Gabriele Kögl
Gebundenes Buch
Brief vom Vater
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Während die Kleinstadt um sie herum langsam ausstirbt,erlebt eine junge Friseurin ihren gesellschaftlichen Ein,-Auf,- und Abstieg beeinflusst durch die Beziehungen zuzwei Männern.
Gabriele Kögl, die sich selbst als Satzbäuerin bezeichnet, wurde 1960 in Graz geboren. Sie absolvierte ein Lehramtsstudium und die Filmakademie in Wien. Seit 1990 schreibt sie literarische Texte und erhielt zahlreiche internationale Preise. Im Picus Verlag erschien zuletzt 2020 ihr Roman 'Gipskind'. 'Brief vom Vater' ist ihr achter Roman.
Produktdetails
- Verlag: Elster & Salis Wien
- Seitenzahl: 203
- Erscheinungstermin: 4. September 2023
- Deutsch
- Abmessung: 192mm x 125mm x 22mm
- Gewicht: 305g
- ISBN-13: 9783039300518
- ISBN-10: 3039300512
- Artikelnr.: 67817777
Herstellerkennzeichnung
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Jede Enttäuschung öffnet die Augen und verschließt das Herz
Rosa lebt ein kleines beschauliches Leben, arbeitet als Frisörin und kann ihr Glück kaum fassen, dass ausgerechnet Schützenkönig Sigi sie als seinen größten persönlichen Sieg ansieht. …
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Jede Enttäuschung öffnet die Augen und verschließt das Herz
Rosa lebt ein kleines beschauliches Leben, arbeitet als Frisörin und kann ihr Glück kaum fassen, dass ausgerechnet Schützenkönig Sigi sie als seinen größten persönlichen Sieg ansieht. Nach der Geburt von Sohn Severin wird aber aus dem Glück langsam aber sicher eine Beziehung, die sich immer mehr ins Aus bugsiert. Erst mit Klaus kommt wieder Glanz und Ansehen ins Rosas Welt. Im Verlauf der Jahre muss Rosa aber tatenlos mit ansehen, wie auch ihr zweiter Mann von den Tücken der Zeit eingeholt wird und sich verändert. Ist Glück wirklich wie ein Vogerl, das sich nicht dauerhaft einfangen lässt ?
Mit "Brief vom Vater" legt Gabriele Kögl einen sehr gesellschaftskritischen und zugleich melancholischen Roman vor, der nicht nur tiefe emotionale Einblicke in das Leben von Rosa enthält, sondern auch auf das Innenstadtsterben aufmerksam macht, von dem wir alle betroffen sind.
Dabei ist ihr die Figur der Rosa wirklich sehr gut gelungen und Kögl ermöglicht ihren Leser;innen, in Herz und Gedanken ihrer Prota zu lesen wie in einem offenen Buch. Von der ersten Verliebtheit über Resignation bis hin zur bitteren Erkenntnis am Ende des Buches ist Rosa eine Art Weggefährtin, die viele Stationen ihres Lebens mit den Lesenden teilt. Dabei geht die Autorin wirklich nicht zimperlich mit ihren Figuren und der Leserschaft um, prangert das Konsumverhalten und den damit verbundenen Konsequenzen genauso an wie die Tatsache, dass hinter einer schönen Fassade oftmals eine hässliche Fratze wohnt, die irgendwann zum Vorschein kommt.
Tragische Figur ist dabei Severin, der seinen Platz im Leben und im Herzen seines Vaters nie wirklich so richtig gefunden hat. Er muss regelrecht dabei zusehen, wie sich das Bild seiner eigentlichen Familie nachhaltig verändert, gehört nie ganz dazu und verliert trotzdem nach und nach alles, woran sein Herz hängt. Ein mehr als bittere Erfahrung, die ihn prägt und die er nicht überwinden kann. Erst recht nicht, als er nach dem Tod seines Vaters dessen letzte Worte liest, die sein Herz in tausend Stücke bersten lassen.
Es sind leise, aber doch eindringliche Worte, mit denen die Autorin dieses manchmal doch sehr ironische Buch füllt, die vielleicht aber genau deswegen sehr tief gehen. Oberflächlichhkeit, Bussi-Bussi-Gesellschaft, Aufstieg und Fall ihrer Figuren sowie emotionale Kälte und Abgestumpftheit verursachen Betroffenheit, sind aber im Grunde nichts anderes, als unser aller Alltag. Wie oft verurteilen wir jemanden, den wir gar nicht richtig kennen nach Aussehen, Erfolg oder Niederlage und merken dabei nicht, dass unser Verhalten und unsere Verachtung eine verletzende Enttäuschung für unser gegenüber ist, dessen Herz sich nach und nach immer mehr verschließt, obwohl der die Welt mit anderen Augen sieht.
Auch wenn der Grundkonsens sehr traurig und ernst ist, gelingt es Figur Rosa, sich freizuschwimmen und hinter die Masken zu blicken, die ihr soviel Leid verursacht haben. Ein Roman, der sich deutlich vom Mainstream abhebt und durch sein "Anderssein" zum Nachdenken anregt.
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»Er hat sich einen Plastiksack über den Kopf gezogen, sagte der Feuerwehrhauptmann. Rosa wollte ihn nicht sehen, und der Feuerwehrhauptmann sagte auch, es sei besser so. Ein schöner Anblick sei es nicht. Rosa blieb draußen stehen, vor der aufgebrochenen Tür. Ob es ein …
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»Er hat sich einen Plastiksack über den Kopf gezogen, sagte der Feuerwehrhauptmann. Rosa wollte ihn nicht sehen, und der Feuerwehrhauptmann sagte auch, es sei besser so. Ein schöner Anblick sei es nicht. Rosa blieb draußen stehen, vor der aufgebrochenen Tür. Ob es ein Unfall gewesen sei, fragte sie. Sie können besser damit leben, wenn es ein Unfall gewesen wäre.« |7
Mit einem Knall steigt der leise und melancholische Töne anschlagende Roman »Brief vom Vater« ein. Der Sohn der Protagonistin Rosa hat sich wahrscheinlich das Leben genommen, in der Hand einen Brief seines Vaters, der sich ebenfalls das Leben nahm. Dabei hatte Rosa immer gehofft auf das gute Leben. Sie hat sich bewegt innerhalb der Möglichkeiten, die ihre Kleinstadt einer Friseurin bietet und nun ist es so gekommen. Sie lebt allein in dem Haus, das heruntergekommen ist, wie ihr Leben, in einer Kleinstadt, die verwaist, wie sie.
Lakonisch-nüchtern setzt die Figur Rosa an, ihre Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte, nach der im Ort, abgesehen von, "hast du schon gehört, die alte..." niemand genau fragt. Ihr erster Mann Sigi, attraktiver Schützenkönig, weckte alle Hoffnungen auf ein gutes aufregendes Leben und den Aufstieg. Doch ist er stumpf, um den gemeinsamen Sohn kümmert er sich weniger, als um den Fussball, im Fernsehen, während sie alle Arbeit macht. Im Friseursalon wird Rosa umworben von Männern von Welt. Und als der von seiner Frau verlassene Drogerist Klaus um sie wirbt, lässt sie sich ein. Endlich ist sie wer, darf Teil der Eliten der Kleinstadt sein, auch wenn ein Preis zu zahlen ist. Weit entfernt die anderen Frauen, besitzergreifend und einengend der Mann und seine Freunde begrapschen die im Vergleich viel jüngere Frau, als wäre sie Ware. Und ihr Sohn Severin muss nehmen, was ihm gelassen wird, geduldet von Klaus, von Klaus Kindern drangsaliert und vom Vater übersehen, vom Vater immer übersehen, der seiner neuen Familie und seinem neuen Sohn alle Liebe zu schenken scheint.
Kögl schafft es, dieser tragischen Konstellation Lockerheit, Witz und einen liebevollen Blick hinzuzufügen, wie es der österreichischen
⤵️⤵️⤵️⤵️⤵️
... Erzähltradition innewohnen zu scheint. Die Sprache wirkt einfach, der Blick ist direkt und nüchtern. Die Fäden der Themen sind locker gespannt, so dass sich in eigenen Gedanken der ganze Raum der Geschichte und ihrer gesellschaftlichen Bezüge entfaltet.
Der Wandel der steierischen Kleinstadt dient als Spiegel des Werdegangs der Figur Rosa und die Figur Rosa dient als Spiegel für den Wandel der Kleinstadt. Lebhaft und hoffnungsvoll im Beginn, hat alles seinen Platz, es gibt unten und oben. Eine attraktive Frau von unten scheint diese Grenzen überwinden zu können, doch sie wird sich stoßen und Anstoß nehmen. Sie kann sich unterordnen oder gleich Schaden nehmen und auch in der Unterordnung wird der Schaden sie einholen. Die Grenzen und der Kern des Oben verändert sich, manche Eliten kommen mit dem Wandel mit, andere bleiben auf der Strecke, wie Klaus, dessen Drogerie in der Innenstadt der Konkurrenz des Einkaufszentrums nicht standhalten kann. Und schließlich ist es vorbei, der anspruchslose Siggi doppelt verlassen und tot, der Drogerist Klaus gefallen und tot, der Sohn Serverin, der seinen Platz nie fand, tot und Rosa bleibt, überlebend. Sie erscheint nicht mehr hoffnungsvoll, nicht mehr attraktiv, sondern leer, wie das heutige Zentrum vieler sterbender Innenstädte. Sehr lesenswert und mit Sicherheit nicht mein letzter Roman der Autorin.
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