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"Wir leben ewig", heißt der Beginn eines jüdischen Liedes. Gilt das auch für Blondi? Sie ist jung, klug, bildschön und mutig. Mit ihren ungewöhnlichen Talenten gelingt es ihr, die Liebe Adolf Hitlers zu gewinnen. Denn auch vom Aussehen her ist sie, die blonde Schäferhündin, ganz der Typ des Diktators. Nur selten weicht sie von seiner Seite, ist bei vielen wichtigen Lagebesprechungen dabei, genießt sein absolutes Vertrauen. Doch wer ist Blondi wirklich? Was niemand, auch ihr Onkel Adolf nicht, ahnt: Sie versteht die Menschen Wort für Wort, denn in all ihren bisherigen Daseinsformen hatte sie…mehr

Produktbeschreibung
"Wir leben ewig", heißt der Beginn eines jüdischen Liedes. Gilt das auch für Blondi? Sie ist jung, klug, bildschön und mutig. Mit ihren ungewöhnlichen Talenten gelingt es ihr, die Liebe Adolf Hitlers zu gewinnen. Denn auch vom Aussehen her ist sie, die blonde Schäferhündin, ganz der Typ des Diktators. Nur selten weicht sie von seiner Seite, ist bei vielen wichtigen Lagebesprechungen dabei, genießt sein absolutes Vertrauen. Doch wer ist Blondi wirklich? Was niemand, auch ihr Onkel Adolf nicht, ahnt: Sie versteht die Menschen Wort für Wort, denn in all ihren bisherigen Daseinsformen hatte sie eine menschliche Gestalt - eine Gestalt, in der sie die vielen wechselvollen Stationen ihres Volkes durchlebte, bis sie zuletzt als Jüdin aus Osteuropa ums Leben kam. Jetzt, ins Hundefell gezwängt, nimmt sie mit einem Tier- und einem Menschenauge wahr, was um sie herum passiert - und kann der Erinnerung an ihr früheres Dasein nicht ganz entfliehen. Sie fühlt sich in maka bre Situationen versetzt, erlebt historische Ereignisse mit, stürzt in die verrücktesten Abenteuer, ist stets Opfer und Täter zugleich. Doch in allem, was sie tut, muss sich Blondi dem Gesetz des Ursprungs unterwerfen. Bis es ihr gelingt, ihr eigenes Selbst aufzuspüren, wird sie wieder und wieder in fremde Welten und Existenzen gestoßen. Blondi, Beobachterin der Menschheitsgeschichte, muss die traurige Wahrheit in König Salomons Stoßseufzer erfahren: "Nichts Neues geschieht unter der Sonne."
Autorenporträt
Michael Degen, 1932 in Chemnitz geboren, Schauspieler und Schriftsteller, überlebte den Nationalsozialismus mit seiner Mutter im Berliner Untergrund. Nach dem Krieg absolvierte er eine Ausbildung am Deutschen Theater in Berlin. Er trat an allen großen Bühnen auf und arbeitete mit Regisseuren wie Ingmar Bergman, Peter Zadek und George Tabori zusammen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 29.07.2003

Das schlechtere Tier
Michael Degen liest in der Bad Vilbeler Burg aus "Blondi"

Wenn man sich die allgemeinen Anforderungen ins Gedächtnis ruft, die für einen solchen Roman gelten müssen, dann ist sein reales Scheitern nur allzu gewiß. Doch zugleich ist diese Geschichte von Hitlers Schäferhündin, die Michael Degen als Wiedergeburt einer Jüdin aus babylonisch-ägyptischen Zeiten phantasiert, ein origineller Versuch, mit der Geschichte seines Volkes, vielleicht auch mit seiner eigenen, zu Rande zu kommen. Das Urteil der Kritik zu "Blondi" fiel im vergangenen Jahr zwiespältig aus: Leon de Winter - mit einer vergleichbaren Biographie wie Michael Degen ausgestattet, wenn auch 22 Jahre jünger - nannte den Roman in seiner "Welt"-Rezension "ein albernes Buch mit brillanten Impulsen", was, alles in allem, jetzt die Lesung des Autors in der alten Bad Vilbeler Wasserburg bestätigte.

Michael Degen hatte aus seinem umfänglichen Werk ein paar charakteristische Passagen zum Vortrag ausgewählt: Er begann, nach Konstituierung seines Reinkarnationsidee, mit der Schilderung der Vergasung der Erzählerin in einem deutschen KZ. Seine Sprache erwies sich als durchaus kultiviert und gebildet, was dem barbarisch-grausamen Inhalt der Sätze zu widersprechen schien; die Stimme des bekannten Schauspielers klang angenehm, leise und distinkt.

Blondi lernt "Onkel Adolf" während einer Vorführung sadistischer Tierspiele vor NS-Prominenz kennen, ja sie rettet ihn vor einer blindwütig dahergaloppierenden Kuh: Beide Seiten fassen Zutrauen und Zuneigung zueinander. In den Erziehungs-, besser Dressurakten des Führers mit Blondi treten in grotesker Verfremdung tatsächlich die Personen, ihr Denken, Fühlen und Handeln deutlicher zutage; aus Hitlers Umgebung lassen sich einige wie Joseph Goebbels und Heinrich Himmler identifizieren. Unser Wissen von dieser schrecklichen Zeit und deren verbrecherischen Akteuren wird hier zur Kenntlichkeit verzerrt, die Verfremdung stellt eine die Erkenntnis ermöglichende Distanz her: Das Tier erweist sich als der bessere Mensch, der Mensch als das schlechtere Tier.

Als Zugabe las Michael Degen die Flucht Blondis aus dem Führerbunker. Die Schäferhündin findet ihre beiden Artgenossen aus dem Zwinger: Wolf ist bereits tot, und sie erlebt das Ende von Prinz, was zugleich, in allegorischer Form, eine Auseinandersetzung mit der preußischen Tradition des Dritten Reiches erlaubt. Ungeachtet aller ästhetischen Vorbehalte besitzt "Blondi" erzählerischen Wagemut und eine irritierende Wirkung auf den Zuhörer.

ADOLF FINK

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