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Seit Ende der 70er Jahre findet ein tiefgreifender Umbruch der chinesischen Gesellschaft statt. Während dieser Umbruch auf der makropolitischen und -ökonomischen Ebenen relativ gut dokumentiert wurde, gibt es nur eine vergleichsweise geringe Zahl von Untersuchungen auf der lokalen Ebene. Gerade im ländlichen Raum, in dem die Mehrheit der Bevölkerung lebt und wo die Traditionen noch am stärksten zu wirken scheinen, findet ein rasanter Veränderungsprozeß statt, der nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale und politische Implikationen mit sich bringt. Die Autoren konzentrieren sich auf die…mehr

Produktbeschreibung
Seit Ende der 70er Jahre findet ein tiefgreifender Umbruch der chinesischen Gesellschaft statt. Während dieser Umbruch auf der makropolitischen und -ökonomischen Ebenen relativ gut dokumentiert wurde, gibt es nur eine vergleichsweise geringe Zahl von Untersuchungen auf der lokalen Ebene. Gerade im ländlichen Raum, in dem die Mehrheit der Bevölkerung lebt und wo die Traditionen noch am stärksten zu wirken scheinen, findet ein rasanter Veränderungsprozeß statt, der nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale und politische Implikationen mit sich bringt. Die Autoren konzentrieren sich auf die Gemeinde- und Dorfebene. Indem sie nahezu alle Bereiche dieser Ebene nachzeichnen, entsteht ein relativ umfassender Überblick über die Gesellschaft und Wirtschaft der Gemeinden und deren Wandlungsprozeß. Die Rolle und Arbeitsweise der lokalen Betriebe, Märkte und Marktfunktionen, Urbanisierungsprozesse und Migration, Finanzen und Steuern werden ebenso untersucht wie Änderungen in der Verwaltungsstruktur, im Kadersystem, in der Zusammensetzung der Partei, der Wandel der Eliten und Schichten, Werte- und Einstellungswandel, Regionalismus- und Kommunalismusprozesse oder die Herausbildung und Entwicklung von Interessenvereinigungen. Grundlage dieser detaillierten Studie bildete eine sechsmonatige Felduntersuchung in sieben Gemeinden in sechs Provinzen Chinas.
Autorenporträt
Dr. Thomas Heberer ist Professor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Ostasien an der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg. Dr. Wolfgang Taubmann ist Professor für Kulturgeographie an der Universität Bremen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.03.1999

Möbelfabrikant im Reisfeld
Die Landbevölkerung Chinas drängt es immer mehr in die Privatwirtschaft

Thomas Heberer, Wolfgang Taubmann: Chinas ländliche Gesellschaft im Umbruch. Urbanisierung und sozioökonomischer Wandel auf dem Lande. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 1998. 494 Seiten, 98,- Mark.

Die Urbanisierung schreitet in der Volksrepublik China wie auch in anderen Entwicklungsländern rapide voran. Immer mehr Bauern verlassen die Dörfer. Immer schneller wachsen die Städte und entstehen neue Siedlungen in bisher agrarischen Regionen. Die Umwälzungen des Lebens in der Reformära sind für die Bewohner der ländlichen Regionen mindestens ebenso dramatisch wie für die der großen Städte, doch sind Informationen aus erster Hand rar. Ausländische Beobachter können sie nur aus chinesischer Sekundärliteratur, Zeitungsberichten und vereinzelten Forschungsberichten herausfiltern.

Zum ersten Mal durften jetzt deutsche Wissenschaftler in einer breiten Feldstudie die Veränderungen im ländlichen China untersuchen. In Zusammenarbeit mit respektablen chinesischen Institutionen wie der Academia Sinica konnten der Politologe Thomas Heberer und der Kulturgeograph Wolfgang Taubmann sieben Landstädte in sechs Provinzen in den Jahren 1993/94 untersuchen. So liegt erstmals in deutscher Sprache eine Sammlung von Daten über Themen wie Bevölkerungsbewegungen, Schulbildung, Industriebetriebe, Arbeitsmärkte, das Steuersystem, die Bürokratie und Eigentumsformen vor.

Ein überraschendes Ergebnis: Auf dem Land dominiert bereits der privatwirtschaftliche Sektor. Insgesamt seien mehr als 200 Millionen, das heißt ein Drittel alles Erwerbspersonen in China, bereits in "kryptoprivaten" Betrieben tätig, schreiben die Autoren. Diese Zahl ist allerdings mit Vorsicht zu genießen. Die Autoren zählen die sogenannten Betriebe und Gewerbe im "Kollektivbesitz" zum "kryptoprivaten" Sektor. Es mag zwar stimmen, daß viele Privatunternehmen sich "kollektiv" nennen, weil die Kollektivunternehmen mehr Vorteile genießen. Es bleibt jedoch dabei, daß sie im Ernstfall, wenn es um Eigentumsrechte geht, aber auch als kollektiv behandelt werden.

Neben den Wirtschaftsdaten sind die Erhebungen zum sozialen Wandel und zur Elitenbildung interessant. So antwortet etwa auf die Frage "Was würden Sie machen, wenn Sie eine große Summe Geldes hätten?" mehr als die Hälfte der Befragten (54,9 Prozent) gut konfuzianisch, "Den Kindern eine gute Ausbildung ermöglichen." In einem Dorf etwa gilt als einflußreichste Person nicht mehr der Parteisekretär, sondern der Inhaber einer privaten Möbelfabrik. Der erfolgreiche Unternehmer wird auch andernorts mehr und mehr zum Vorbild. Oft sind allerdings auch die Unternehmer frühere Funktionäre, denn diese verfügen oft über die besten Verbindungen und Kenntnisse. Die Autoren befinden, daß dieser "Kaderkapitalismus" der wirtschaftlichen Entwicklung durchaus dienlich ist.

Die Schwachpunkte der Untersuchung, das ist den Autoren natürlich bewußt, sind die Beschränkungen, denen eine solche Erhebung von Ausländern in China unterliegt. Niemand könnte sich hier beliebig umschauen und Fragen stellen. Die Behörden suchen wirtschaftlich starke Regionen für Erhebungen aus. Zudem werden kritische Fragen als unzulässig empfunden, manchmal wittern die Bürokraten sogar Spionage. Auch die einfachen Leute neigen dazu, vor Ausländern Konflikte herunterzuspielen und alles positiver darzustellen, als es ist. Bei einer solchen Erhebung ist auch Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern notwendig. Die aber greifen im Zweifelsfall, etwa bei der Angabe, wie viele soziale Unruhen es in den vergangenen Jahren in China gegeben habe, auf nicht nachprüfbare Angaben Hongkonger Zeitschriften zurück. Trotz der Vorbehalte liefert die Untersuchung wertvolles Material, das das Bild von kaum erforschten Aspekten der modernen chinesischen Gesellschaft ergänzt.

In der Volksrepublik China, bilanzieren die Autoren, muß es nicht zu einem erdrutschartigen Zusammenbruch des politischen Systems wie in Osteuropa kommen. Ein gewaltiger Wandel von unten habe bereits eingesetzt. Die Autoren sind überzeugt davon, daß der gesellschaftliche den politischen Wandel nach sich ziehen wird. Wie lange es dauern wird, bis das Machtmonopol der Partei in Frage gestellt wird, darüber wagen auch sie keine Prognose. Bisher ist der staatliche Machtapparat stark genug, um alle neuen Bewegungen in Schach zu halten.

PETRA KOLONKO

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Die Untersuchung von Heberer/Taubmann zeigt, dass Wandlungsprozesse einer synoptischen Sichtweise bedürfen, um in ihrer Komplexität erfasst werden zu können. Sie ist eine Pflichtlektüre für alle, die sich mit ländlicher Entwicklung in der VR China befassen." (Asien, Nr. 78)