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Kleider machen Leute - aber wie? Wie zum Beispiel konnte sich der Maßanzug als männliche Standardkleidung durchsetzen? Oder was hat der Anzug mit männlicher Sexualität zu tun? In welcher Beziehung steht er zur Mode und zum modernen Design? Warum, wann und wie haben Frauen ihn kopiert? Mit Scharfsinn und Witz geht Anne Hollander in dem vorliegenden Buch diesen und anderen Fragen auf den Grund. Ihre Perspektive auf die Kleidung von Männern und Frauen läßt die Mode der letzten 200 Jahre Revue passieren und dabei uns liebgewordene Selbstverständlichkeiten in einem vollkommen neuen Licht erscheinen.…mehr

Produktbeschreibung
Kleider machen Leute - aber wie? Wie zum Beispiel konnte sich der Maßanzug als männliche Standardkleidung durchsetzen? Oder was hat der Anzug mit männlicher Sexualität zu tun? In welcher Beziehung steht er zur Mode und zum modernen Design? Warum, wann und wie haben Frauen ihn kopiert? Mit Scharfsinn und Witz geht Anne Hollander in dem vorliegenden Buch diesen und anderen Fragen auf den Grund. Ihre Perspektive auf die Kleidung von Männern und Frauen läßt die Mode der letzten 200 Jahre Revue passieren und dabei uns liebgewordene Selbstverständlichkeiten in einem vollkommen neuen Licht erscheinen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.10.1995

Die klassische Dreiecksform des Mannes
Anne Hollander entdeckt die griechische Statue im modernen Herrenanzug

Was bewirkt es, daß ein Mann, der in einem gestreiften Blazer bei der Geliebten erscheint, als "todschick" empfunden wird, auch wenn er im Alltag selten eine gute Figur macht? Glaubt man der amerikanischen Kunstwissenschaftlerin Anne Hollander und ihrem Buch "Anzug und Eros", so ist es die abstrakte Form des klassischen Herrenanzugs, die selbst aus einem Donald Duck noch einen Adonis herausmeißelt. Die Geburt des Anzugs aus dem Geist des Klassizismus verlangte fließende Schnitte, die den Körper umschmeichelten und seine Bewegungen aufnahmen: "Um das Bild schmuckloser männlicher Perfektion zu vermitteln, mußten die Schneider den nackten Mann aus Stoff neu modellieren, um eine abstrakte Statue des nackten Helden zu erschaffen."

Im Gegensatz zu den römischen Togen oder den engen Wämsern und Kniehosen des Mittelalters beschränkt sich der moderne Anzug nicht auf bloße Verhüllung oder die Herausstellung von Körperattributen. Er dient, so Hollander, vielmehr als "zweite Haut", die dank ihrer strengen Vertikalität die Unförmigkeiten des individuellen männlichen Körpers ausgleicht und das an der griechischen Plastik geschulte Ideal des athletischen Mannes evoziert. Diese klassische Dreiecksform mit breiten Schultern und schmalen Hüften verdrängte das frühere männliche Schönheitsmodell, das Hollander liebevoll als "kuppelartige Form des Mittelalters" bezeichnet - ein Euphemismus, den sich leicht füllige Menschen merken sollten.

Im Klassizismus gab dann der nackte Mann das Vorbild des Anzugs ab, was dessen bis heute ungebrochene erotische Wirkung erklären soll. Dagegen stellte die griechische Plastik Frauen nur bekleidet dar, weshalb eine ähnliche Revolution der Damenmode im ausgehenden achtzehnten Jahrhundert ausblieb. Erst im Zuge der Emanzipation adaptierte die weibliche Mode Elemente der männlichen, die durch ihre explizit sexuelle Konnotation bei Frauen als besonders anstößig empfunden wurden - man denke nur an den Skandal, den Marlene Dietrich noch in den dreißiger Jahren auslöste, als sie Herrenanzüge trug, oder an die Hosenrollen in amourösen Lustspielen. Der Begriff "Anzüglichkeit" erhält so eine buchstäbliche Bedeutung.

Was die Mode streng geteilt, sollten erst nach dem Zweiten Weltkrieg die Zauber des Anzugs wieder binden. In ihrer proletarischen Ausführung als Jeans und T-Shirt wurde die zur Arbeitskleidung umgewidmete einstige Unterbekleidung des Anzugs zum internationalen Einheitslook - unifarben, uniform und unisex. Hollander entwirft das Bild eines Triumphs der sinnlichen Abstraktion über die konkreten Funktionen traditioneller Gewänder: "Die westliche Mode bietet einen visuellen Weg aus der Falle der Tradition an, aus dem Gefängnis der nicht hinterfragbaren Weisheit." Unmittelbare Deutung von Mode (etwa als Klassenkennzeichen) ist für die Autorin ein Zeichen überkommener Konzeptionen, Kleidung müsse vielmehr als Kunst verstanden werden. "Die Sprache der Mode", die Roland Barthes in seinem gleichnamigen Aufsatz zu entziffern suchte, wird für Hollander zu einer rein visuellen Kommunikation, die ihre Phraseologie aus der Tradition entwickelt, indem sie sich gerade gegen das Alte absetzt.

In diesem Widerstand gegen das Tradierte liegt das Restrisiko des Modischen in einer Zeit, in der kaum noch formelle Anforderungen an Kleidung gestellt werden, weil "die Stilisierung der Antimode in Mode ist". Wo keine Etikette mehr vorschreibt, welche Bekleidung konform ist, hat sich Mode vor den Betrachtern durch Übereinstimmung mit der Persönlichkeit des Trägers zu legitimieren. Wer sich da nicht selbst zu erkennen weiß, wird auch in seiner modischen Erscheinung von anderen verkannt werden, und noch das feinste Hollywoodjäckchen macht aus seinem Besitzer keinen Filmstar. ANDREAS PLATTHAUS

Anne Hollander: "Anzug und Eros". Eine Geschichte der modernen Kleidung. Aus dem Amerikanischen von Nele Löw-Beer. Berlin Verlag, Berlin 1995. 319 S., Abb., geb., 39,80 DM.

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