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Das Travemünde Thomas Manns, Kurt Tucholskys Schloß Gripsholm, Alfred Döblins Alexanderplatz, das Dublin James Joyces, Max Frischs Montauk, Rainer Maria Rilkes Schloß Duino - Orte wie diese üben auf Literaturliebhaber eine besondere Ausstarhlung aus. Volker Hage, Kulturredakteur beim Spiegel, vormals bei der FAZ und Zeit, hat berühmte Schauplätze der Literatur besucht. Stets versteht er es dabei, Orte, Werke und biographische Zusammenhänge so zu verschränken, daß sie sich wechselseitig erhellen. So sind diese Reportagen mehr als nur Reisegeschichten: Der Weg zu den Schauplätzen eröffnet…mehr

Produktbeschreibung
Das Travemünde Thomas Manns, Kurt Tucholskys Schloß Gripsholm, Alfred Döblins Alexanderplatz, das Dublin James Joyces, Max Frischs Montauk, Rainer Maria Rilkes Schloß Duino - Orte wie diese üben auf Literaturliebhaber eine besondere Ausstarhlung aus. Volker Hage, Kulturredakteur beim Spiegel, vormals bei der FAZ und Zeit, hat berühmte Schauplätze der Literatur besucht. Stets versteht er es dabei, Orte, Werke und biographische Zusammenhänge so zu verschränken, daß sie sich wechselseitig erhellen. So sind diese Reportagen mehr als nur Reisegeschichten: Der Weg zu den Schauplätzen eröffnet zugleich Einblick in die Arbeits- und Lebensweise der Schriftsteller.
Autorenporträt
Volker Hage, 1949 in Hamburg geboren, arbeitet seit 1992 als Literaturkritiker beim "Spiegel". Zuvor war,er (1975 -1986) im Literaturblatt der "Frankfurter Allgemeinen" und im "FAZ-Magazin" tätig, anschließend (1986 - 1992) als verantwortlicher Literaturredakteur der "Zeit". Herausgeber zahlreicher Anthologien und Auswahlbände.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.07.1998

Faszinosa ohne Griff
Ein Stück weit: Volker Hage leckt an der Aura literarischer Orte

Kurt Tucholsky hat nie auf Schloß Gripsholm gelebt, Max Frisch war gerade mal ein Wochenende lang in Montauk, Thomas Mann wie Marcel Proust waren die Paradiese ihrer Jugend, Travemünde und Illiers/Combray, im erwachsenen Leben ziemlich schnuppe. James Joyce hat Dublin gehaßt. Rainer Maria Rilke die Duineser Elegien nach einem Ort benannt, an dem sie nur zum geringen Teil entstanden sind, und Alfred Döblin erkannte den Alexanderplatz in Berlin nach dem Krieg kaum wieder.

Volker Hage weiß und schreibt das auch. Da es ihm gleichwohl um "Reisen zu den berühmten Schauplätzen der Literatur" geht, braucht es dafür eine Begründung. Zumindest "ein Stück weit": Genaueres wehrt Hage mit der Behauptung ab, wer sich an solche Orte begebe, müsse "sich nicht puristisch nach Sinn und Zweck des Unternehmens befragen lassen". Dem, der unrein fragt, wird aber versichert: "Der Weg zu den Schauplätzen eröffnet Einblicke in die Arbeits- und Lebensweise der Schriftsteller." Von Wegen ist dann (mit Ausnahme des Long Island Expressway nach Montauk) nicht mehr die Rede, aber dagewesen ist Volker Hage an den Schauplätzen der Literatur, und "das Faszinosum ist schwer zu greifen".

Der erste Greifversuch gilt dem Ostseebad, in dem die Buddenbrooks als Kinder, vor allem der kleine Hanno, und ihr Schöpfer Thomas Mann glückliche Ferienwochen verbracht haben. Das kommt dem Forscher aber sperrig: "Wenig erinnert am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts an die großen Zeiten", was unter musealen Gesichtspunkten den Tatbestand des Frevels erfüllen dürfte, denn "Thomas Mann und Travemünde: das ist die Geschichte einer Leidenschaft, die bis ans Lebensende währt, die selbst noch in der Ferne und Fremde Schutz und Kraft gibt."

Sollte dem so sein, dann handelte es sich hier um die Leidenschaft Thomas Manns, die er am besten sublimieren oder camouflieren konnte, denn wenn er den Kraftort mühelos hätte aufsuchen können, ließ er ihn, Hage zur argumentativen Pein, links oder rechts liegen, und in seinem Tagebuch behandelte er ihn auch höchst stiefmütterlich. Bei Illiers/Combray ist die Angelegenheit von der Bausubstanz her erheblich günstiger: "Die Häuser stehen noch wie zu Prousts Zeiten", aber Proust nicht sehr zu ihnen: "Was mich am meisten überraschte, war jedoch, wie wenig ich während dieses Aufenthaltes meine früheren Jahre noch einmal durchlebte, wie wenig mir daran lag, Illiers wiederzusehen", schrieb er über sein Travemünde.

Nichts ist's also in diesem Fall mit "lebenslanger Leidenschaft", dafür erklärt Hage, was man von Prousts Hauptwerk zu halten hat: es ist ein "Mammutwerk", ein "Wunderwerk", ein "Wallfahrtsort im Geiste", eine "Kathedrale" und obendrein eine "wesentliche künstlerische Offenbarung" - dies alles auf einer Druckseite. Mit anderen Worten: "Die ,Recherche' ist zwar kein Werk des Verstandes, doch nicht: ein Werk ohne Verstand." Das mußte einmal gesagt werden.

Beziehungsweise: vielleicht auch und eher nicht, denn das wurde es ja schon alles und beileibe nicht nur einmal. Aber selten mit solchem bestürzendem Tiefgang. "Nicht nur Bücher, auch ihre Schauplätze haben ihr Schicksal", wird der Historiker belehrt, und Abtuer bekommen ins Stammbuch, daß man Rilke "nicht mit einem Nebensatz abtun kann". Wahrscheinlichkeitstheoretiker haben dann noch die Nuß zu knacken, weshalb "Montauk ein zufälliger Ort", hingegen "der Mälarsee nicht zufällig der Schauplatz des berühmten Romans (Schloß Gripsholm) ist. Insgesamt kommt die an sieben Beispielen durchdeklinierte Geschichte mit den Schriftstellern und ihren literarischen Orten nie zur behaupteten Sache, Hages Lokaltermine bleiben willkürliche Aufhänger für reichlich lautes, eklektizistisches Dozierwesen, das sich nie zwischen dem Duktus von "Reader's Digest" und Oberseminar entscheiden kann.

"Indem wir unseren Gegenstand erhöhen, haben wir einen Grund, über ihn zu sprechen", philosophiert der Autor. Dies gilt vice versa wohl auch für die Erniedrigung. Die ist hier aber durchaus nicht intendiert, denn zumindest ein von Hage mitgeteilter Fund aus der Abteilung "Strandkorbforschung" ist durchaus herauszuheben: Thomas Mann läßt Tony Buddenbrook 1847 eine solche ufernahe Ersatzwohnung erblicken, und da ist der Wurm drin: Strandkörbe wurden erst fünfzig Jahre später disloziert. "Reisen zu den berühmten Strandkörben der Literatur" oder "Reisen zu den berühmten Schauplätzen der Strandkörbe", das hätte etwas werden können. BURKHARD SCHERER

Volker Hage: "Auf den Spuren der Dichtung". Reisen zu den berühmten Schauplätzen der Literatur. Wilhelm Goldmann Verlag, München 1997. 188 S., geb., 36,90 DM.

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