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Brexit hin oder her: Im deutschsprachigen Raum wissen wir viel zu wenig, was britische Kunst ausmacht und in der Vergangenheit ausgemacht hat. Lucian Freud, Francis Bacon, David Hockney sind bekannt. Doch wie war ihr Verhältnis zueinander? Und welch andere - zum Teil ganz vorzügliche - Künstlerinnen und Künstler existierten neben ihnen? Was ist mit David Bomberg, Leon Kossoff, Frank Auerbach, Bridget Riley und R. B. Kitaj, deren Werk und Person kennenzulernen sich ebenfalls lohnt? Martin Gayford leistet hier, was gefehlt hat: Er gibt einen äußerst spannenden, extrem gut lesbaren Überblick über…mehr

Produktbeschreibung
Brexit hin oder her: Im deutschsprachigen Raum wissen wir viel zu wenig, was britische Kunst ausmacht und in der Vergangenheit ausgemacht hat. Lucian Freud, Francis Bacon, David Hockney sind bekannt. Doch wie war ihr Verhältnis zueinander? Und welch andere - zum Teil ganz vorzügliche - Künstlerinnen und Künstler existierten neben ihnen? Was ist mit David Bomberg, Leon Kossoff, Frank Auerbach, Bridget Riley und R. B. Kitaj, deren Werk und Person kennenzulernen sich ebenfalls lohnt?
Martin Gayford leistet hier, was gefehlt hat: Er gibt einen äußerst spannenden, extrem gut lesbaren Überblick über die interessanteste Phase der britischen Kunst im 20. Jahrhundert - er porträtiert Kunst-London von 1945 bis 1970. Dabei rückt er nah an die Künstler heran und erörtert die Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert waren. Er untersucht die unterschiedlichen Einflüsse an den Kunstschulen, beschwört die Stimmung im legendären "Colony Room", in den Ateliers und Galerien herauf und zeichnet ein eindringliches Bild der Stadt London in jenen, zum Teil noch recht grauen Jahren. Herausgekommen ist eine mitreißende Kollektivbiografie, die auf unzähligen Interviews mit (zum Teil befreundeten) Künstlern wie Frank Auerbach, Gillian Ayres, David Hockney, Peter Blake, Ed Ruscha, Georg Baselitz und vielen anderen gründet. Ein Must für alle British-Art- Lovers und Freunde Englands im Allgemeinen! Brexit, wie gesagt, hin - oder gar nicht her.
Autorenporträt
Zum Autor: Der Brite Martin Gayford (geb. 1952) ist Journalist und Buchautor. Er ist der Verfasser der viel gerühmten Studien Mann mit blauem Schal. Ich saß für Lucian Freud: Ein Tagebuch (2011), von A Bigger Message: Gespräche mit David Hockney (2012), von Das Gelbe Haus - Van Gogh, Gauguin: Neun turbulente Wochen in Arles (2015) und von Michelangelo: Sein langes abenteuerliches Leben (2019), alle in diesem Verlag erschienen. Er lebt in Cambridge.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Alexandra Wach zieht mit Martin Gayford durch die Studios und Clubs von Swinging London, trifft Jagger und Robert Fraser, Lucian Freud, Bridget Riley und David Hockney. Das Buch des Kunstkritikers hat für sie nichts Akademisches, schon da es aus Interviews besteht, die der Autor über 30 Jahre mit Künstlern und Kunsthändlern geführt hat. Für Wache entsteht eine "multiple Biografie" mehrerer Generationen. Dass der Autor sich auch für die Kunst interessiert, die weder nur abstrakt noch nur gegenständlich ist, verbucht Wach als Gewinn. Die "Türpolitik" der Kunstakademien und wegweisende Schauen sind weitere Themen im Buch, teilt Wach mit.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.11.2020

Wie schön die Farbe von Fleisch ist

Was man mit der Malerei machen kann: Martin Gayford sondiert die britische Kunst im zwanzigsten Jahrhundert und kommt ihren Protagonisten ausgesprochen nahe.

Diesem Bild sieht man das Alter nicht an. 1967 lichtete ein Paparazzo Mick Jagger auf dem Rücksitz eines Polizeiautos ab. Er war in Begleitung des Händlers Robert Fraser, der damals in London nicht nur den hippsten Ort für neue Kunst betrieb, sondern auch als Mode-Guru und Netzwerker galt. Das Foto zeigt den Moment ihrer Festnahme, der Vorwurf lautete: Drogenbesitz. Ihre erhobenen Hände stecken in Handschellen. Fraser gab später zu Protokoll, die Geste sollte als ein Zeichen der Empörung verstanden werden. So interpretierte sie offenbar auch der Pop-Art-Maler Richard Hamilton, der von Fraser repräsentiert wurde. Er griff das Motiv für die Serie "Swinging London 1967" auf und legte es mittels Siebdruck-Verfahren über Acrylfarbe.

Die Arbeit markierte eine Wende, weg von der Ironie hin zur Politik. "Die Stimmung schlug um", schreibt der Kunstkritiker Martin Gayford in seinem Buch, "das Romantische wich der Rebellion, und auch die Kunst veränderte sich." Im Fall von Hamilton verschwand sie in einem weißen Loch. Statt das Cover des "Weißen Albums" der Beatles barock zu überladen, wie es der Künstler Peter Blake bei "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" getan hatte, entschied er sich für die Leere: "Die Malerei verabschiedete sich vorübergehend, es brach die Zeit der Ideen an."

Gayford führt seit über dreißig Jahren Interviews mit Künstlern. Deshalb handelt es sich bei "Britische Kunst" nicht um einen akademischen Diskurswälzer, sondern um eine "multiple Biographie, die mindestens zwei Generationen und viele unterschiedliche Menschen umfasst". Ob diese nun der abstrakten oder gegenständlichen Fraktion angehören, und Gayford interessiert sich auch für all diejenigen, die sich dieser Grenzziehung widersetzten.

Er setzt mitten im Krieg in den Trümmern einer Stadt ein, die deutsch-jüdischen Flüchtlingskindern wie Lucian Freud oder Frank Auerbach die Tore zur Kunstwelt weit öffnete: Auerbach unterrichtete früh an Kunstakademien, Freud brachte es bis zum Porträt von Queen Elisabeth II. Die überschaubare Londoner Kunstszene litt zwar gerade unter Fluchtbewegungen; ein Künstlerpaar wie der Maler Ben Nicholson und die Bildhauerin Barbara Hepworth zogen es etwa vor, ihre Familie im Künstlerdorf St Ives in Cornwall in Sicherheit zu bringen. Gleichzeitig war aber eine deutsche Kunsthändlerin wie Erica Brausen mit ihrer Galerie erfolgreich und verhalf einer Schlüsselfigur wie Francis Bacon zum Durchbruch.

Im April 1945 schlug mit einer Gruppenausstellung in der Lefevre Gallery Bacons Stunde. Er schockierte das Publikum mit dem Triptychon "Three Studies for Figures at the Base of a Crucifixion". Ein Jahr später erschuf er "Painting 1946" und führte das Motiv des rohen Fleisches in sein Schaffen ein. "Er liebte das Fleisch, so wie er Farbe liebte", weiß Gayford zu berichten. Harrods gehörte deshalb zu seinen Lieblingsorten. Hier kamen Bacon Gedanken wie diese: "Wenn man in eines dieser großen Kaufhäuser geht und diese riesigen Hallen des Todes durchschreitet, kann man das Fleisch und die Fische und die Vögel und vieles andere sehen, das da tot daliegt. Und selbstverständlich wird man als Maler ständig daran erinnert, dass die Farbe von Fleisch tatsächlich sehr, sehr schön ist."

Gayford folgt seinen Protagonisten nach New York, das Mekka des Abstrakten Expressionismus, aber auch nach Paddington, wo Freud in Abrisshäusern hauste. Oder in die Restaurants und Clubs von Soho, in denen hitzig über die Legitimierung der von manchem Kritiker für tot erklärten Staffeleimalerei diskutiert wurde.

Gleich mehrere Kapitel umreißen die restriktiven Profile der Kunsthochschulen. Wegweisende Ausstellungen werden in ihrer Bedeutung ebenso eingeordnet wie unerwartete Begegnungen, etwa zwischen Freud und Filmregisseur Ingmar Bergman, den der Enkel von Sigmund Freud 1959 für "Time" porträtieren sollte. Da der Schwede von seinem Gegenüber nie etwas gehört hatte, sabotierte er die Sitzungen. "Es waren die falschen Umstände", so Freud, "ich führte eine Auftragsarbeit aus, und als Auftragsmaler wurde ich auch behandelt."

Grund genug, nie wieder ein Angebot für ein Zeitschriftencover anzunehmen. Das schützte ihn nicht davor, für Jahrzehnte in Vergessenheit zu geraten, während "ehrgeizige Exoten", wie der Amerikaner R. B. Kitaj sich und den Kalifornien-Liebhaber David Hockney nannte, an der Themse das Zepter übernahmen. Zu ihnen gehörte auch Bridget Riley. Sie tat sich mit ihrer Rolle als Aushängeschild der Op-Art schwer und musste sich nicht nur mit Raubkopien durch die Modewelt abfinden; ihre den Raum verzerrenden Bilder hielten auch Einzug in Science-Fiction-Serien.

Den Zugang zur Gegenwart wurde Frank Bowling hingegen verwehrt. Man legte ihm 1966 nahe, Großbritannien wegen seiner Hautfarbe bei einem Kunstfestival in Senegal zu vertreten. Da half auch seine Beteuerung nicht: "Ich bin kein schwarzer Künstler, ich bin Künstler. Die Tradition, die ich verinnerlicht habe, und die kulturellen Implikationen sind britisch." Offenbar glaubte man ihn nicht zuordnen zu können, und das in einer Zeit, als es eine "krasse Kakofonie an Stilen und Bewegungen" gab, wie Gayford betont. "Bridget Riley brachte es auf den Punkt, als sie sagte, von nun an müsse jeder Maler seinen oder ihren eigenen Garten bestellen." Bowling zog es vor, sein Terrain fortan als Emigrant in den Vereinigten Staaten zu pflegen.

ALEXANDRA WACH

Martin Gayford:

"Britische Kunst".

Freud, Bacon, Riley,

Auerbach, Kossoff,

Hockney & Co.

Piet Meyer Verlag,

Bern/Wien 2020.

440 S., Abb., br., 35,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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