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Andreas Herzaus neuer Fotoband hat einen doppelten Gegenstand: eine Frau an der Macht und das Verhältnis von Politik und Öffentlichkeit. Es ist gleichermaßen eine Monographie über eine individuelle Person wie über einen politischen Mechanismus, der die Akteure abzuschleifen und austauschbar zu machen droht. Ein Schwerpunkt des Buches liegt dabei auf dem Wahlkampf - jenen drei, vier Monaten, in denen eine Vermischung zweier Sphären stattfindet, die sonst weitgehend getrennt voneinander agieren: Politik und Bevölkerung. Herrscht hier normalerweise Distanz, so erfordert der Wahlkampf…mehr

Produktbeschreibung
Andreas Herzaus neuer Fotoband hat einen doppelten Gegenstand: eine Frau an der Macht und das Verhältnis von Politik und Öffentlichkeit. Es ist gleichermaßen eine Monographie über eine individuelle Person wie über einen politischen Mechanismus, der die Akteure abzuschleifen und austauschbar zu machen droht. Ein Schwerpunkt des Buches liegt dabei auf dem Wahlkampf - jenen drei, vier Monaten, in denen eine Vermischung zweier Sphären stattfindet, die sonst weitgehend getrennt voneinander agieren: Politik und Bevölkerung. Herrscht hier normalerweise Distanz, so erfordert der Wahlkampf vorübergehend Annäherung und Volksnähe. Der direkte Kontakt ist für beide Gruppen ungewohnt, weckt vielfach Projektionen bei den Wählern und manipulative Vorkehrungen bei den Politikern. Angela Merkel nimmt dabei eine Sonderstellung ein. Anders als ihre männlichen Kollegen scheint sie bei öffentlichen Auftritten die gleiche zu sein wie sonst. Imposante Selbstinszenierung ist nicht ihre Sache. Die kühle,strikt kontrollierte Professionalität ihres Auftretens scheint die Medien in ihrer Suche nach Emotionen augenscheinlich zu enttäuschen. Auch wenn täglich Tausende von Aufnahmen von ihr verbreitet werden - wirklich sprechende Fotos gibt es von ihr wenig. Wie aber porträtiert man eine Frau, die eine der einflussreichsten und meist fotografierten Persönlichkeiten der Welt ist? Andreas Herzau begleitet Angela Merkel seit 10 Jahren, zuletzt bei ihrem Wahlkampf 2017. Jede und jeder (er)kennt sie, die Kanzlerin, selbst wenn nur kleine Bildzitate oder Ausschnitte zu sehen sind: Ein Hinterkopf, ein Teil ihrer Silhouette, ein weißer Blazer umringt von schwarzen Sakkos. Herzau macht sich dieses Bilderwissen des Publikums zunutze und bringt dadurch Details und Momente auf überraschende Weise zum Sprechen. Sein Antrieb für die Arbeit war weniger politische Sympathie, als das Interesse, wie man einer Per son gerecht werden kann, die durch ein inflationäres Maß an Bildern täglich aufs neue unkenntlich wird. Er zeigt dabei auch das Theater und die Realitäten des politischen Betriebs, die Einsamkeit, die Abschottung, den Kampf, die Macht und die Verletzungen, die Politik als Beruf mit sich bringt.
Autorenporträt
Herzau, Andreas
Andreas Herzau, geb. 1962, setzt sich als Fotograf, Hochschuldozent und Autor künstlerisch und theoretisch mit Fotografie auseinander. Mit der eigenwilligen, oft überraschenden Bildsprache seiner Aufnahmen durchbricht er Sehgewohnheiten und hinterfragt Wahrnehmungsstereotypen. Seine Fotobücher (zuletzt «HELVETICA», 2017 bei Nimbus) verzichten konsequent auf erzählerische Sequenzen, sondern stellen die unterschiedlichsten Sujets konfrontativ gegeneinander - denn Herzau geht es um die intelligente Frage, nicht um die konventionelle Antwort.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.2018

Bilder einer Kanzlerin

Zu den Sisyphusaufgaben eines Bundeskanzlers gehört es, zu Lebzeiten das Bild bestimmen zu wollen, das sich die Welt von ihm macht - oder von ihr, der Bundeskanzlerin. Was auch immer Angela Merkel dafür tat, es spielt bis heute eine Rolle, dass sie die erste Frau in diesem Amt ist, besser gesagt: nicht ein Mann. Angela Merkel machte zunächst, als sie noch Bundesministerin, dann kurz Generalsekretärin der CDU war, nicht den Eindruck, dass ihr das besonders wichtig war. Denn sie ist (fast) frei von Eitelkeiten, die in der politischen Männerwelt bisweilen groteske, auch tragische, sogar zerstörerische Blüten treiben. Aber sobald Merkel im Kanzleramt angekommen war, änderte sich das: Sie veränderte ihr Äußeres, um allen zu signalisieren, dass sie fortan die völlige Kontrolle über ihre Umgebung, ihre Erscheinung, ihr Tun haben werde - spricht daraus die Souveränität der Macht oder - ob Mann oder Frau - die Angst vor dem Versagen, vor dem Verlust?

Der Hamburger Fotograf Andreas Herzau hat Merkel in dieser Zeit eingefangen, genauer gesagt: in der Zeit, als Merkel im Umgang mit der Öffentlichkeit und dem Bild, das sie dort abgeben wollte, schon recht routiniert umging, in den Jahren nach 2009, also in den Jahren von "Merkel II" und "Merkel III", der schwarz-gelben und ihrer zweiten großen Koalition. Herzaus Bildband zeigt sie nur auf einer Fotografie als die Merkel, die sie "vor ihrer Zeit" einmal war, auf einer Autogrammkarte, die ins Bild gehalten wird und die sie als "Kohls Mädchen" zeigt - gegenüber, auf der rechten Seite, ist sie die Staatsfrau, die demonstriert, dass sie dieses "Mädchen" nur äußerlich, aber vor sich selbst niemals war. Eine geniale Gegenüberstellung: was Merkel aus ihrer Öffentlichkeit macht und wie das Bild aussieht, das sich diese Öffentlichkeit von Merkel macht. Es ähnelt dem ihrer Vorgänger: Je länger im Amt, desto mehr Menschen finden sich, die sie verehren, auch anhimmeln, desto mehr aber auch (davon gibt es in diesem Band allerdings nichts zu sehen), die ihrer überdrüssig sind.

Aber Herzau versteht sein Buch nicht als "Liebeslied" (wie kommt er nur darauf?), sondern als "fotografische Untersuchung" einer Politikerin, die sich dem "medialen Machotum" entzieht. Wenn Merkel etwas gelungen ist, dann die Perfektion eines Regierungsstils, von dem sich nur schwierig ein Bildnis zu machen ist. Schon gar nicht, wenn man glaubt, es reiche dafür ein Bild von ihr. (kum.)

Andreas Herzau: AM. Nimbus. Kunst und Bücher AG, Wädenswil am Zürichsee 2018. 108 S., 32,-

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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