Marktplatzangebote
5 Angebote ab € 5,40 €
  • Broschiertes Buch

Namhafte PolitikerInnen der Bündnisgrünen, führende Persönlichkeiten beider Kirchen und Vertreter der Wissenschaft beleuchten in dem von Christa Nickels, kirchenpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, herausgegebenen Buch, wie sich die Positionen bündnisgrüner Politik und christlichen Glaubens angenähert haben und wo sie sich unterscheiden.

Produktbeschreibung
Namhafte PolitikerInnen der Bündnisgrünen, führende Persönlichkeiten beider Kirchen und Vertreter der Wissenschaft beleuchten in dem von Christa Nickels, kirchenpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, herausgegebenen Buch, wie sich die Positionen bündnisgrüner Politik und christlichen Glaubens angenähert haben und wo sie sich unterscheiden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.09.1998

Wertvolle Verbündete
Grüne und christliche Konfessionen

Christa Nickels (Herausgeberin): Begründete Hoffnungen. Bündnisgrüne Politik und christlicher Glaube. Verlag Josef Knecht, Frankfurt am Main 1998. 240 Seiten, 29,80 Mark.

In Zeiten wie diesen empfiehlt es sich der SPD nicht, über eine Veränderung des Verhältnisses von Staat und Kirche auch nur laut nachzudenken. Schließlich ist Wahlkampf, und den Ausschlag geben am 27. September nicht zuletzt Bürger, die in kirchlichen Milieus verwurzelt sind und sich bisher für die Unionsparteien entschieden haben. Die Grünen, der potentielle Koalitionspartner der Schröderkraten, haben nie unter einer solchen Beißhemmung gelitten. Mögen auch viele Triebkräfte der einstigen Protestpartei zwischenzeitlich von anderen Entwicklungen überlagert worden sein, so sind die Grünen bis heute ihrer Überzeugung treu geblieben, daß Staat und Kirche radikal voneinander zu trennen seien.

Wurzeln

"Die bislang durch den Staat eingezogene Kirchensteuer soll mittelfristig durch Mitgliedsbeiträge, die von den Kirchen selbst erhoben werden, abgelöst werden", heißt es nicht erst im Programm für die Wahl am 27. September. Tradition hat auch eine andere Wahlaussage der Grünen: die Forderung nach ersatzloser Abschaffung des Paragraphen 218, der dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren entgegenstehe. Nur sage niemand, das Verhältnis der Grünen zu den Kirchen, zumal der katholischen, habe sich in den vergangenen achtzehn Jahren nicht verändert. Aus den Gegnern von einst seien "vielfach wertvolle Verbündete" geworden, heißt es im selben Wahlprogramm - "im Kampf gegen die Ellenbogengesellschaft und für eine humane AusländerInnen- und Asylpolitik".

Nicht nur angesichts des tiefen Grabens, der die religösen Überzeugungen und politischen Grundhaltungen eines großen Teil der Christen von denen der meisten Grünen trennt, mutet diese Einschätzung aberwitzig an. Denn die Grünen wollen auch nichts unversucht lassen, um ihrem "wertvollen Verbündeten" die materielle Grundlage für seine nicht ganz unerhebliche Präsenz in der Gesellschaft zu entziehen. Aber nicht wenige Christen, die bei den Grünen mittlerweile in der ersten Reihe sitzen, vermögen diesem Paradox einen Sinn abzugewinnen. Christa Nickels, als kirchenpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen die Vorarbeiterin am Bündnis, hat sie um sich geschart und sie mit Beiträgen zu Wort kommen lassen, in denen sie von ihren Wurzeln im Christentum und ihrem politischen Engagement bei den Grünen erzählen: Die Vorstandssprecherin Gunda Röstel und die Bundestagsabgeordnete Andrea Fischer sind darunter, auch Christine Scheel und Albert Schmidt, dazu die einstige brandenburgische Bildungsministerin Marianne Birthler, der nordrhein-westfälische Bauminister Michael Vesper und die Vorsitzende des thüringischen Landesverbands, Katrin Göring-Eckart. Dabei treten manche Unterschiede zutage zwischen West- und Bündnisgrünen: Fanden die einen über den antikirchlichen Affekt katholischer Jugendverbände und die Umwelt- und Friedensbewegung zu den Grünen, sammelten sich im Bündnis 90 viele Christen, die zu DDR-Zeiten in den Kirchen- und Pfarrgemeinden beheimatet waren und ein durchweg positives Verhältnis zur Kirche hatten. Aber genau darauf bezieht sich Gunda Röstel, wenn sie unter Berufung auf ihre Erfahrung in der DDR ungeniert dafür plädiert, den Religionsunterricht an der Schule abzuschaffen und so die Gemeinden wieder zu verlebendigen.

Die Altgrünen gehen diesem Thema wohlweislich aus dem Weg. Dafür schreiten sie ein politisches Themenfeld nach dem anderen ab, um auch die entfernteste inhaltliche Nähe zwischen grünen Positionen und Äußerungen der Kirchen dingfest zu machen - bis dahin, daß es sich nun auch zu Andrea Fischer, der sozialpolitischen Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, herumgesprochen hat, daß der Subsidiaritäts-Gedanke "ein gutes Leitbild für moderne Sozialpolitik ist". Einig sind sich Grüne aus allen Teilen Deutschlands aber in dem Unbehagen an einer "Mutter Kirche", die den verführerischen Verlockungen einer Ehe mit "Vater Staat" erlegen ist, wie Marianne Birthler, Mitglied im Präsidium des Deutschen Evangelischen Kirchentags, es formuliert.

Aber nicht nur das läßt sich in dem Buch "Begründete Hoffnungen. Bündnisgrüne Politik und christlicher Glaube" nachlesen. Frau Nickels hat nämlich nicht nur Grüne über die Kirchen zu Wort kommen lassen, sondern gleichermaßen Repräsentanten der Kirchen über die Grünen. Darunter sind immerhin der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Hans Langendörfer, der aus Sachsen stammende Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Wissenschaftsminister Hans-Joachim Meyer (CDU), und der Vizepräsident des Kirchenamtes der EKD, Hermann Barth.

Brücken

In mehr als nur einem Beitrag werden dabei "Verständnisbrücken" gebaut, als deren Fundament das Gemeinsame Wort der Kirchen zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland vom vergangenen Jahr herzuhalten hat. Langendörfer und Meyer machen aber aus ihrer Überzeugung keinen Hehl, daß die Gegensätze zwischen der Kirche und den Grünen in zentralen Fragen des Verstädnisses vom menschlichen Leben unverändert fortbestehen. Daran ändern "positive Grundanliegen" und "werteorientierte Gespräche" zwischen Grünen und katholischen Bischöfen nichts. Es bleibt dabei: Mit Hinweisen auf Elemente christlicher Spiritualität bei den Grünen sowie auf grüne Vorlieben bei Katholiken ist kein Staat zu machen.

DANIEL DECKERS

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr