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Zwölf Monate Arbeit - Kunst machen, Lohnjob, Mutterschaft. Ein Tagebuch. Ausgezeichnet mit dem Hamburger Literaturpreis. »Impulsiv, zartfühlend, poetisch: Jenny Schäfer beschreibt die Alltagskulturen, die ihre künstlerische Arbeit formen. Eine augenöffnende Selbstinventur, ein treibendes, beglückendes Dokument.« (Joshua Groß)

Produktbeschreibung
Zwölf Monate Arbeit - Kunst machen, Lohnjob, Mutterschaft. Ein Tagebuch. Ausgezeichnet mit dem Hamburger Literaturpreis. »Impulsiv, zartfühlend, poetisch: Jenny Schäfer beschreibt die Alltagskulturen, die ihre künstlerische Arbeit formen. Eine augenöffnende Selbstinventur, ein treibendes, beglückendes Dokument.« (Joshua Groß)
Autorenporträt
Jenny Schäfer, 1985 in Kassel geboren, studierte Bildende Kunst/Fotografie an der HfbK Hamburg und lebt heute als Bildende Künstlerin und Autorin ebendort. Sie entwickelt installative Arrangements ihrer Fotografien in Kombination mit Objekten und Texten in Gruppen- und Einzelausstellungen. Seit 2011 sind Künstlerinnenbücher, Kataloge und Editionen erschienen. Bei SUKULTUR veröffentlichte sie zuletzt »String Figures« und »Durch Fenster reden«. 2021 wurde Jenny Schäfer für »Arbeitstage« mit dem Hamburger Literaturpreis ausgezeichnet.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensentin Emilia Kröger schätzt Jenny Schäfers inhaltliche Direktheit und formale Experimentierfreude. In ihrem Buch schreibt die Autorin notizenhaft und tagebuchartig über ihr Arbeitsleben zu Corona-Zeiten, wobei sie unter Arbeit sowohl Lohn- und Carearbeit als auch die künstlerische Arbeit fasst, wie Schäfer festhält. Wie die Autorin in knappen Beobachtungen und Auflistungen ("Kindergarten, Impfung, Fotojob, Schlechte Laune"), dann wieder selbstreflexiven Ausschweifungen über das Schreiben oder Muttersein von ihrem Alltag berichtet und dabei einen klaren feministischen Schwerpunkt setzt, findet die Kritikerin thematisch spannend und wichtig. Am interessantesten scheint ihr dabei Schäfers Umgang mit Sprache, der sie einerseits an Chat-Nachrichten mit der besten Freundin erinnert, andererseits aber auch poetische Passagen entstehen lasse und kunstphilosophische Höhenflüge ermögliche. Ein abwechslungsreiches, nahbares und gesellschaftspolitisch aufschlussreiches Buch, lobt die Kritikerin abschließend.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.11.2023

Ohne Anstrengung bleibt alles wie gehabt
Literarisch geformt, gesellschaftlich engagiert: Jenny Schäfers Selbsterkundungsbuch "Arbeitstage"

Es wird nie mehr so, wie es mal war. Das war den meisten Menschen schon während der Pandemie bewusst und trifft insbesondere auf die Arbeitswelt zu. Neben Homeoffice und Videokonferenzen haben auch Themen wie die Krisenhaftigkeit und Relevanz von Branchen oder die Verbesserung von Arbeitsbedingungen seitdem Hochkonjunktur. In diesem thematischen Kontext steht auch Jenny Schäfers neues Buch "Arbeitstage", allerdings wählt die Autorin einen ganz anderen, nämlich unmittelbaren Zugang. Ganz im Sinne des Titels wird hier über die Arbeit Tagebuch geführt: "Ich schreibe jeden Arbeitstag einen oder viele Gedanken zu meiner Arbeit auf, unabhängig von Lohn-, Care- oder künstlerischer Arbeit."

In der Gleichstellung von Lohn-, Care- und künstlerischer Arbeit bildet sich der dezidiert feministische Ansatz von Schäfers Buch ab. Denn Hausarbeit oder Erziehung des eigenen Kindes - gemeinhin als "Care-" oder auch "Reproduktionsarbeit" bezeichnet - wird ebenbürtig zur entlohnten Arbeit als Erzieherin in der Kita oder Dozentin an der Kunsthochschule betrachtet.

Bemerkenswert ist "Arbeitstage" allerdings nicht nur thematisch, sondern vor allem formal. Die Erzählerin Jenny schreibt ein Tagebuch - so weit, so gut, allerdings in einem experimentellen Montagecharakter, wodurch die einzelnen Einträge in größtmöglicher Variation aufeinander folgen. Neben kurzen stimmungsbezogenen Einträgen wie "Freitag 1106: Müde, aber geil: Erdbeerzeit" oder "Montag 0811: Keine Sätze vorhanden" finden sich auch seitenlange Passagen, die über künstlerische Arbeit oder politische Ereignisse reflektieren.

Am schönsten, weil der wohl größte Stilbruch in literarischem Sinne, sind die vielen Auflistungen und -zählungen, die Schäfers Buch durchziehen. Durch dieses Formelement gelingt es, die Simultanität der Gedanken und Gefühle der Erzählerin abzubilden. Manchmal präsentiert Jenny ihren Tagesablauf als Liste - "Kindergarten, Impfung, Fotojob, Schlechte Laune" -, mal ordnet sie listenhaft ihre Gedanken. Solche Aufzählungen tragen dann charmante Titel wie "Fragen, die ich mir stelle", "Was ich gerne machen würde", "Diverse Feststellungen" oder "Sortieren!".

Die Originalität und Unmittelbarkeit in Schäfers Stil ziehen sich bis auf die Wortebene durch. Der Ton der Erzählerin ist derart unverfälscht in seiner Mündlichkeit, dass teilweise der Eindruck entsteht, man läse die Chat-Nachrichten der eigenen besten Freundin: "Es sind 40 Grad im Atelier. Mein Kollege hinter mir hört Vogelgeräusche für seinen neuen Film und es ist TROPISCH. Ich liebe es tropisch." Das Poetische von Textstellen wie dieser kommt dabei besonders zur Geltung, wenn der Bruch durch den nächsten Gedankenstrom nicht weit entfernt ist. Im selben Eintrag, mit dem Jenny von den vierzig Grad im Atelier berichtet, sinniert sie ebenso über ihre Privilegien und die daraus folgende Positionierung beim Schreiben wie über die Krisenhaftigkeit der aktuellen Zeit und eigenes politisches Handlungspotential.

In diesen reflektierenden Passagen des Textes kommt zugleich besonders die feministische Perspektive zum Ausdruck. Die Gedanken der Erzählerin drehen sich neben dem Thema der Arbeit vor allem um das der Mutterschaft: Sie hinterfragt ihre eigene Motivation, ein Kind zu bekommen, und überlegt, warum es so schwierig ist, aus den patriarchalen Rollenbildern und der Aufgabenteilung der Kindererziehung auszubrechen: "Alles muss klar sein. Es ergibt sich nicht automatisch. Es ergibt sich so, wie es sich seit langer Zeit eingeschliffen hat. Ich hab doch keine Ahnung, was besser für wen ist, aber ich kämpfe dafür, dass man diese Struktur nicht nur durchbricht, indem man darüber spricht, sondern TUT. PLANT. KOMMUNIZIERT, STREITET. Ohne Anstrengung keine Veränderung. Aber ohne Anstrengung auch eh nichts. Die ausgetretenen Pfade sind nicht die besseren."

Tagespolitische Themen werden von der Erzählerin in ihren Aufzeichnungen nicht ausgespart. Viele betreffen Pandemie-Maßnahmen wie die Kontaktbeschränkungen und die dabei fehlende Berücksichtigung von Familien und Kindern oder mangelhafte Unterstützung von Selbständigen, insbesondere Künstlern. Dadurch bekommt "Arbeitstage" den Anstrich eines Zeitdokuments über die Corona-Jahre in Deutschland.

Außerdem darf nicht unerwähnt bleiben, dass es Schäfer gelungen ist, neben der thematischen, formalen und sprachlichen Fülle auch noch eine Art metafiktionaler Ebene in ihren Text einzubauen. Die Erzählerin kommentiert nicht nur die eigene Arbeit am vorliegenden Text und bringt dabei ihre Zweifel zum Ausdruck, sondern spielt darüber hinaus mit ihrer autofiktionalen Rolle. Denn obwohl "Arbeitstage" nicht als Roman gekennzeichnet ist und die Jenny des Textes den gleichen Namen wie die Autorin trägt, verweist die Erzählerin doch auf einen möglichen fiktionalen Charakter: "Vielleicht bin ich ganz anders, als ich hier tue. Vielleicht tut der Text persönlicher, als er in Wirklichkeit ist."

Das Fehlen der Kennzeichnung als Roman ist bezeichnend, da es angesichts des Reichtums an Inhalt und verschiedenen Ausdrucksformen misslingt, "Arbeitstage" in eine literarische Gattung zu fassen. Das Buch changiert zwischen intimen nahbaren Tagebucheinträgen, politisch-gesellschaftlichen Kommentaren, kunstphilosophischen Ausführungen und humorvollen Alltagsbeschreibungen. Das ist ebenso berührend wie bedeutsam. EMILIA KRÖGER

Jenny Schäfer: "Arbeitstage".

Sukultur Verlag, Berlin 2023. 160 S., br., 24,- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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