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  • Buch mit Leinen-Einband

Produktdetails
  • Verlag: Hanser
  • Ersch. 1991-98.
  • Seitenzahl: 3222
  • Deutsch
  • Abmessung: 190mm
  • Gewicht: 1994g
  • ISBN-13: 9783446202061
  • ISBN-10: 3446202064
  • Artikelnr.: 10549404
Autorenporträt
Norbert Miller, geboren 1937 in München, studierte Literatur- und Musikwissenschaft sowie Kunstgeschichte in Frankfurt/ Main und Berlin. Von 1962 bis 1965 war er als Assistent an der Universität Frankfurt/Main tätig. Ab 1973 hatte Müller ein Ordinariat für Vergleichende Literaturwissenschaft an der TU Berlin inne, bis 2004 war er geschäftsführender Direktor des Philosophie, Literatur-, Wissenschafts- und Technikgeschichte. Seit 2006 ist er emeritiert. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift Sprache im technischen Zeitalter und der Münchner Ausgabe der Werke Goethes. Als Autor veröffentlichte er u.a. 2002 Der Wanderer. Goethe in Italien, 2009 Die ungeheure Gewalt der Musik. Goethe und seine Komponisten und zuletzt 2012 Fonthill-Abbey. Die dunkle Welt des William Beckford.

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) war Vorreiter und wichtigster Vertreter des Sturm und Drang. Sein Werk wird zu den Höhepunkten der Weltliteratur gezählt.

Johann W. von Goethe, geb. am 28.8.1749 in Frankfurt a.M., gest. am 22.3.1832 in Weimar. Jurastudium in Leipzig und Strassburg. Lebenslanges Wirken in Weimar. Reisen zum Rhein, nach der Schweiz, Italien und Böhmen. Frühe Erfolge mit den Sturm und Drang-Stücken 'Götz' und 'Werther', Gedichte (herrliche Liebeslyrik), Epen, Dramen ('Faust', 'Tasso', 'Iphigenie' u. v. a.), Autobiographien. Zeichner und Universalgelehrter: Botanik, Morphologie, Mineralogie, Optik. Theaterleiter und Staatsmann. Freundschaft und Korrespondenz mit den grössten Dichtern, Denkern und Forschern seiner Zeit (Schiller, Humboldt, Schelling . . .). Goethe prägte den Begriff Weltliteratur, und er ist der erste und bis zum heutigen Tag herausragendste Deutsche, der zu ihren Vertretern gehört.

Edith Zehm, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Deutsche Philologie der Universität München und der Stiftung Weimarer Klassik.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.02.1999

Gast in fremder Wohnung
Mit Kleinmeister: Neues über Goethes Beziehung zur Musik

"Tonkunst und Bildkunst" seien "die notwendigsten Organe von Goethes Wesen", schreibt Riemer 1833 in seinem Vorbericht zum Briefwechsel Goethes mit Zelter. Goethe selbst soll zu dem Musiker Joseph Pleyer 1822 gesagt haben: "Wer Musik nicht liebt, verdient nicht, ein Mensch genannt zu werden, wer sie nur liebt, ist erst ein halber Mensch, wer sie aber treibt, ist ein ganzer Mensch." Trotz solcher Äußerungen ist bis heute das Vorurteil nicht verstummt, die Musik habe unter den Künsten die geringste Rolle in Goethes geistiger Welt gespielt - in merkwürdigem Widerspruch zu der ungeheuren Wirkung seiner Dichtung auf die Musikgeschichte seit dem späten achtzehnten Jahrhundert.

Goethes musikalische Kompetenz war indessen weit größer, als gemeinhin angenommen wird. Er scheint eine Zeitlang passabel Klavier, Cello und Flöte gespielt zu haben, und seine Beschlagenheit in der Musikgeschichte überragte weit den Kenntnisstand eines musikalisch Gebildeten seiner Zeit. Es gibt zahllose Zeugnisse seiner musikalischen Neugier und intensiven, kritischen Hörbereitschaft. Er erwarb musikalische Autographen von Bach, Mozart, Beethoven und anderen, und seine häufigen Hauskonzerte bildeten ein Herzstück seines Lebens. Aber zeugt nicht seine fehlende Reaktion auf die Zusendung der Goethe-Lieder Schuberts oder der "Faust"-Szenen von Berlioz von geringem musikalischem Urteilsvermögen? Eine weltfremde Frage. Die Tag für Tag aus aller Welt am Frauenplan eintreffenden Sendungen jeder Art überforderten schon Goethes Sekretäre. Auch zahllose Kompositionen seiner Werke wurden ihm ins Haus geschickt, deren Partituren er schwerlich sämtlich mit eigenen Augen prüfen konnte. Deshalb überließ er das Urteil über sie in der Regel den Experten in seiner Umgebung, im Falle von Berlioz dem Freunde Zelter, der sich über die "Huit Scènes de Faust" bekanntermaßen recht ungnädig äußerte. Wie sollte ein musikalischer Laie wie Goethe in den Frühwerken damals noch gänzlich unbekannter Komponisten beim bloßen Blick in die Noten den genialen Funken erkennen, der seinerzeit auch Musikern vielfach verborgen blieb?

Selbst ansonsten perfekte Goethe-Kenner reagieren meist ratlos, wenn sie nach seinen theoretischen Äußerungen zur Musik gefragt werden. Dabei gibt es eine stattliche Anzahl von Monographien und Aufsätzen über Goethes Musikverständnis, die von den Germanisten freilich weitgehend ignoriert werden, da sie durchweg von Musikologen stammen. Es hat sogar drei Bücher bedeutender Musikwissenschaftler mit demselben Titel "Goethe und die Musik" gegeben: von Hermann Abert (1922), Friedrich Blume (1948) und Hans Joachim Moser (1949).

Es war deshalb keine gute Idee des Heidelberger Privatgelehrten Claus Canisius, für sein neues Buch ebenfalls diesen viel zu allgemeinen, falsche Erwartungen weckenden Titel zuzulassen. Der Verdacht drängt sich auf, daß er vom Verlag stammt, der Verfasser selbst aber einen anderen Titel vorgesehen hatte. Ein solcher - mit einem Goetheschen Bibelzitat - steht auf der Rückseite des Umschlags: ",Gast in einer fremden Wohnung'. Goethes Nachdenken über Musik." Genau davon handelt in der Tat das Buch des Musikschriftstellers, Rundfunkjournalisten und Musikers Claus Canisius, der bei Pierre Boulez das Dirigieren lernte und 1992 ein fesselndes Beethoven-Buch veröffentlichte.

Canisius verfolgt die musikalischen Spuren in Goethes Leben seit seiner Kindheit, weist seine praktischen und theoretischen Kenntnisse detailliert nach. Der Behauptung, Goethe habe "keinen Tonsatz schreiben" können, steht freilich dessen eigene Aussage gegenüber. In Teplitz komponierte er nämlich seinem Brief an Zelter vom 23. Februar 1814 zufolge einen vierstimmigen Satz auf den Psalmentext "In te domine speravi et non confundar in aeternum". Diese angeblich fast abgeschlossene Komposition - sie hat sich leider nicht erhalten - sei stilistisch den Motetten von Jommelli ähnlich, sagt Goethe.

Obwohl er an dessen kompositorischen Fähigkeiten zweifelt, leugnet Canisius keineswegs den "professionellen Musikverstand" Goethes. Er demonstriert ihn an den Ausführungen des Dichters über den Generalbaß, an seiner Auseinandersetzung mit den "Klangfiguren" des Physikers Chladni, der - wie später der faustische Vater Adrian Leverkühns in Thomas Manns "Doktor Faustus" - akustische in optische Phänomene übersetzte, an Goethes Beitrag zur Dur-Moll-Debatte und vor allem an seiner in Analogie zur Farbenlehre entworfenen "Tonlehre". Das alles ist höchst kenntnisreich dargestellt, freilich weithin aus der Sicht des Musikologen. Die literarischen Implikationen von Goethes Musiktheorie, seine Lied- und Opernästhetik, sein wichtiger Beitrag zur Erhellung des Paradigmawechsels von der Vokal- zur "absoluten" Instrumentalmusik unter anderem treten in diesem vortrefflichen Buch demgegenüber zurück.

Das wichtigste Ergebnis des Goethe-Jahres 1999 könnte die Entdeckung des musikalischen Goethe sein. Den bedeutendsten Beitrag dazu wird gewiß die dreibändige kommentierte Edition des Briefwechsels zwischen Goethe und Zelter bilden, mit dem der Hanser Verlag seine Münchener Ausgabe von Goethes Werken krönt. Dem ersten, schon vor Jahren erschienenen Teilband ist soeben der zweite gefolgt, der die Briefe der vier letzten Lebensjahre Goethes und des ihm buchstäblich nachgestorbenen Zelter sowie einen dokumentarischen Anhang enthält. Der Verlag hat sich dazu entschlossen, den einläßlichen Briefkommentar einem eigenen Teilband vorzubehalten, der Ende dieses Jahres erscheinen wird und zu dem zwölf Mitarbeiter - mit einem beispiellosen Forschungsaufwand - beigetragen haben. Der Rezensent glaubt sich aufgrund des Einblicks in die Druckfahnen des Kommentarbandes befugt, dem Urteil des Mitherausgebers Norbert Miller nachhaltig zuzustimmen, daß hier "die letzte Lücke der Goethe-Philologie geschlossen" worden ist. Das im einzelnen zu würdigen, kann freilich vor dem Erscheinen des Kommentars nicht die Aufgabe dieser Besprechung sein.

Norbert Miller stattet Dietrich Fischer-Dieskaus Studien zum Berliner Musikleben des achtzehnten Jahrhunderts besonderen Dank ab. Zu diesen Studien gehört die Zelter-Biographie des großen Sängers, der nach seinem Rückzug von der Opernbühne und vom Konzertpodium verstärkt auch als Rezitator hervorgetreten ist und zusammen mit Gert Westphal den Goethe-Zelter-Briefwechsel in ein unvergeßliches Duodrama verwandelt hat. Westphal ist die Zelter-Biographie auch gewidmet. Fischer-Dieskau hat sich nach seinem etwas spröden schriftstellerischen Beginn, noch auf dem Höhepunkt seiner Sängerkarriere, inzwischen mehr und mehr freigeschrieben und legt hier eine anmutige, von untergründigem Humor getragene Biographie des Baumeisters und Musikers Zelter vor, in der Goethe natürlich eine zentrale Rolle spielt.

Das Leben Zelters soll vor dem Hintergrund der "Epoche des Übergangs vom aufgeklärt absolutistischen zum bürgerlichen Preußen" dargestellt werden. Wer aufgrund dieses Versprechens eine kultursoziologische Analyse erwartet, dürfte kaum auf seine Kosten kommen. Fischer-Dieskaus Interesse ist weniger analytischer als narrativer Art. Was im Rahmen der Lebenserzählung zu leisten ist, erfüllt diese Biographie vollauf. Den grobianischen Charme Zelters, den der Rezitator Fischer-Dieskau ingeniös zu beschwören versteht, vermittelt auch sein erzählerisches Porträt, und es gelingt ihm vielleicht zum erstenmal, dem Leser begreiflich zu machen, was Goethe zu dem intellektuell so deutlich unterlegenen musikalischen Kleinmeister hingezogen hat, dem er als einzigem Freund nach den Sturm-und-Drang-Jahren das Du anbot und der ein rechtes Berliner Original war.

Merkwürdig, daß selbst hochintellektuelle Musiker, wenn sie sich verbal über ihre Kunst äußern, so oft davor zurückscheuen, das, was sie musikalisch gestalten, analytisch nachzuvollziehen. Das gilt auch für Fischer-Dieskau. Liest man sein Kapitel "Die Musik und Goehte", ist man natürlich brennend interessiert an der Frage, wie der größte Liedsänger dieses Jahrhunderts zu der "Musikalität" des bedeutendsten Lieddichters der Musik- und Literaturgeschichte steht. Tatsächlich finden sich einige aufschlußreiche Äußerungen über "Luft zum Atmen und Raum zum Weiterdichten", die Goethes Gedichte dem Musiker gönnen, über die Biegsamkeit seines Rhythmus, welche dem Komponisten und Sänger erlauben, "frei und vielfältig" zu gestalten. Doch nach solchen knappen Einblicken in die Werkstatt des Musikers eilt Fischer-Dieskau schnell zu der ihm lieberen Lebenserzählung zurück.

Mag die Identifikation des Biographen mit seinem Gegenstand bisweilen zur Überschätzung von Zelters musikalischem Rang und zur Beschönigung seines oft bornierten künstlerischen Urteils führen, man läßt sich durch Fischer-Dieskaus kenntnisreiche Liebe zum Objekt doch gern verführen. Zusammen mit der Monographie von Canisius und dem editorischen Opus summum der Goethe-Zelter-Briefausgabe bildet seine biographische Studie ein Triptychon zu Ehren des musikalischen Goethe, das sich am Vorabend des Goehte-Jahres sehen lassen kann. DIETER BORCHMEYER

Claus Canisius: "Goethe und die Musik". Piper Verlag, München 1998. 265 S., 16 Abb., geb., 39,80 DM.

"Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1799 bis 1832". Bd. 20.2: "Briefe 1828 - 1832". In: Johann Wolfgang Goethe. "Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens". Münchener Ausgabe. Herausgegeben von Karl Richter. Carl Hanser Verlag, München 1998. 848 S.

Dietrich Fischer-Dieskau: "Carl Friedrich Zelter und das Berliner Musikleben seiner Zeit". Eine Biographie. Nicolaische Verlagsbuchhandlung, Berlin 1997. 218 S., 31 Abb., geb., 48,- DM.

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