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Produktdetails
  • Verlag: C.H. Beck
  • ISBN-13: 9783406476488
  • Artikelnr.: 07212442
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.1998

Der Anwalt und sein Recht
Ein Kommentar zur neuen Berufsordnung

Wolfgang Hartung/Thomas Holl (Herausgeber): Anwaltliche Berufsordnung. Fachanwaltsordnung - europäische Standesregeln. Verlag C. H. Beck, München/ Frankfurt 1997, 1191 Seiten, 168 DM.

Das Berufsbild des deutschen Rechtsanwalts ändert sich erheblich. Vor fünfzehn Jahren hat man noch von einer gewissen Homogenität innerhalb des Berufsstandes sprechen können, heute reicht die Palette vom erfolgreichen Einzelanwalt auf dem Land bis zur internationalen Sozietät mit klassischer Unternehmensstruktur - mit den damit verbundenen äußerst unterschiedlichen Anforderungen.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht 1987 die Verfassungsmäßigkeit der Standesrichtlinien verneint hat, ist die Anwaltschaft auf der Suche nach Grundregeln für ihre eigene Berufsausübung. Vor knapp einem Jahr, am 11. März 1997, ist nach kontroversen Beratungen die neue Berufsordnung in Kraft getreten. Wie kompliziert und schwierig die Materie geworden ist (obwohl sie nur wenige Paragraphen umfaßt), zeigt der neue Kommentar "Anwaltliche Berufsordnung" von Wolfgang Hartung und Thomas Holl eindrucksvoll.

Kernmaterie - auch die der Kommentierung - sind die Werbevorschriften. In einem Werbe-Abc erläutert der Bearbeiter Volker Römermann, was so alles zulässig ist. Er verdeutlicht dabei ein sehr liberales, vom Markt getragenes Werbeverständnis. So seien Information und Kommunikation wesentlicher Bestandteil jeglicher Werbung. Da sich die Berufsordnung für die grundsätzliche Zulässigkeit der Informationswerbung ausgesprochen habe, müßten daraus auch die entsprechenden Konsequenzen gezogen werden.

In dem Kommentar wird daher für eine sehr weit gehende Werbefreiheit eingetreten, die von dem Grundgedanken der Sachlichkeit geprägt wird. Anzeigen, Einladungen und Werbespots seien im Grundsatz nicht zu beanstanden. Zu beachten sei auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das Werbeverbote als Eingriff in die Berufsfreiheit nur bei überragenden Gemeinwohlinteressen zuläßt. Ob allerdings, und hier werden die Anwälte noch Erfahrungen sammeln müssen, jede Werbung auch zum Erfolg führt, bleibt - auch im Kommentar - dahingestellt. Kritisch äußern sich die Autoren zu der Werbung mit Tätigkeitsschwerpunkten und Interessengebieten. Die Begrenzung auf insgesamt fünf Angaben, deren Enge oder Weite, stufen die Autoren als verfassungswidrig ein. Man darf gespannt sein, wie das Bundesverfassungsgericht, das demnächst vermutlich angerufen werden wird, die Berufsordnung auslegen wird.

An manchen Stellen merken die Kommentatoren aber nicht, wie unsinnig Regelungen geraten sind. So darf eine Kanzlei, selbst wenn sie als GmbH oder vielleicht demnächst als AG organisiert ist und die Größe einer veröffentlichungspflichtigen Kapitalgesellschaft erreicht hat, keine Umsatzzahlen nennen, obwohl das Handelsrecht zu solchen Angaben zwingt. Es bleibt zu hoffen, daß hier der angelsächsische Einfluß - dort ist diese Angabe üblich - solche Regelungen bald durch die "Kraft des Faktischen" überholen und überflüssig machen wird.

Gut ist auch, daß im Hartung/Holl die europäischen Standesregeln besprochen werden, die sich (allerdings unverbindlich) der Dachverband CCBE gegeben hat. Hier ist Lehrreiches über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu erfahren - zum Beispiel, daß es ein grundsätzliches Verbot eines Vermittlungshonorars zwischen Anwälten gibt, das auf dem Markt immer öfter mißachtet wird.

Hervorzuheben ist außerdem, daß vor allem jüngeren Anwälten - Berufsrechtsfragen werden im Studium und in der Referendarzeit allenfalls am Rande behandelt - durch das Berufsrechts-Abc mit rund 450 Stichwörtern ein schneller Einstieg angeboten wird, der so in der juristischen Literatur bisher nicht existiert. Der Hartung/Holl - obwohl er schnell auf den Markt gekommen ist - hat wissenschaftliche Tiefe. Es ist oft weit vorgedacht worden, was bei Erstkommentierungen nicht immer der Fall ist. MARTIN W. HUFF

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