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1914 ihre erste Begegnung in Nizza, die Verbindung ist unmittelbar, blitzartig - coup de foudre, eine augenblickliche Verliebtheit, mehr noch: Verlangen und Lust in völligem Einklang. (Sie beide lieben das andere Geschlecht in seiner Fremdheit bis zum Wahnsinn.) Und doch zieht es ihn, Guillaume Apollinaire, nach nur 15 gemeinsamen Nächten in den Krieg. Seine 222 sinnlichen, poetischen Briefe an Louise de Coligny-Châtillon, an seine geliebte Lou, sind Zeugnis dieser Leidenschaft »voller schwarzer Verzauberungen«. Zugleich dokumentieren sie das Leben eines Artilleristen in der Kaserne und später…mehr

Produktbeschreibung
1914 ihre erste Begegnung in Nizza, die Verbindung ist unmittelbar, blitzartig - coup de foudre, eine augenblickliche Verliebtheit, mehr noch: Verlangen und Lust in völligem Einklang. (Sie beide lieben das andere Geschlecht in seiner Fremdheit bis zum Wahnsinn.) Und doch zieht es ihn, Guillaume Apollinaire, nach nur 15 gemeinsamen Nächten in den Krieg.
Seine 222 sinnlichen, poetischen Briefe an Louise de Coligny-Châtillon, an seine geliebte Lou, sind Zeugnis dieser Leidenschaft »voller schwarzer Verzauberungen«. Zugleich dokumentieren sie das Leben eines Artilleristen in der Kaserne und später an der Front, eines Dichters, der mit den literarischen Kreisen in Kontakt zu bleiben versucht und sich für alles interessiert. Und nicht zuletzt wird in diesen Briefen die Entwicklung eines der maßgeblichen Literaten des 20. Jahrhunderts erkennbar.
Eine schwere Kopfverletzung überlebt Apollinaire, nicht aber die Pandemie: Am 9. November 1918, zwei Tage vor dem Waffenstillstand, stirbt er an der Spanischen Grippe.

Liebe in Zeiten des Krieges - Apollinaires Briefe an Lou sind der Roman einer verrückten, lustvollen, wortakrobatischen Leidenschaft, einer rasenden Sehnsucht, die keine Besänftigung finden sollte.
Autorenporträt
Guillaume Apollinaire, 1880 unter dem Namen Wilhelm de Kostrowitzky in Rom geboren, war zunächst Bankangestellter, später Dichter, Schriftsteller und Kunstkritiker. Mit seinen Gedichtbänden Alcools und Calligrammes schuf er wichtige Werke der aufkommenden Avantgarden. Im Ersten Weltkrieg schwer verwundet, starb er 1918 in Paris. Françoise Sorel studierte Germanistik in Bordeaux und promovierte mit einer Arbeit über Peter Stamms Erzählungen. Ihre wissenschaftlichen Interessen liegen auf der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur; sie publizierte Studien über Vladimir Vertlib, W.G. Sebald und zuletzt über die deutschen Übersetzungen von Joris-Karl Huysmans Roman A Rebours.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.03.2024

Eroberung einer königlichen Freundin

Er verliebte sich und floh an die Front. Doch aus der Leidenschaft entstanden wunderbare Gedichte und grandiose Korrespondenz:

Guillaume Apollinaires "Briefe an Lou".

Von Barbara von Machui

Wir kennen ihn vom Bild "Die Muse inspiriert den Dichter" des Zöllners Rousseau, dem er zum künstlerischen Durchbruch verholfen hat, oder von den vielen Zeichnungen Picassos, zu dessen früher Avantgarde-Bande er gehörte: den Dichter Apollinaire, geboren 1880 in Rom als Wilhelm de Kostrowitzky, Sohn einer polnischen Mutter und eines italienischen Adligen, der seine Geliebte nach der Geburt eines weiteren Sohnes verlässt. Die Mutter zieht mit den Söhnen nach Monaco, der nunmehr Guillaume Gerufene besucht Internate in Cannes und Nizza. Später lebt die Familie in Paris, und Guillaume, ohne Schulabschluss und Ausbildung, schlägt sich mit Gelegenheitsjobs durch, ist ständig von Armut bedroht.

Dieser sanfte Poet und Wortkünstler war auch ein Troubadour der unglücklichen Liebe. "Le Pont Mirabeau", jenes kleine Wunderwerk über die Vergänglichkeit der Zeit, der Liebe und des Glücks verbindet sein damaliges Arrondissement mit dem seiner Geliebten, der Malerin Marie Laurencin - was nicht verhindert, dass die Liebe "wie das fließende Wasser dahinzieht", dass die Wogen der Seine der ewigen Liebesblicke müde sind, die Liebe erlischt und Marie einen anderen heiratet. Schon Apollinaires erste Liebe zu der Engländerin Annie Playden zeigte das Muster auf: heftiges Begehren ohne Gegenliebe, es entstand "La Chanson du mal-aimé" mit unvergesslichen Zeilen: "Avons-nous assez navigué / Dans une onde mauvaise à boire" (Wir haben nun schon lang genug / Der Woge Bitterkeit getrunken).

Das Muster des schlecht Geliebtwerdens wiederholt sich auch bei der Leidenschaft zu der "adorée adorable" Louise de Coligny-Châtillon, der geliebten "Gottheit seines Herzens", der er nach dem coup de foudre der ersten Begegnung in Nizza 1914 völlig verfällt und trotz des abrupten Endes nach nur fünfzehn gemeinsamen Nächten 220 sinnlich-poetische Briefe zusammen mit Gedichten und Kalligrammen "voller schwarzer Verzauberungen" schreibt, die nunmehr erstmals auf Deutsch vorliegen. Im Französischen ist das Wortspiel Lou/loup möglich. und so beklagt der Dichter auch, dass aus den früher zahmen und zutraulichen Wölfen inzwischen grausame Tiger geworden seien. Um sein eigenes Herz, das er ihr vor ihre Tür gelegt hat und nur noch ein Spielzeug in ihrer Hand ist, zu retten, bleibt ihm nur die Flucht in den Krieg: "C'est Lou qu'on la nommait", (Man nannte sie Lou). "Neben einer Louise wie Sie hätte ich nichts anderes sein wollen als Taciturne", schreibt er an sie. Taciturne, der Schweigsame, war der Beiname des Prinzen Wilhelm von Oranien (1533 bis 1584).

Diese Lou, Erbin eines berühmten Namens, wird von einem Freund als "geistvoll, ungeniert, frivol, ungestüm, kindlich, empfindsam, ungreifbar, nervös, in gewisser Weise etwas exaltiert" beschrieben, und so oszilliert sie auch durch diese Korrespondenz. Er, der sie "mehr als das Leben liebt", will sie zu "seiner Dame" erwählen und nennt sich "ihren leidenschaftlichen Diener". Die erotischen Assoziationen sind deutlich: "Ich habe die ganze Nacht an Sie gedacht, ohne schlafen zu können. Brennendste und grausamste Nachtwache . . . und da sah ich einen blendenden Garten von Granatbäumen, deren Früchte Ihre unendlich vervielfachten Brüste waren würdiger, von einem Heros erobert zu werden, als die von den Hesperiden bewachten goldenen Äpfel."

Apollinaire glaubt, "eine königliche Freundin" erobert zu haben, "in deren Adern das Blut des Heiligen Ludwig fließt". Etliche der Gedichte in "Calligrammes", seiner zweiten Gedichtsammlung nach "Alcools", verdanken wir Lou: "Un rossignol meurtri par l'amour chante sur / Le rosier de ton corps dont j'ai cueilli les roses - Von der Liebe verletzt singt eine Nachtigall auf dem / Rosenstrauch deines Körpers dessen Rosen ich gepflückt."

Er ist fasziniert von der entfesselten erotischen Freizügigkeit seiner "wilden Amazone", mit der ihn ein rabelaissches Fest der Sinne mit deutlich sadomasochistischem Einschlag verbindet. Er ist stolz, sie erobert zu haben, während sie wohl trotz ihrer "großen schönen Rehaugen" nur ein zweideutiges Spiel aus Anziehung und Ablehnung spielt und seiner schnell müde wird. Der mal-aimé hofft noch zwei Monate lang, im März wird er dann bei einer letzten Begegnung in Marseille endgültig abserviert, außerdem gibt es da noch Toutou, den Hauptliebhaber. Dem Versprechen, sich weiter brieflich erotisch auszutauschen, kommt Lou deutlich weniger begeistert nach als der verschmähte Geliebte. Während er an der Front seine Träume mit Erinnerungen an ihr Liebesabenteuer unterfüttert und einer libertinage cérébral frönt, führt sie in Paris in seiner Wohnung ein ausschweifendes Leben.

Jenseits dieser Obsessionen sind diese Briefe für uns interessant, weil sie auch Einblick in die künstlerische Entwicklung Apollinaires sowie ins Kasernenleben und seine Erlebnisse an der Front geben. Die anfängliche Kriegsbegeisterung, die er mit vielen Künstlern und Intellektuellen der Zeit teilt, ist heute schwer nachzuvollziehen. Selbst als der Dichter durch Granatsplitter schwer an der Schläfe verletzt wird, wird er nicht demobilisiert, trägt seinen "étoile de sang", seinen "laurier rose" wie eine blutgetränkte Märtyrerkrone.

Die vielen Briefe an Lou verdanken sich der Erinnerung an ihre intensiven Begegnungen und der erzwungenen Askese an der Front, die die erotischen Phantasien wieder aufleben lässt. Schon in den Gedichten an Lou befremdet den heutigen Leser die Verknüpfung von Militaria und Erotik, so, wenn er schreibt: "Deine Haare sind wild wie das Feuer einer Granate, die explodiert." Seine Briefe, die von Anfang an zur Publikation bestimmt waren, obwohl er eigentlich nicht gerne korrespondiert, sind von fast kindlicher Naivität und Momenten bitterer Hellsicht durchzogen.

Nach Lou wird es dann noch Madeleine geben, die ebenfalls viele Briefe erhält und in "Calligrammes" vertreten sein wird, zum Teil in analog gebauten Gedichten: "Il y a un poète qui rêve au p'tit Lou" und "Il y a que je languis après une lettre de Madeleine". Apollinaire verwendet nicht nur das gleiche anaphorische Stilmittel, sondern auch das gleiche, dem Hohelied entlehnte Bild der neun Türen des vertrauten Körpers von Lou und des verborgenen Körpers von Madeleine. "Je suis le maître de la clef" (Ich bin der Herr, dem der Schlüssel gehört). Ist der Anteil der Gedichte, die sich an Madeleine richten, auch größer, so ist ihr Schicksal doch bitterer: Obwohl Apollinaire sich mit ihr verlobt, verlässt er sie im April 1916 nach einem Jahr Briefwechsel aus dem Schützengraben. Heiraten wird er Ruby, "die hübsche Rothaarige" aus den "Calligrammes", sechs Monate bevor ihn die Spanische Grippe am 9. November 1918 mit nur 38 Jahren dahinrafft. Seine letzten Gedichte schreibt er im Wettlauf mit dem Tod.

Der sehr schön edierte Briefband bringt uns diesen bedeutenden Dichter, den "ami des peintres" nahe, der viel zur Überwindung der Genregrenzen und zur Popularisierung der Kunst seiner Malerfreunde beigetragen hat und dem wir auch die Begriffe "orphisch" und "Surrealismus" verdanken sowie die Idee, auf Interpunktion zu verzichten, da für ihn Rhythmus und Struktur der Verse die eigentliche Interpunktion darstellen. Apollinaire war der anerkannte Führer der Avantgarde, sein Freund und Kollege Max Jacob hat die ersten beiden Jahrzehnte des zwanzigsten Jahrhunderts zum "siècle Apollinaire" erklärt. Dass er auch den verfemten Marquis de Sade wiederentdeckt und zum Gelderwerb Pornographisches publiziert hat, sei hier nur am Rande erwähnt.

In seiner Melancholie zwischen Liebe, Tod und Vergänglichkeit ist er ein Nachfahre Villons, in seiner formalen Kühnheit ein Wegbereiter der Moderne. Er hat die Poesie entrümpelt, um ihr neue Magie einzuhauchen und mit seinen Kaligrammen, seiner poésie visuelle, auch einen neuen Zauber. "Il sut aimer Quelle épitaphe" (Er verstand zu lieben Welch ein Grabspruch).

Guillaume Apollinaire: "Briefe an Lou".

Aus dem Französischen von Françoise Sorel. Suhrkamp Verlag, Berlin 2024. 500 S., Abb., geb., 35,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensent Paul Jandl wird fast rundum glücklich mit den hier vorliegenden neu übersetzten Briefen von Guillaume Apollinaire an seine Geliebte Louise de Coligny-Chatillon. Gäbe es bloß ein Vor- oder Nachwort, seufzt er, auch wenn ihn  die kenntnisreichen Anmerkungen trösten. Davon abgesehen aber schwelgt Jandl in den von Françoise Sorel exzellent übersetzten Briefen, die das "Obszöne und Zarte" der Briefe mit Bedacht ins Deutsche überträgt. Und so liest der Kritiker fasziniert von dieser amour fou, die von Sehnsucht und "Pornografie" ebenso zeugt wie von Idylle und Krieg. Lous Briefe sind noch immer nicht übersetzt, so erfährt der Rezensent von deren Affären, Liebschaften und Spielchen nur aus Guis Briefen. In den täglich versendeten Briefen des Dichters offenbart sich Jandl dessen Wahn, der sich in Liebesschwüren ebenso äußert wie in Beleidigungen. Ein derart "sadomasochistisches Abenteuer" ist in der Literatur selten, meint der Kritiker, der hier schließlich auch von Apollinaires Kriegsbegeisterung erfährt.

© Perlentaucher Medien GmbH
»[Apollinaires] Sprache zwirbelt die Metaphern der Liebe in höchste Höhen, um sie dann jäh wieder in die Gosse herunterzuholen. ... Wirklich grossartig an der neuen deutschen Ausgabe ... ist ihre sensorische Durchlässigkeit. Françoise Sorel als Übersetzerin arbeitet sich mit grosser Behutsamkeit durch die Stimmungslagen Apollinaires.« Paul Jandl Neue Zürcher Zeitung 20240423