchten Menschen Hoffnung gibt
Scheinbar ein Idyll: Ein Dorf mit Rundhütten, spielenden Kindern, eine Frau ruft sie, die Kinder scharen sich um sie. Es wird gestreichelt, gelacht, erzählt und gesungen. Andere Mütter kochen in der Gemeinschaftsküche das Abendessen. Dann werden mehrere Grasmatten ausgerollt, und man sitzt um dampfende Schüsseln. Und doch hängen tiefe Schatten über diesem Bild. Nicht immer gibt es genug zu essen, dass auch alle richtig satt werden. Und Männer finden sich in unzähligen Dorfgemeinschaften nur wenige.
Wir befinden uns in Uganda, dem Land, das wie viele andere afrikanische Länder von Aids heimgesucht ist. Meist sterben zuerst die Männer, dann die Frauen, aber auch Kinder sind unter den Opfern. Doch noch mehr bleiben als Waisen zurück, traurig und verloren, mit dem Allernötigsten von Verwandten versorgt, deren eigene Probleme mehr Zuwendung kaum ermöglichen.
Eine Tragödie mit katastrophalen Folgen für die Gesellschaft; schließlich stirbt fast eine ganze Generation. Die am stärksten vom Virus Betroffenen sind die Zwanzig- bis Vierzigjährigen. Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen sind schon spürbar. Ältere Geschwister sorgen für die jüngeren, arbeiten, statt zur Schule zu gehen. Es wächst eine Generation mit geringer Bildung heran; die Zahl der Analphabeten steigt. Im Jahr 2010 wird es 2,5 Millionen Aids-Waisen geben, wie Unicef errechnet hat. Und die Zahl der Aids-Toten nimmt noch zu.
Doch zurück zur Eingangsszene. Nach dem Essen, wenn alles abgeräumt und abgewaschen ist, werden sich einige Mütter zu ihren Kindern setzen, ihnen aus ihrem Leben erzählen und mit ihnen gemeinsam etwas in die sogenannten Memory Books schreiben. Diese Bücher entstanden in England. Sie wurden von afrikanischen Aids-Patienten geschrieben, die ihre Verwandten in der Heimat nicht mehr sehen würden. Uganda war das erste Land, das die Idee übernahm und solche Bücher an infizierte Frauen verteilte.
Die Filmemacherin Christa Graf, die über Ruanda nach dem Völkermord an den Tutsi bereits eine viel beachtete Dokumentation drehte, hat sich mit Einfühlungsvermögen, wachem Verstand und so vorurteilsfrei wie nur möglich mit der Situation der Menschen in Uganda befasst; dem Land, das am entschiedensten gegen das Virus und seine Folgen vorgeht. Sie hat einen Film gedreht, der im Mai in die Kinos kam, und sie hat dieses Buch geschrieben. Ausgangspunkt bilden eben die Memory Books, deren Bedeutung sich gar nicht hoch genug bewerten lässt. Sie geben den Müttern Halt und Hoffnung und helfen ihnen, ihr Schicksal zu ertragen. Gedacht ist, dass Mütter, die das Virus in sich tragen, für jedes Kind eines anlegen. Dabei muss man bedenken, dass viele nicht lesen und schreiben können. Es kommt deshalb vor, dass die Mutter dem Kind ihre Erinnerungen diktiert: Wie sie mit ihren Geschwistern aufwuchs, wie sie den Vater kennenlernte, sich verliebte, welche Bräuche man pflegte, wie die ganze Familie ins Krankenhaus kam, als das Kind geboren wurde, wie lieb es der Vater hatte, Anekdoten, wie die, als die Ziege dem Vater ein Loch ins Hemd knabberte.
Anschaulich schildert die Autorin verschiedene Situationen aus dem Alltag der Menschen, wobei sie ihr Augenmerk nicht nur auf das Leid legt, sondern auch die durchschimmernde Lebensfreude, den Mut und die Tatkraft der allermeisten nicht außer Acht lässt. Miriam zum Beispiel: Wir begleiten sie von dem Tag an, als sie nach einem Test erfährt, dass sie infiziert ist. Zunächst durchlebt Miriam eine Phase der Lähmung, ja Starre. Sie wartet auf den Tod, schafft es nicht, sich um ihre Kinder zu kümmern.
Ihr ist es ergangen wie so vielen anderen Frauen. Der Mann, vielleicht als Wanderarbeiter tätig oder einfach polygam, hat mit anderen Frauen geschlafen, sich infiziert und Frau und Kinder angesteckt. Miriams Mann ist tot. Sie kann sich kaum vorstellen, noch viele Jahre leben zu können, was aber dank der antiretroviralen Medikamente, die das Immunsystem stärken, und die der Staat in der Regel kostenlos vergibt, möglich ist. Ihr mentaler Zustand aber wird sich verändern, dank der Hilfe der engagierten Krankenschwester Christine, die ebenfalls HIV-positiv ist und sie zum Schreiben eines Memory Books ermuntert.
Die Autorin hat ein ergreifendes Buch geschrieben, in dem sich ihre Gedanken spiegeln, das Entsetzen über das große Unglück und die Ehrfurcht vor der Kraft und dem Überlebenswillen der Menschen. Den Anstoß gab Henning Mankell, den Christa Graf zitiert: „Wir wissen alles darüber, wie Afrika stirbt, aber nichts darüber, wie Afrika lebt.” In diesem kleinen Buch erfahren wir von beidem. ELKE NICOLINI
CHRISTA GRAF: Damit du mich nie vergisst. Afrikas Kinder und die Memory Books. Malik, München 2007. 254 Seiten, 18 Euro.
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