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Produktdetails
  • Verlag: Pimlico
  • ISBN-13: 9780712664806
  • Artikelnr.: 10117931
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.03.2001

Im Verein
Die schönste Kuppel der Welt
entstand 1420 in Florenz
Cicero stufte die Kunst des Architekten irgendwo zwischen Ackerbau und Schneiderhandwerk ein, und sein Kollege Seneca bezeichnete sie sogar als „gemein und niedrig”. Wären beide rund eineinhalb Jahrtausende später zur Welt gekommen und womöglich in Florenz, so hätten sie allen Grund gehabt für eine gundlegende Revision.
Was nämlich dort, zwischen 1420 und 1436, im Entstehen begriffen war, sollte zur bis dahin größten Kuppel der Welt heranreifen, und als solche hat eben diese Kuppel der Kathedrale Santa Maria del Fiore bis heute Bestand.
Ross King erzählt die Geschichte dieser Kuppel, und das ist ein aufregendes, ein atemberaubendes Stück Architekturgeschichte. Wie ihr Erbauer, Filippo Brunelleschi, ein Goldschmied und Uhrmacher, fast ohne jedes statische Grundwissen einen Durchmesser von 44 Metern freischwebend überspannen, wie die Kuppel ohne jedes abstützende Gerüst errichtet werden konnte, ist in vielen Punkten auch heute noch unerklärlich : „Dass die cupola von Menschen erbaut wurde – inmitten von Kriegen und Intrigen und mit nur beschränktem Wissen über die Kräfte der Natur –, macht sie zu einem um so größeren Wunder. ” Die Zeitgenossen sahen das kaum anders. „Viele Fachleute hielten es . . . für unmöglich, eine solche Kuppel zu errichten. Nicht einmal die ursprünglichen Konstrukteure der cupola hatten einen Rat geben können, wie dieses Projekt zu verwirklichen wäre; sie hatten lediglich die rührende Zuversicht geäußert, dass Gott eine Lösung des Problems aufzeigen und man irgendwann Architekten finden würde, die über das erforderliche Wissen verfügten. ”
Eines der Geheimnisse liegt zweifellos im Genie des Baumeisters Brunelleschi, zunächst einmal die notwendigen Maschinen und Apparaturen zu erfinden, mit Hilfe derer es möglich wurde, tonnenschwer Steinblöcke freischwebend in der Luft zu navigieren. „Die Materialaufzüge und Kräne, die Filippo entwarf, wurden zu den meistbewunderten mechanischen Geräten der Renaissance – Maschinen, die von zahlreichen anderen Architekten und Ingenieuren, darunter Leonardo da Vinci, studiert und nachgezeichnet wurden. ” Mit einigen seiner Erfindungen erlitt Brunelleschi freilich auch, buchstäblich, Schiffbruch – auf jeden Fall ist die Geschichte des Kuppelbaues auch eine Lebensbeschreibung Brunelleschis.
Beeindruckend, mit welcher Lebendigkeit Ross zu berichten weiß: „Scharen von Handwerkern und Helfern waren an der Dombaustelle im Herzen von Florenz bereits an der Arbeit: Fuhrleute und Lastenträger, Maurer und Steinmetzen, Bleigießer und Zimmerleute, sogar Köche und Männer, deren Aufgabe lediglich darin bestand, den Arbeitern in den Mittagspausen Wein zu verkaufen. ” Immer wieder gibt es Stücke der Sozialgeschichte. So über zwei beim Bau ums Leben gekommene Arbeiter: „Die Opera (d. i. der Dombauverein) hatte beide Beerdigungen bezahlt, mehr Mildtätigkeit und mehr Hilfe für die Hinterbliebenen durften die Arbeiter allerdings nicht erwarten. Wer sich beim Dombau schwer verletzte, versank unweigerlich in Armut – und mit ihm auch seine Familie, denn weder die Dom-Opera noch die Maurerzunft hatten eine Art Vorsorge für Invaliden oder für die Witwen und Kinder tödlich Verunglückter getroffen. ”
Auf eine verblüffende Weise ist die Florentiner Kuppel schließlich sogar an der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus beteiligt: Der Astronom und Kartograf Paolo Toscanelli bediente sich ihrer, um dort mit Hilfe eines speziellen Messsteins die (scheinbaren) Bewegungen der Sonne zu erforschen – Erkenntnisse, die nicht nur später in seine Weltkarte einflossen, sondern ihn auch als vermutlich ersten Menschen auf die Idee brachten, dass man nach Westen segeln müsse, um Indien zu erreichen. Und Kolumbus ließ sich von Toscanelli persönlich überzeugen, als er sich dran machte, eben diesen Seeweg zu suchen.
FRIEDEMANN KLUGE
ROSS KING: Das Wunder von Florenz. Architektur und Intrige: Wie die schönste Kuppel der Welt entstand. Aus dem Englischen übertragen von Wolfgang Neuhaus. Verlag Albrecht Knaus, München 2001. 255 Seiten, 32 Mark.
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