Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 16,00 €
  • Buch mit Leinen-Einband

Die von den klassischen antiken Autoren überlieferten Zeugnisse zur Geschichte der Bundesstaaten des griechischen Altertums standen den Denkern des 17. und 18. Jahrhunderts Modell für die Grundzüge eines föderativen und repräsentativen Staatsaufbaus; dies gilt insbesondere für die »Väter« der amerikanischen Bundesverfassung von 1787 und die Autoren der berühmten »Federalist«-Kampagne. Im Hauptteil der Abhandlung werden die Zeugnisse für eine direkte, kritische Auseinandersetzung des hellenistischen Historikers Polybios mit den einschlägigen Positionen in Aristoteles’ Politik untersucht und…mehr

Produktbeschreibung
Die von den klassischen antiken Autoren überlieferten Zeugnisse zur Geschichte der Bundesstaaten des griechischen Altertums standen den Denkern des 17. und 18. Jahrhunderts Modell für die Grundzüge eines föderativen und repräsentativen Staatsaufbaus; dies gilt insbesondere für die »Väter« der amerikanischen Bundesverfassung von 1787 und die Autoren der berühmten »Federalist«-Kampagne. Im Hauptteil der Abhandlung werden die Zeugnisse für eine direkte, kritische Auseinandersetzung des hellenistischen Historikers Polybios mit den einschlägigen Positionen in Aristoteles’ Politik untersucht und Polybios’ am Achaiischen Bund des frühen 2. Jahrhunderts v. Chr. orientierte Theorie des Bundesstaates konkret dargelegt.
Im Anhang des Bandes sind ausgewählte Quellenzeugnisse versammelt.
Autorenporträt
Dr. Gustav Adolf Lehmann ist Professor für Alte Geschichte an der Universität Göttingen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Den in der Diskussion bundesstaatlicher Theorien in der Antike überwiegenden Stimmen der Skeptiker, so gibt Hans Beck zu verstehen, kann das Buch weniger entgegensetzen, als es zunächst den Anschein hat. Anlass zu Optimismus scheint der Rezensent zwar zu wittern, wenn der Autor analytisch "Zeugnisse einer föderalen Theorie" in den griechischen Bundesverfassungen ausmacht. Gleichzeitig jedoch will Beck derartige Empirie mit Vorsicht genossen sehen. "Denn bei aller politischen Ratio war den föderalen Vereinigungen in Griechenland bekanntlich nicht sonderlich viel Erfolg beschieden." Dass jene Ansätze antiker bundesstaatlicher Theorie, die der Autor "mit gewohntem philologischem und auch politologischem Scharfsinn" bei Aristoteles und Polybios aufzeigen kann, für Beck nicht weniger als einen "Quantensprung im heutigen Verständnis antiker Bundesstaatlichkeit" darstellen, kann am Ende nicht darüber hinwegtäuschen, dass zwischen politischer Theorie und Praxis (auch hier) "ein seltsames Ungleichgewicht" besteht, und "auch bei Lehmann die Polis und ihre uneingeschränkte Autonomie das letzte Wort haben."

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.11.2001

Letzte Ausfahrt Griechenland
Gustav Adolf Lehmann stellt den antiken Staat auf neue Füße

In den aktuellen Streitfragen nach Demokratiedefizit und "Kompetenz-Kompetenz" in der Europäischen Union dürfte kaum jemand mit Lösungsvorschlägen aus der Antike aufwarten. Und gewiß sieht niemand darin ein ernstes Versäumnis. Um so bemerkenswerter lesen sich die 85 Artikel der berühmten Pressekampagne des "Federalist" aus den Jahren 1787 und 1788. Denn beim Versuch der Legitimierung ihres Verfassungsentwurfes beschworen Hamilton, Madison und Jay den Vorbildcharakter des antiken Griechenland und führten ihren Lesern den Achäischen Bund als Modell republikanischer Freiheit und Gleichheit vor - "die letzte Hoffnung Griechenlands, die letzte Hoffnung antiker Freiheit".

Diese Antikenrezeption war weit mehr als bloße Hommage an das klassische Altertum. Vor allem Hannah Arendt hat gezeigt, daß die politische Theorie des "Federalist" aus der Kenntnis der Antike zentrale Impulse bezog, die eine Abkehr von den traditionellen Bahnen des europäischen Verfassungsdenkens beförderten. Die fundierte und gedanklich kohärente Ausformulierung repräsentativer Theorien geht dabei freilich allein auf das Konto des ,Federalist' und zuvor Montesquieus, nicht auf das der Griechen. So schlagend nämlich die historischen Beispiele für bundesstaatliche Repräsentation und vertikale Gewaltenteilung in der Staatspraxis der Griechen sind, so gering scheint ihr Beitrag auf dem Feld der föderalstaatlichen Theorie zu sein. In den staatstheoretischen Schriften fehlt davon praktisch jede Spur. Selbst der spektakuläre Papyrusfund aus Oxyrhynchos mit der anschaulichen Beschreibung der politischen Architektur des Boiotischen Bundesstaates schafft hier kaum Abhilfe.

In der Altertumswissenschaft und Politologie werden deshalb seit langem Ausprägung und Entwicklungsstand bundesstaatlicher Theorien in der Antike diskutiert. Angesichts der starken Fixierung der griechischen Staatsphilosophie auf die Polis überwiegen die Stimmen der Skeptiker. Der Göttinger Althistoriker Gustav Adolf Lehmann ist hier viel optimistischer. Lehmann, vielfach ausgewiesener Kenner der Materie, sieht zwischen der verfassungspolitischen Realität und den "großen Bewegungen des geistigen Lebens" einen charakteristischen Zusammenhang für die hellenische Welt. Ausgeklügelte Repräsentativsysteme wie in Boiotien oder Arkadien sind für ihn Zeugnisse einer föderalen Theorie. Dieser Umweg über die Empirie ist zunächst legitim. Tatsächlich kann Lehmann in seinen Analysen einzelner Bundesverfassungen vielfach politische Instrumente aufzeigen, die ein solches theoretisches Reflexionsniveau nicht nur wahrscheinlich machen, sondern zwingend voraussetzen.

Gleichzeitig sollte die Empirie aber zur Vorsicht mahnen. Denn bei aller politischen Ratio war den föderalen Vereinigungen in Griechenland bekanntlich nicht sonderlich viel Erfolg beschieden. Zumeist wurden solche Zusammenschlüsse durch den Partikularismus oder das Machtstreben einzelner Gliedstaaten gesprengt. Auch Lehmann muß dies eingestehen. Bei der boiotischen Bundesverfassung kann daher von einer gelungenen föderalstaatlichen Integration "schwerlich die Rede sein", wie auch der Autor der genannten Hellenika aus Oxyrhynchos von einer theoretisch fundierten Reflexion "weit entfernt" war. Wo lassen sich dann überhaupt Ansätze einer bundesstaatlichen Theorie in der Antike aufzeigen?

Der Titel verrät es. Im Kern bleiben zwei bekannte Passagen bei Aristoteles und Polybios, die Lehmann - mit gewohntem philologischen und auch politologischen Scharfsinn - unter die Lupe nimmt. Im Abschnitt zu Polybios gelangt er dabei zu einer grundlegend neuen Erkenntnis: Offenbar trat Polybios mit seinem Exkurs zur "Super-Polis Achaia" in einen direkten Dialog mit Aristoteles, und dieser Dialog war, so Lehmann weiter, in eine "grundsätzliche Kontroverse über die Klassifikation des hellenischen ethnos-Staates" eingebettet. Dies ist ein Quantensprung im heutigen Verständnis antiker Bundesstaatlichkeit.

Dennoch: Es bleibt ein seltsames Ungleichgewicht zwischen politischer Theorie und Praxis. Selbst im Hellenismus, dem Lehmann für sein positives Gesamtbild zentrale Bedeutung beimißt, ging die große Chance der Bewahrung von Freiheit und Selbstregierung in den Bundesstaaten "ungenutzt" vorüber; durch zwischenstaatliche Integration waren hier kaum Stabilisierungseffekte zu erzielen. Insgesamt sei "die historische Stunde für die Bundesstaaten zu knapp bemessen" gewesen. Ist es daher bloßer Zufall, daß auch bei Lehmann die Polis und ihre uneingeschränkte Autonomie das letzte Wort haben?

HANS BECK

Gustav Adolf Lehmann: "Ansätze zu einer Theorie der griechischen Bundesstaates bei Aristoteles und Polybios". Verlag Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001. 117 S., geb., 68,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr