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Viele Wendepunkte der deutschen Zeitgeschichte sind eng mit Johano Strassers Leben verknüpft: Die 68er-Bewegung, die neue Ostpolitik, die Neuorientierung der Linken in der Kohl-Ära, die Frage nach dem linken Humanismus in den Schröder-Jahren. Als mutiger Denker, brillanter Schreiber und überzeugter Humanist verbindet er in seiner Autobiographie politische Analyse mit seiner bewegenden Lebensgeschichte und schildert Begegnungen mit Weggefährten wie Patrick Süskind, Willy Brandt, Günter Grass, Heinrich Böll, die eine ganze Epoche prägten. Die überzeugende Bilanz eines Mannes, der seine Fahne nie nach dem Wind hängte.…mehr

Produktbeschreibung
Viele Wendepunkte der deutschen Zeitgeschichte sind eng mit Johano Strassers Leben verknüpft: Die 68er-Bewegung, die neue Ostpolitik, die Neuorientierung der Linken in der Kohl-Ära, die Frage nach dem linken Humanismus in den Schröder-Jahren. Als mutiger Denker, brillanter Schreiber und überzeugter Humanist verbindet er in seiner Autobiographie politische Analyse mit seiner bewegenden Lebensgeschichte und schildert Begegnungen mit Weggefährten wie Patrick Süskind, Willy Brandt, Günter Grass, Heinrich Böll, die eine ganze Epoche prägten. Die überzeugende Bilanz eines Mannes, der seine Fahne nie nach dem Wind hängte.
Autorenporträt
Johano Strasser, geb. 1939 in Leeuwarden, Niederlande. Schriftsteller, Publizist, Politologe. Studium der Philosophie in Mainz, Promotion. 1970-75 stellvertretender Bundesvorsitzender der Jungsozialisten.1977 Habilitation in Politikwissenschaft. Seit 1982 freier Schriftsteller. Zahlreiche Romane, Lyrikbände, politische Schriften u. a. m. Seit 1995 Generalsekretär des deutschen P.E.N., seit 2002 dessen Präsident.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.05.2007

Origineller Bürgerschreck
Johano Strasser spart auch Selbstkritik nicht aus
Manche Geschichten wird man wohl nie mehr los: Einst hatte ihn die Union im Wahlkampf zum moskauhörigen Revoluzzer gemacht, zum zotteligen „Bürgerschreck”, der mit seinen sozialistischen Spießgesellen die Republik aus den Angeln heben wollte. Der Wahlspot lief nur einmal, doch an Johano Strasser – Philosoph und jungsozialistischer „Chefideologe” der 70er Jahre, Schriftsteller und Präsident des deutschen P.E.N.-Clubs – blieb dieses Etikett lange Jahre kleben.
Ein wenig hatte er selbst auch Anteil daran, war er doch in den politisch aufgewühlten siebziger und frühen achtziger Jahren ein Handlungsreisender in Sachen demokratischer Sozialismus. Ohne Amt und Mandat, aber mit der Kraft des Wortes und der Lust zur Agitation reiste Strasser durch die Republik, erklärte, argumentierte, stritt und warb für die SPD Willy Brandts.
Johano Strasser ist eines dieser eigentümlichen Gewächse des sozialdemokratischen Biotops, die, als „Achtundsechziger” nun in die Jahre gekommen, Bilanz ziehen. Viele, die mit Strasser gemeinsam im Juso-Bundesvorstand saßen, haben es zu höchsten Ministerämtern geschafft. Strasser jedoch, der gebürtige Friese, dessen Eltern Pazifisten und Anhänger der Esperanto-Bewegung waren, entschied sich zuerst für die Universität, schließlich für die Literatur, für seine Arbeit als Schriftsteller und Publizist.
Es ist nicht nur die Geschichte eines linken Intellektuellen, der sich noch zur Sozialdemokratie bekennt, die seine Autobiographie über weite Strecken zu einer spannenden wie vergnüglichen Lektüre macht. Entstanden ist auch eine Art Sittengemälde der westdeutschen Linken, ihrer Irrtümer und Versäumnisse, ihrer Hoffnungen und Träume – Erinnerungen aus einer Welt, in der Heerscharen zu Solidaritätsreisen Richtung Lateinamerika aufbrachen. Strasser erzählt ihre und damit seine Geschichte ohne Häme oder Larmoyanz, dafür mit klarem Urteil und ohne den büßenden Unterton mancher, die dreißig Jahre später halb amüsiert, halb erschrocken in gediegenen Rotweinrunden über ihre politischen Jugendsünden schwadronieren.
Ein origineller Linker ist er geblieben; einer, der trotz seiner Kritik an der „neoliberalen” Schröder-SPD seiner Partei die Treue gehalten hat. „Das Recht und die Würde des Außerökonomischen gegen eine heute mit totalitärem Gestaltungsanspruch auftretende kapitalistische Ökonomie zu verteidigen, ist für mich die wichtige Aufgabe einer humanistischen Linken.” Das ist das politische Credo Strassers; nicht ganz neu, aber gegen den Zeitgeist, der jeden utopischen Gedanken nur noch an der Kassenlage misst. Dabei ist er selbst nie ein verbissener Revolutionär gewesen. Schon in seinen wilderen Jahren hat er trotz mancher jungsozialistischer Phrase nie jene staatsfeindliche Emphase geteilt, von der mancher seiner studentenbewegten Mitstreiter beseelt war. „Links sein”, so seine Botschaft, „war für mich von Anfang an vor allem ein an humanistischen Idealen orientiertes Projekt.”
Doch auch Strasser konnte von beißender Arroganz sein. Es war 1967, da besuchte er mal wieder mit anderen Jusos die Versammlung eines SPD-Ortsvereins, um über die Notstandsgesetze zu diskutieren. Es kam zum Streit mit den älteren Genossen, überwiegend Opel-Arbeitern. Der Vorsitzende des Ortsvereins entzog Strasser das Wort, worauf dieser gegen die „faschistoiden Methoden” lospolterte. „Was weißt du schon vom Faschismus”, zischte ihn ein alter Genosse an. Wenige Monate später erfuhr er, wen er da beleidigt hatte: einen sozialdemokratischen Widerstandskämpfer, der von der Gestapo gefoltert und ins Konzentrationslager gesteckt worden war. Es sind diese kleinen, selbstkritischen Geschichten, die Strassers Erinnerungen lesenswert machen. „Parteiintellektueller” muss ein anstrengender Job gewesen sein. Jedenfalls spürt man, wie ihn, den lebensfrohen Optimisten, die Arbeit langsam auffraß. Seine Erinnerungen sparen diese Niederlagen, den Zweifel, nicht aus. Manchmal allerdings wünschte man sich, er hätte das eine oder andere politische Bekenntnis zugunsten seiner erzählerischen Kraft ausgespart. Weniger wäre da manchmal mehr gewesen. Noch im letzten Bundestagswahlkampf war Strasser mit seinem alten Freund Günter Grass auf Wahlkampftour für die SPD. Er selbst war sich nicht sicher, wen man mit solchen Veranstaltungen noch erreichen kann. Aber weitermachen wird er wohl. DIETMAR SÜSS
JOHANO STRASSER: Als wir noch Götter waren im Mai. Erinnerungen. Pendo Verlag, München 2007. 353 Seiten, 19,90 Euro.
Lust zur Agitation, ohne je verbissen zu sein: Johano Strasser. Foto: Jens Knappe
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensent Dietmar Süß schätzt Johano Strasser als eines der "eigentümlichsten Gewächse des sozialdemokratischen Biotops" und hat die Autobiografie des SPD-Intellektuellen offensichtlich mit Vergnügen gelesen. Dabei betont Süß, dass Strasser in seinem Rückblick auf sein politisches Leben nicht an Selbstkritik spart und Niederlagen wie Irrtümer bereitwillig einräumt. Trotzdem war und ist er in den Augen des Rezensenten ein "origineller" Denker, der am Ideal einer "humanistischen Linken" festhalte. Manchmal sind es Süß allerdings zu viele der politischen Bekenntnisse, und er hätte sich gewünscht, dass Strasser mehr seine "erzählerische Kraft" zum Tragen bringe.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.12.2018

Mehr politische Streitschrift als Autobiographie
Die Erinnerungen des linken Querdenkers, Publizisten und Schriftstellers Johano Strasser

Schon viele Politiker schrieben ihre Erinnerungen. Otto von Bismarck etwa ließ seinen Ghostwriter so viele Änderungen einarbeiten, dass das Buch erst nach dem Tod des ersten Reichskanzlers erschien. Albert Speer gelang es mit seinen autobiographischen Schriften, die mit tatkräftiger Unterstützung durch Joachim C. Fest und Rudolf Augstein entstanden, seine Biographie weitgehend neu zu erfinden und vergessen zu machen, dass er während des Zweiten Weltkriegs zu den mächtigsten Führern des nationalsozialistischen Terrorregimes zählte und selbst wesentlich an dessen Verbrechen beteiligt war. Helmut Kohl, um einen dritten deutschen Politiker zu nennen, ließ seine Erinnerungen von einem Journalisten zu Papier bringen, bevor sich beide beim Erarbeiten des letzten Bandes entzweiten und sich öffentlich und juristisch bekriegten. So wenig vergleichbar die drei genannten Politiker mit Blick auf ihre politischen Überzeugungen und ihr Wirken und dessen Folgen sind, so weisen doch ihre Erinnerungen zwei Gemeinsamkeiten auf. Zum einen entstanden sie in Zusammenarbeit mit Vertrauten oder wurden gar ganz von diesen verfasst. Zum anderen zielten die jeweiligen Memoiren darauf ab, die Person des (vermeintlichen) Autors in die Zeitläufe einzuordnen und das eigene Wirken so in das öffentliche Erinnern einzuschreiben, wie der Autor selbst gesehen werden wollte.

Von Letzterem ist bei der hier zu besprechenden Autobiographie des SPD-Politikers, Publizisten und Schriftstellers Johano Strasser wenig zu spüren. Der langjährige Juso-Spitzenfunktionär und spätere Vorsitzende von PEN Deutschland nutzt seine 2007 erstmals veröffentlichten und jetzt stark erweiterten Erinnerungen vor allem, um für seine heutigen politischen Überzeugungen zu werben, die der undogmatische linke Denker als linken Humanismus bezeichnet. Dabei setzt sich Strasser, Philosoph und Politologe, scharfsinniger Denker, versierter Schriftsteller und Publizist, offen mit Besonderheiten und Grenzen von autobiographischen Schriften und der Gefahr der retrospektiven Konstruktion einer gradlinigen biographischen Entwicklung auseinander. Immer wieder verweist Strasser auf seine Vergesslichkeit, entfaltet dann jedoch einzelne Erlebnisse geradezu mit schriftstellerischen Mitteln und bettet sie umgehend ein in eine analytisch scharfe Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, um eine Brücke zu seinen Gegenwartsdiagnosen zu schlagen, wobei er auch selbstkritische Töne anklingen lässt.

Biographisch fortschreitend spannt Strasser den Bogen von seiner Kindheit bis zur Gegenwart. 1939 in Leeuwarden geboren, wuchs Strasser zunächst in den Niederlanden auf. Sein Vater war Österreicher, seine Mutter hatte holländische und französische Vorfahren. Beide waren überzeugte Pazifisten und Esperanto-Anhänger, weswegen sie ihren Kindern auch Vornamen in dieser Plansprache gaben. Nach dem Zweiten Weltkrieg befand sich die Familie Strasser im nördlichen Niedersachsen. Eine Ausbildung zum Dolmetscher führte Strasser in die Pfalz nach Germersheim. Dort begann Strasser, sich neue Horizonte zu eröffnen. Er selbst betitelt das entsprechende Kapitel seiner Autobiographie mit "Provinzler und Kosmopolit". Nach erfolgreichem Abschluss arbeitete Strasser eineinhalb Jahre als Übersetzer bei den Kölner Ford-Werken, bevor er ab dem Sommersemester 1963 Philosophie an der Mainzer Universität studierte. Als Ausgleich zu Arbeit und Studium diente ihm die Leichtathletik, die ihn bei zahlreichen Wettkämpfen bis ins Ausland führte. Sportfunktionäre der Universität Mainz bedrängten Strasser, der die österreichische Staatsangehörigkeit besaß, erfolgreich, deutscher Staatsbürger zu werden, um für die Universität Mainz bei den deutschen Leichtathletik-Meisterschaften antreten zu können. Während der Arbeit an seiner Promotion in Philosophie gab Strasser, inzwischen verheiratet und Vater einer Tochter, Kurse in Leichtathletik und an der Volkshochschule, während seine (erste) Frau die finanzielle Grundsicherung der Familie übernahm. Strasser spricht im Rückblick von einer Art "Doppelexistenz" als deutscher "Kleinfamilie mit allen üblichen Zwängen und unvermeidlichen Spießigkeiten" und zugleich einem bohemehaften, provokativ antibürgerlichen Studentenleben, das sich einfügte in die kulturellen und gesellschaftlichen Umbrüche der sechziger Jahre. Seine weitere Politisierung, seinen Weg zu einem führenden Juso-Politiker und sein wissenschaftliches Wirken, das ihn immer stärker in Richtung Politikwissenschaft führte, beschreibt Strasser in prägnanten Miniaturen. Mit der Übernahme der Redaktion der politisch-literarischen Zeitschrift L'80 1980, die er zusammen mit Heinrich Böll, Günter Grass und Carola Stern bis 1988 herausgab, begann ein neuer Lebensabschnitt Strassers. Öffentliche politische Interventionen von links, Mitarbeit in der Grundwertekommission der SPD und vielfältige Kontakte zu Bürgerrechtlern in der DDR, aber auch die Beteiligung an Gesprächen zwischen SPD und SED begleiteten Strassers schriftstellerisches Wirken in den achtziger Jahren. 1995 wurde Strasser zum Generalsekretär des westdeutschen PEN gewählt, gestaltete die Bildung eines gesamtdeutschen PEN mit und war von 2002 bis 2013 Generalsekretär des PEN-Zentrums Deutschland. Als Publizist und undogmatischer linker Querdenker intervenierte er parallel dazu immer wieder öffentlich, mal bei Wahlkampfauftritten mit Günter Grass, mal als kritischer Mahner, der Solidarität, soziale Gerechtigkeit und Menschenwürde einforderte, orthodoxe marxistische Linke wie Neoliberale angriff und für seine Auffassung von einem linken Humanismus warb.

Leider übergeht Strasser allzu viele Erlebnisse und Stationen seines vielfältigen Wirkens, um sich im Verlauf des Buches in immer länger werdenden Passagen mit zentralen gegenwärtigen Problemen auseinanderzusetzen und seine politischen Gegenentwürfe aufzureihen. So nachdenkenswert viele seiner Denkanstöße auch sind, so lassen sie doch das Buch zwischen Autobiographie und politischer Streitschrift changieren, ohne dass es dem einen oder anderen voll gerecht wird. Die sehr lesenswerten autobiographischen Miniaturen innerhalb des Buches machen aber sehr deutlich, dass es sich für künftige Zeithistoriker sehr lohnen würde, die Biographie Johano Strassers in ihren vielfältigen Verflechtungen mit der deutschen Geschichte nach 1945 wissenschaftlich aufzuarbeiten. Strassers Autobiographie nimmt einem solchen Projekt nicht zu viel voraus.

CHRISTOPHER DOWE.

Johano Strasser: Als wir noch Götter waren im Mai. Ein deutsches Leben.

Europa Verlag, Hamburg 2018. 464 S., 22,90 [Euro].

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