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Robert Hines wünscht sich nichts sehnlicher, als vom Busschaffner zum Busfahrer aufzusteigen. In den Augen seiner Vorgesetzten jedoch findet er wenig Gnade, denn er tut sich schwer mit den Dienstvorschriften der Glasgower Verkehrsbetriebe. Mit dem Verkauf der Fahrkarten nimmt er es nicht so genau, oft tritt er seinen Dienst mit Verspätung an, und mit seinen Vorgesetzten streitet er sich tagtäglich herum ... Die komischen und traurigen Episoden im Leben des Busschaffners Hines erzählen von einer Welt, an der das Glück vorüberzugehen scheint ...

Produktbeschreibung
Robert Hines wünscht sich nichts sehnlicher, als vom Busschaffner zum Busfahrer aufzusteigen. In den Augen seiner Vorgesetzten jedoch findet er wenig Gnade, denn er tut sich schwer mit den Dienstvorschriften der Glasgower Verkehrsbetriebe. Mit dem Verkauf der Fahrkarten nimmt er es nicht so genau, oft tritt er seinen Dienst mit Verspätung an, und mit seinen Vorgesetzten streitet er sich tagtäglich herum ... Die komischen und traurigen Episoden im Leben des Busschaffners Hines erzählen von einer Welt, an der das Glück vorüberzugehen scheint ...
Autorenporträt
Silvia Morawetz, geb. 1954 in Gera, studierte Anglistik, Amerikanistik und Germanistik und ist die Übersetzerin von u.a. Janice Galloway, James Kelman, Hilary Mantel, Joyce Carol Oates und Anne Sexton. Sie erhielt Stipendien des Deutschen Übersetzerfonds, des Landes Baden-Württemberg und des Landes Niedersachsen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.06.2003

Warum, zum Teufel, knöpft der Mann den Fahrgästen kein Geld ab?
1984 in Glasgow losgefahren, erst jetzt in Deutschland angekommen: James Kelmans erfolgreich erfolgloser „Busschaffner Hines”
Lobhudelnde Rezensenten dichten einem Buch gerne „die literarische Qualität eines Joyce” an oder stellen es „in die Tradition Kafkas”. Was an dem jeweils besprochenen Text so traditionell kafkaesk oder ulysseisch sein soll, wird meist gar nicht gesagt, der unbelegte Vergleich soll nur signalisieren: Große Literatur!
Kein Zweifel, James Kelman hat sich mit diesem Buch seine literaturhistorischen Meriten verdient: Ein „Befreiungsschlag” sei „Busschaffner Hines” Anfang der Achtziger gewesen, sagt Irvine Welsh, und Duncan MacLean, ein anderer schottischer Romanschriftsteller, schwärmte einmal: „Nach Jim konnten wir schreiben, wie uns der Schnabel gewachsen war”. Aber was bringt diese schottische Befreiungsaktion des Jahres 1984 dem gemeinen deutschen Leser im dritten Jahrtausend?
Kelman holte in seinem Roman den Glaswegian twang, den Glasgower Slang, zum ersten Mal in englische Prosa, wobei ihm das Wörtchen „fuck” als wichtigstes Interpunktionszeichen diente. Glücklicherweise versucht die Übersetzerin Silvia Morawetz nicht, diesen recht groben Tonfall in einem deutschen Dialekt wiederzugeben, sondern konzentriert sich darauf, die Schnoddrigkeit, das Hingenuschelte des Textes einzufangen: „Glasgow ist eine große Stadt, das ganze Leben und so.”
Rob Hines’ Leben ist schnell erzählt: Da wohnt einer zur Blütezeit des Thatcherismus in einem abrissreifen Haus mit Mäusen, von denen er seiner Frau nichts erzählen kann, sie ist ja ohnehin schon völlig am Boden. Sandra kommt aus besserer Familie, hat einen Halbtagsjob und wird in ihrer Arbeit geschätzt. Irgendwie lieben sich die beiden, schließlich ist Rob ja auch dem kleinen Paul ein liebevoller Vater, aber sie verzweifelt mehr und mehr an Robs Phlegma, seiner Unfähigkeit, pünktlich zur Arbeit zu erscheinen, seiner Weigerung, für eine bessere Wohnung und ein anderes Leben zu kämpfen.
Rob Hines ist ein Antiheld, aber, man kennt diese Spezies aus den Filmen von Ken Loach, einer mit dem Herz am rechten Fleck. Kelman hat freilich nichts am Hut mit dem engagierten Realismus des britischen Filmemachers: Das runtergewirtschaftete Arbeiterviertel mit seinen verschrobenen Nachbarn, der Busbahnhof mit all den Schaffnern und deren Ritualen – all das bildet nur den Hintergrund für das Innenleben des Rob Hines. Kelman möchte aus der Innenperspektive heraus dieses Leben in der Stagnation beschreiben. Statt aber einen kafkaesken stehenden Sturmlauf zu erleben, tritt man beim Lesen ewig auf der Stelle.
Hines’ Tragik besteht darin, dass er um sein vermurkstes Leben weiß, aber unfähig ist, am erbärmlichen Status quo zu etwas ändern. Was man ihm zum einen nicht abnimmt: Kelman beschreibt seinen Underdog als agilen Kerl und geistreichen Narren Shakespearscher Façon, der eigentlich von seinen Fahrgästen Geld nehmen könnte, so unterhaltsam sind seine monologischen Einlagen. Viel schlimmer ist aber, dass einen zunehmend weniger interessiert, was denn nun aus diesem Rob Hines wird.
Wenn Journalisten in ihren Reportagen nicht dazu in der Lage sind, die von ihnen beschriebenen Personen lebendig zu beschreiben, lassen sie sie gerne „lachend” etwas sagen, in der Hoffnung, das behauptete Lachen werde den gesamten Text zum Leben erwecken. Im „Busschaffner Hines” wird permanent gelacht. Es ist ja eigentlich alles recht traurig, Hines dreht sich Zigaretten, obwohl er mit dem Rauchen aufhören will, er arbeitet bei den Busbetrieben, bei denen er schon zweimal rausgeflogen ist und mit Sandra kann er sich einfach nicht aussprechen. Zu allem sarkastisch ertragenen Unglück schickt Kelman seinen armen Helden auch noch regelmäßig in dünnen Klamotten auf einen seiner Spaziergänge durchs zugige Glasgow, damit er einen seiner inneren Monologe halten kann, weil er dann das tut, was Kelman am besten kann: den Loser wunderbar schnoddrig dahinphilosophieren lassen.
Vielleicht ist Rob von der vielen Lauferei irgendwann einfach zu erschöpft, jedenfalls kommt schließlich der Moment, in dem er und Sandra nicht mehr lachen: „Sie sah zu Boden. Er hatte das Gefühl, zusammenzubrechen, sah sie weiter an, und als sie seinen Blick schließlich erwiderte, lächelten beide nicht; er setzte sich in den Sessel. Sie sahen einander weiter an, er mit halbem Lächeln, sie aber ohne ein Lächeln im Gesicht.” Fünfzehn Zeilen später scheinen sie sich kurzzeitig wieder zu vertragen: „Es war ein leises Lachen. Sie lachte leise. Er lächelte.” Sie prustet dann nochmal und er lacht nochmal, dann ist der Ofen aus – und das Lachen endgültig im Text stecken geblieben.
ALEX RÜHLE
JAMES KELMAN: Busschaffner Hines. Roman. Aus dem Englischen von Silvia Morawetz. Liebeskind Verlag, München 2003. 299 Seiten, 22 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.04.2003

Der Bus war pünktlich
Eine Unterklasse für sich: Ein früher Roman von James Kelman

Busschaffner Hines fährt durch Glasgow, er verteilt ruppig Fahrscheine, provoziert seine Vorgesetzten, läßt es einmal fast zum Streik kommen. Doch wenn es ernst wird, kneift dieser Hines. Er stopft sich die Ohren zu, übertönt die Zoten seiner Kumpels mit lautem Country-Gesang und haut ab, bevor die Gewerkschafter seinetwegen auf die Barrikaden steigen. Er ist ein Einzelgänger, der sich im Unglück eingerichtet hat. An seiner Tapete nagen die Mäuse, sein Sohn ist wortkarg bis zum Autismus, und es sieht so aus, als wolle seine Frau abhauen. Hines' sehnlichster Wunsch ist es, Busfahrer statt Schaffner zu werden, doch er bewegt sich nicht vom Fleck. Endlich kündigt er, geht dann aber doch wieder zur Schicht. Sein letzter Blick gilt einer beschlagenen Heckscheibe.

"Busschaffner Hines" ist ein früher Roman des Schotten James Kelman; im englischen Original erschien er 1984, jetzt hat ihn der Münchner Liebeskind Verlag für eine Übersetzung aus dem Off geholt. Kelman, 1946 in Glasgow geboren, ist hierzulande am ehesten durch seinen Roman "How late it was, how late" bekannt, für den er 1994 den Booker-Preis bekam. Auf dem Podium stehend, blinzelte Kelman damals in die Scheinwerfer und düpierte die Juroren mit der Bemerkung, daß sich das britische Literaturwesen imperialistischer Methoden bediene. Dies war Kelmans Retourkutsche auf die vorangegangene Debatte der Jury gewesen, ob ein Roman, der im Slang des Glasgower Arbeitermilieus geschrieben war, überhaupt auf die Shortlist hätte kommen dürfen.

"How late it was, how late" ("Sieben Tage im Leben eines Rebellen") hat diese kurze und hitzige Debatte nicht überlebt. James Kelman genießt außerhalb seines Landes weniger Aufmerksamkeit als andere zeitgenössische schottische Autoren. Dennoch haben seine Romane eine Schlüsselfunktion für die Renaissance, die die schottische Literatur in den neunziger Jahren erlebte. Fragt man deren jüngere Vertreter, etwa Irvine Welsh oder den Krimischriftsteller Ian Rankin nach ihren Vorbildern und Einflüssen, dann werden Kelman und sein "Busschaffner Hines" immer an vorderster Stelle genannt. Kelman hat den malochenden Tagelöhner mit seinem "Glaswegian"-Dialekt, seinen Überlebensstrategien und seinem Sarkasmus salonfähig gemacht. "Nach Jim konnten wir schreiben, wie uns der Schnabel gewachsen war", hat der Romanschriftsteller Duncan MacLean einmal gesagt: "Er hat alle Schlachten für uns ausgefochten."

Es wäre zu kurz gesprungen, Kelmans Werk auf das Arbeitermilieu und antikoloniale Reflexe zu reduzieren. Genauso präsent sind die Erzählformen des modernen Romans, Kelman arbeitet ausgiebig mit inneren Monologen, sich überlappenden Erzählperspektiven und Fragmenten. Auch "Busschaffner Hines" ist nur auf den ersten Blick im Slang der Glasgower Unterklasse geschrieben, tatsächlich handelt es sich um eine Kunstsprache, die zwar dem Mündlichen abgelauscht ist, aber rhythmisch und melodisch eigenen Gesetzen gehorcht. Die Übersetzerin Silvia Morawetz hat dies gesehen und sich beherzt entschlossen, nicht einen Dialekt zu imitieren, sondern zu glätten und zu heben. Ihre Version ist nicht so kantig wie das Original, dafür treten die inneren Passagen in den Vordergrund.

In seinen Monologen sinniert Hines über sich und die Welt, eher ironisch als wehleidig. Eine Depression bahnt sich ihren Weg oder auch eine Verrücktheit: "Komisch, auf einmal tauchen Stimmen auf und rufen, so, als wären sie irgendwas, gutunterrichtete Teilnehmer vielleicht, die wissen, worum es hier geht." Im realen Leben bewegt sich der Mann zwischen Ohnmacht und Sprachlosigkeit. Er hat dreimal gekündigt, aber er kommt immer wieder zurück zu den öffentlichen Verkehrsbetrieben. Er will auswandern, aber er traut sich nicht. Er könnte mit seiner Frau reden, aber es klappt nicht: "Zur Zeit schweigt er. Er ist sich nicht sicher, ob die Sprache des Todes die Sprache der Leblosen ist. Er hofft bloß, daß bald ein Bus kommt und daß es seiner ist."

Diese behauptete Ausweglosigkeit ist wie eine gläserne Wand, gegen die der Protagonist ständig rennt. Sie ist auch der Grund, warum dieser Roman, der eine gelungene Exposition, lebendige Figuren und reale menschliche Probleme hat, nicht befriedigt. Kelman schafft eine Welt, in der es Unten und Oben gibt, Briten und Schotten, Protestanten und Katholiken, Inspektoren und Busschaffner, Handlungen und Konsequenzen. Dann weicht diese reale Ordnung einer reflexhaften Paranoia. Aus dem handelnden Hines wird ein gehandelter, aber auch einer, dessen Elend nicht genug Tragweite hat, um den Leser wirklich bei der Stange zu halten. Kelmans Spagat zwischen Realismus und Experiment veranlaßte wohlwollende Rezensenten, ihn mit Kafka oder Joyce zu vergleichen: Allerdings werden auch in Zukunft Joyce und Kafka ohne Kelman genannt werden.

Mit "Busschaffner Hines" hat Kelman sich eine Fährte gelegt, die er in seinen späteren Romanen weiterverfolgt. Der Booker-Roman "How late it was, how late" erzählt von einem Betrunkenen, der in Polizeigewahrsam gerät und dort blind geprügelt wird. Vor zwei Jahren erschien "Translated accounts". Darin erscheint ein undefiniertes Willkürsystem, in dem es keine Protagonisten mehr gibt, sondern nur noch Sprecher, die von anonymen Instanzen mißhandelt und unterdrückt werden. Wenn man so weit gekommen ist, sehnt man sich nach Hines zurück, dem mit einer vierzehntägigen Beurlaubung schon geholfen wäre.

TANYA LIESKE

James Kelman: "Busschaffner Hines". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Silvia Morawetz. Liebeskind Verlag, München 2003. 300 S., geb., 22,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Ein tristes Buch, findet Christoph Schröder, dem man schon mal einen Amokläufer wünsche, der Buch mitsamt Helden in die Luft sprengte. Wie erklärt sich die schleichende Aggression des Kritikers? Von einer quälenden und zunehmend enervierenden Lektüre berichtet Schröder, der es zusehends leid wird, Busschaffner Hines beim Zigarettendrehen zuzuschauen. James Kelmans Roman gibt Einblick in die Nöte des englischen beziehungsweise schottischen Kleinbürgertums im Jahr 1984, also zur vollen Blüte des Thatcherismus, erinnert Schröder, der sogar bis Glasgow vorgedrungen war. Minutiös beobachte Kelman seinen Antihelden beim Verschlafen seiner Termine, beim Vertilgen von Rindswürstchen oder beim Fußbad, auch bei gelegentlichen gedanklichen Höhenflügen, die schnell zurückführten in den banalen Alltag. Schröder sieht eine Resignation am Werk, die sich bis in die Sprache hinein gefressen hat - das ist bestimmt beabsichtigt, sagt er über den Autor, aber ziemlich unerträglich.

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