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Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Diese sprichwörtliche Weisheit bewahrheitete sich während der sogenannten Corona- Krise, der Pandemie, die im März 2020 mit voller Wucht auch die Bundesrepublik Deutschland erreichte. „Das Feuilleton ist der fortlaufende Kommentar zur Politik“, behauptete Benno Reifenberg (1892-1970). Recht hatte er. Gleiches gilt für die Kunst, nicht zuletzt die Literatur. Sie reflektiert, kommentiert und kritisiert das Geschehen, sie schaut als Instanz gesellschaftlicher Seismographie auf die Aktionen und Reaktionen in Staat, Medien und…mehr

Produktbeschreibung
Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Maßnahmen. Diese sprichwörtliche Weisheit bewahrheitete sich während der sogenannten Corona- Krise, der Pandemie, die im März 2020 mit voller Wucht auch die Bundesrepublik Deutschland erreichte. „Das Feuilleton ist der fortlaufende Kommentar zur Politik“, behauptete Benno Reifenberg (1892-1970). Recht hatte er. Gleiches gilt für die Kunst, nicht zuletzt die Literatur. Sie reflektiert, kommentiert und kritisiert das Geschehen, sie schaut als Instanz gesellschaftlicher Seismographie auf die Aktionen und Reaktionen in Staat, Medien und Gesellschaft. Dieses Buch versammelt 19 Blickwinkel auf COVID-19. Thematisierungen voller Ernst, Betroffenheit, Sarkasmus oder Witz, mittels Lyrik, Glosse, Essay oder Kurzgeschichte. Außergewöhnliche Zeiten benötigen außergewöhnliche Bücher.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2020

Herumstromern in der Leere

Als Frankfurt stillstand, ist die Fotografin Anna Meuer durch die Stadt gezogen und hat ihre Eindrücke festgehalten. Ihre Serie "Ohne Worte" ist nun mit Texten hessischer Autoren als Buch erschienen.

Von Eva-Maria Magel

Hier kein Aufenthalt!" steht auf den Schildern an den Gleisköpfen. Das hat aber noch nie jemanden sonderlich interessiert am Hauptbahnhof. Im Grunde genommen konnte man diesen Hinweis das erste Mal so richtig wahrnehmen, als sich im Hauptbahnhof so gut wie niemand mehr aufgehalten hat. Das war im April dieses Jahres. Damals saß ein einsamer Mann mit seinem Kaffeebecher zwischen zwei Gleisköpfen, nur ein einziger anderer Passant ist auf dem Foto zu sehen, das diesen Mann zeigt. Anna Meuer hat es aufgenommen. Die Frankfurter Fotografin ist im April jeden Tag zu Fuß oder mit dem Fahrrad durch die Stadt gestromert. Und hat mit der Kamera festgehalten, was der plötzliche Stillstand des öffentlichen Lebens mit der Stadt macht. Und mit den Menschen, die sie auch dann noch prägen, wenn sie abwesend sind. Das ist vielleicht das Wesentliche an der Serie, die Meuer nach der ersten Lähmung und der Tätigkeit zu Hause, in der Fürsorge für Kinder und Mutter, wieder zu ihrem Arbeitswerkzeug, der Kamera, greifen ließ: Alle Bilder sprechen vom Menschen. Selbst wenn er gar nicht zu sehen ist.

"Ohne Worte" habe sie die Serie genannt, weil ihr die Sprache fehlte angesichts der seltsamen Szenen in der Stadt, sagt Meuer. Nun sprechen nicht nur ihre Bilder: Nachdem sie schon anlässlich einer Ausstellung im Gallus Theater verbunden waren mit einer literarischen Vernissage des "Theatre4You", begleiten die Fotografien ohne Worte nun 19 Beiträge von hessischen Autoren. Mitglieder der Gesellschaft Hessischer Literaturfreunde, haupt- und nebenberufliche Autoren, haben sich mit Corona, der Pandemie und den Beschränkungen in diesem Frühjahr auseinandergesetzt.

Herausgegeben von Paul-Hermann alias PH Gruner, der auch selbst einen Text zur fortschreitenden Anglisierung der deutschen Sprache in der Corona-Zeit beigetragen hat, ist das Buch jetzt zum sechzigjährigen Bestehen der Gesellschaft mit Sitz in Darmstadt und als Sonderband von deren Schriftenreihe erschienen. Meuers Fotografien wechseln sich ab mit Lyrik, Essays, Tagebuchschnipseln, Szenen rund um die Seuche, wie es unter Autoren gerne heißt. Hans Zippert, der in den vergangenen Monaten in zahlreichen Medien mit satirischen Corona-Beiträgen hervorgetreten ist, steuert "Corona-Files" bei, in denen sich bei aller Ironie bitterer Ernst verbirgt. Es gibt gesellschaftspolitisch kritische Gedichte von Fritz Deppert, Kulturredakteur und Theaterkritiker des "Darmstädter Echos", Stefan Benz, schickt den kauzigen Helden Justus Beck seiner unverkennbar regional geprägten Theaterkrimis diesmal für eine Kurzgeschichte zu einem Intendanten namens Attila Castenberg, der Freiheitsvideos ins Netz stellt.

Die deutsch-französische Literaturwissenschaftlerin Corona Schmiele, die wegen ihres Vornamens von keinem blöden Witz verschont geblieben ist, wurde auch, sehr früh in der Pandemie, von Corona nicht verschont. Sie beschreibt die Krankheit als aufmerksame Lektüre der Zeichen und so, dass es weit über einen Erlebnisbericht hinausgeht. Autor und Lehrer Alex Deppert hat mit einer elften Klasse der Alice-Eleonore-Schule Darmstadt das "AES-Projekt Mutter Corona" erarbeitet: Die Schülerinnen und Schüler haben Brechts Mutter Courage in die Pandemie-Zeit hineingeschrieben, mit MC alias Mutter Corona, die Ebay-Händlerin, Dönerbudenbetreiberin und Youtuberin ist, und deren Kinder heute, außer der stummen Katrin, Chantal und Kevin heißen. Entstanden ist das Projekt in der Zeit des Homeschoolings. Draußen sein durften auch die Jugendlichen damals kaum. Auch sie fehlen auf Anna Meuers Bildern. Die, hoffentlich, etwas beschreiben, das es so nicht noch einmal geben wird.

Co-ro-na. 19 Autorenbeiträge zu COVID-19. 19 Reaktionen auf eine Pandemie. Mit Fotografien von Anna Meuer, Justus von Liebig-Verlag, 184 Seiten, 15,80 Euro

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