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Die Sprenger-Jubiläums-Edition Immer noch geht es in Firmen um Überwachen und Gleichmachen. Individualität ist kaum gefragt. Wer jetzt nicht umdenkt, wird den Aufstand des Individuums nicht bändigen können und alle Marktchancen verspielen.

Produktbeschreibung
Die Sprenger-Jubiläums-Edition
Immer noch geht es in Firmen um Überwachen und Gleichmachen. Individualität ist kaum gefragt. Wer jetzt nicht umdenkt, wird den Aufstand des Individuums nicht bändigen können und alle Marktchancen verspielen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.07.2001

Der Aufstand des Individuums
Misere der Managementmethoden - Führung komplett neu denken

Reinhard Sprenger: Aufstand des Individuums. Warum wir Führung komplett neu denken müssen. Campus Verlag, Frankfurt 2000, 297 Seiten, 49,80 DM.

Reinhard Sprenger, ein bekannter Autor und Redner, der sich seit langem mit Fragen der Unternehmens- und Menschenführung befaßt, hat sich wieder zu Wort gemeldet. Dieses Mal nimmt er die wohlklingende Rhetorik der modernen Unternehmensführung und die dazugehörigen Instrumente ins Visier. Dabei kommt er aus seiner - wie er korrekterweise betont - subjektiven Sicht zur Erkenntnis, daß es sich bei dieser Rhetorik großenteils nur um Lippenbekenntnisse handele. Der Mensch - nicht selten von Unternehmens- und Personalchefs als das "wertvollste Kapital" der Unternehmen betitelt - sei in der harten Realität eigentlich nicht Partner, sondern allein Erfüllungsgehilfe. In den Unternehmen gehe es trotz vieler schöner Vokabeln vor allem um Firmensoldatentum und Konformität.

Der Altmeister des Scientific Management, Frederick Winslow Taylor, sei auch in scheinbar modern geführten Unternehmen noch immer präsent. Der Mitarbeiter sei nicht in seiner Individualität (im ursprünglichen lateinischen Sinne von etwas Unteilbarem) gefragt, sondern müsse die Anforderungen der ihm zugewiesenen Position als "organization man" erfüllen. Im Extremfall könne dies kafkaeske Formen annehmen, wenn Führungs- und Organisationsinstrumente ganz das Regiment übernähmen. Die nach herrschender Meinung so fortschrittlichen Führungsinstrumente wie Leistungsbeurteilung, Personalentwicklung und Zielvereinbarungen dienten nur dem einen Zweck: Überwachen und Gleichmachen, wenn auch auf subtile Art.

In der Praxis dominiere daher nach wie vor das egalisierende Unternehmen. Im egalisierenden Unternehmen sei das Individuum das Problem. Daher versuche man, sich die Menschen passend zu machen. Im Endeffekt verharrten die Unternehmen mit ihrer Methode "Überwachen, Disziplinieren und Gleichschalten" im organisatorischen Mittelalter. Zwar habe sich das Vokabular geändert, nicht jedoch das tatsächliche Führungshandeln. Es gehe um die Abwehr des Individuellen.

Das ist starker verbaler Tobak, den der Autor auch noch mit effektheischenden Aussagen unterlegt. Hier einige Kostproben: "Organisation ist die Furcht, irgendeiner könnte irgendwo glücklich sein." Oder: "Das gesamte Managementdenken lebt von der Übertragung der Denkfiguren der Kindererziehung auf die Mitarbeiterführung." Training bedeute den Verkauf von Psychoklamauk an Manager, wobei sich die Psychologie zur Kellnerin an den Biertischen der Manipulation mache. Derlei wirkt prall und reichlich populistisch, möglicherweise ergötzend für alle, die es schon immer besser wußten und denen Manager suspekt sind. Beeindrucken können solche Rundumschläge allenfalls kurzfristig.

In Anbetracht der konstatierten Misere der Managementmethoden macht Sprenger einen Aufstand des Individuums aus. Sicher muß man genau hinsehen und hinhören, um einen solchen "Aufstand" in der Realität wirklich festzustellen. Offene Revolten sind in mitbestimmten Unternehmen äußerst selten; sie kommen nur in ausgesprochenen Krisensituationen vor. Indessen ist kaum zu leugnen, daß es viele Unternehmen gibt, in denen die Mitarbeiter sich in die innere Kündigung zurückgezogen haben. Wenn man Ursachenforschung betreibt, stößt man auf viele Gründe: interne Querelen, Mobbing und ähnliches - Dinge, die leider immer wieder, wenn Menschen zusammen sind, vorkommen. Sicher spielt auch die unzureichende Berücksichtigung des Individuums in der Führung, die Sprenger als Hauptproblem nennt, eine Rolle.

Der Autor fordert im zweiten Teil seines Buches die Ablösung des egalisierenden durch das individualisierende Unternehmen. Dies klingt gut, und man liest seine Ausführungen mit Spannung. Die Gestaltungshinweise, die Sprenger dem nach der Lektüre des ersten Teils händeringend nach neuen Lösungen suchenden Leser mit auf den Weg gibt, bleiben jedoch wolkig und sind wenig praktikabel. Manches erinnert an Utopia. So heißt es, die Organisation werde um den einzelnen herumgebaut. Man müsse Unternehmen als "offene Welt" und als Organismen gestalten. Die sich daraus ergebenden flexiblen Strukturen würden nicht über Kontrolle zusammengehalten, sondern durch Vertrauen. Man brauche insofern eine starke Führung - eine Aussage, die man leicht mißdeuten kann. Gemeint ist wohl eine Führung durch Persönlichkeiten, die das Potential der Individuen im Unternehmen zur Geltung zu bringen vermögen.

Der Autor stiehlt sich mit dem Hinweis aus der Verantwortung, er wolle keine universell anwendbare Instantlösung präsentieren, sondern nur eine Grundhaltung oder Sichtweise vermitteln, die dem Leser vielleicht helfen könne, die Revolution (?) zu überleben. Dies klingt nun in Anbetracht der kernigen Aussagen des ersten Teils recht bescheiden - zu bescheiden. Man möchte dem Autor empfehlen, konkrete Beispiele aus seiner Beratungserfahrung einzubauen und dem Leser in der Praxis insofern Mehrwert zu bieten. Auch sollte er erörtern, wie und woher die Unternehmen die vielen dringend benötigten Führungspersönlichkeiten (eine rare Spezies!) rekrutieren können.

Wie ist das Buch abschließend zu bewerten? In diesem nicht als wissenschaftlich einzustufenden Werk wird das stets aktuelle und wohl auch problematische Verhältnis des einzelnen zur Organisation behandelt. Sprenger spricht dabei vieles Bedenkenswerte an und manches Kritische aus. Dennoch ist kaum anzunehmen, daß er die von ihm propagierte individualisierende Führung wirklich voranbringt. Zwar propagiert er aus der sicheren Deckung des unabhängigen Publizisten heraus den Aufstand des Individuums. Zum Umgang mit diesem in der täglichen Praxis fallen ihm indes nur gutgemeinte, recht offen formulierte Appelle ein. Dies reicht nicht. Der kritische Leser wird daher nach der Lektüre möglicherweise des Löwen gedenken, der da so gut gebrüllt hat, das Buch schließen und ihm dann einen Ehrenplatz im Bücherschrank zuweisen.

ROBERT FIETEN

(Management-Forschungs-Team, Köln)

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