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Der neue Roman des Autors von Captain Corellis Mandolin erzählt von einem kleinen Ort in Anatolien, von Liebe und menschlichen Tragödien, vom Untergang des Osmanischen Reichs, von Krieg, Verfolgung und Versöhnung.

Produktbeschreibung
Der neue Roman des Autors von Captain Corellis Mandolin erzählt von einem kleinen Ort in Anatolien, von Liebe und menschlichen Tragödien, vom Untergang des Osmanischen Reichs, von Krieg, Verfolgung und Versöhnung.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.06.2005

Geölte Teppiche fliegen nicht
Louis de Bernières Roman „Traum aus Stein und Federn”
Gott ist bekanntlich der größte aller Geschichtenerzähler, aber wenn er sich zu einem Schläfchen zurückzieht, müssen andere diesen Part übernehmen. Das unaufhörliche Nachdrängen der Anwärter lässt darauf schließen, dass Gott vergessen hat, den Wecker zu stellen. Zum Wettbewerb „Wer schreibt das dickste und duftgeschwängertste Epos der Nachpostmoderne?” ist nun auch der britische Schriftsteller Louis de Bernières angetreten, der vor elf Jahren mit dem vergleichsweise übersichtlichen Roman „Corellis Mandoline” einen internationalen Bestseller landete. Das Elend der Welt und ein traumatisches Jugenderlebnis haben den ehemals tiefgläubigen Nachfahren hugenottischer Flüchtlinge zu der Überzeugung geführt, dass Gott praktisch im Koma liegt. Vorsichtiger, aber auch misstrauischer lässt er es einen der zahlreichen Erzähler in seinem neuen Monumentalwerk „Traum aus Stein und Federn” formulieren: „Hin und wieder frage ich mich, ob Gott nicht manchmal schläft oder den Blick abwendet, ob es womöglich sogar eine göttliche Bosheit gibt.”
Iskander, der Töpfer, heißt dieser Zweifler, der außerdem Vogelstimmen in Tonflöten bannt und sich als Erfinder von Sprichwörtern betätigt. „Wer Zuflucht im Schatten der Kiefer sucht, der wird von der Taube bekackt”, lautet eine seiner Schöpfungen. Iskander ist eine von fast zweihundert Figuren (angeblich, wir haben nicht nachgezählt) in dem 670 Seiten prallen Roman über den Untergang des Osmanischen Reiches und die Entstehung der Türkischen Republik, geschildert am Beispiel einer fiktiven Kleinstadt im Südwesten Anatoliens. Einen üppigen Wust von Handlungssträngen hat der Autor zu einem kleinteilig ornamentierten Teppich verknüpft, in den auch der Werdegang des Mustafa Kemal, genannt Atatürk, mit lockerer Hand hineingewoben wurde.
Kamelmilch oder Christenwein?
Leichtverdaulich nacherzählte Historie wechselt ab mit farben- und sinnenfroher Fiktion, die sich um die Schicksale von Hirten und Handwerkern, Landbesitzern und Liebesdienerinnen, Imams und Idioten, Kriegern und Kaufleuten rankt. Es sind die Auswirkungen der großen Geschichte auf die Seelen und Lebensläufe der kleinen Leute, die Bernières interessieren. Und er hat ein weltanschauliches Anliegen von zeitgemäßem Zuschnitt: Er malt das Städtchen Eskibahçe als multiethnisches und multireligiöses Idyll, das durch Eroberung, Vertreibung und ethnische Säuberungen unwiderruflich zerstört wird.
Wo vor hundert Jahren, so lässt der Autor uns imaginieren, Griechen und Türken, Christen und Muslime friedlich nebeneinander lebten, Freundschaften pflegten, einander verulkten und kleine Nachbarschaftsfehden austrugen, haben wenig später „Paschas und Potentaten”derartige Verheerungen angerichtet, dass am Ende nur noch Eidechsen durch die Ruinen huschen. Die Liebe zwischen der sagenhaft schönen Christin Philothei und dem türkischen Ziegenhirten Ibrahim nimmt ein tragisches Ende. Die Griechen werden ins Exil vertrieben, die Fröhlichkeit (sic!) der Christenmenschen, die ihre vielen Feiertage heiligen und gern mal ein Glas Wein trinken, muss dem asketischen Ernst des muslimischen Einheitsglaubens weichen. So und schlimmer noch geht es eben zu, wenn Gott schläft.
Nun lässt sich aber so viel ostentativ trauerndes Gutmenschentum eines Schriftstellers auch dann nicht leichter ertragen, wenn es in schwellende Kissen pseudo-orientalischer Fabulierfreude gebettet und von geborgten Schleiern des magischen Realismus umhüllt wird. Louis de Bernières hat seinen Teppich mit einer derartigen Überdosis von Weihrauch und Rosenwasser, Moschus und Ambra, Knoblauch und honiggesüßter Kamelmilch parfümiert und so ausgiebig in Krokodilstränen getränkt, dass er zum Fliegen zu schwer geworden ist. Der Leser spürt alsbald die Neigung, sich wie betäubt neben Gott zu legen und erst einmal richtig auszuschlafen.
KRISTINA MAIDT-ZINK
LOUIS DE BERNIÈRES: Traum aus Stein und Federn. Roman. Aus dem Englischen von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2005. 670 S., 19,90 Euro.
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