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Übersetzt, aus den Archiven gezogen und gesammelt: Erinnerungen an Kafka, von Freunden, Verwandten und Bekannten. Schulkameraden erinnern sich an den Gymnasiasten, die Haushälterin an den Studenten, Arbeitskollegen an den Beamten. Der Verleger schreibt über seinen Autor, Freunde beschreiben den Freund, Freundinnen den Geliebten.

Produktbeschreibung
Übersetzt, aus den Archiven gezogen und gesammelt: Erinnerungen an Kafka, von Freunden, Verwandten und Bekannten. Schulkameraden erinnern sich an den Gymnasiasten, die Haushälterin an den Studenten, Arbeitskollegen an den Beamten. Der Verleger schreibt über seinen Autor, Freunde beschreiben den Freund, Freundinnen den Geliebten.
Autorenporträt
"Es dürfte im Augenblick keinen Forscher geben, der von Kafkas Vita und seinen Schreibprozessen eine so immense und intime Kenntnis besitzt wie Hans-Gerd Koch."
Hanns Zischler, Frankfurter Allgemeine Zeitung

Hans-Gerd Koch, geboren 1954, ist seit 1981 an der Forschungsstelle Prager Deutsche Literatur an der Bergischen Universität Wuppertal tätig. Im Rahmen der Kritischen Ausgabe der Werke Franz Kafkas ist er Mitherausgeber der Tagebücher sowie der Drucke zu Lebzeiten, bei allen übrigen Bänden wirkte er als Redaktor mit. Außerdem ist Hans-Gerd Koch Herausgeber der neuen Taschenbuch- Edition von Kafkas Werken in der Fassung der Handschrift.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.12.1995

Vergessene Gespräche
Persönliche Erinnerungen an Franz Kafka / Von Peter Pfaff

Wagner mit der Samtkappe, das Monokel Prousts, die Vogel-Augen Becketts und Kafkas von weit her kommender, nachdenklicher Blick wurden fast Ikonen, und nun erwecken diese Bilder Neugier, ob etwas Besonderes, womöglich Wunderbares an den Menschen zu finden sei. Diesem Verlangen nach Kafka kommt der Verlag Klaus Wagenbach nach.

Der Verleger selbst ist Kenner. In den fünfziger Jahren hatte er die erste Kafka-Biographie geschrieben. Er blieb seinem Gegenstand treu. Später gab er Erzählungen in Liebhaber-Drucken und Bildbände über Kafkas Leben und über Prag heraus. Jetzt ließ er Hans-Gerd Koch, Redakteur und Mitherausgeber der Kritischen Ausgabe von Kafkas Werken, sammeln, an was sich Mitschüler, Freunde, Kollegen im bürgerlichen Beruf, Hausangestellte und Zufallsbekannte erinnern. Nur die Familie blieb bis auf eine Nichte stumm. Drei Schwestern wurden in deutschen Lagern ermordet.

Koch ordnet die knapp vierzig Zeugnisse aus Memoiren, Zeitschriften und Zeitungen in der Folge von Kafkas Leben an. Der Verlag gab Faksimiles und zweitönige Fotos dazu. So wurde das schön ausgestattete Buch ein Geschenk für die, die durch die Zeilen des rätselhaften Werks in das Gesicht des Autors sehen wollen. Kafkas Biographen haben indessen die meisten Mitteilungen bereits genutzt. Man weiß längst: Der Schüler tat lustlos das vom Gymnasium Geforderte; unter seinen jüdischen Freunden trug er damals lieber die rote Nelke der Sozialisten als ein zionistisches Emblem. Dem Jura-Studium wich er zuweilen in Vorlesungen des Germanisten August Sauer aus. Lieber als in Hörsälen saß er an seinem Schreibtisch und schrieb Eigenes. In der Arbeiter-Unfallversicherungsanstalt, in welcher der Doctor iuris als Gutachter in Sicherheitsfragen untergekommen war, arbeitete er so ungern wie ordentlich. Im Café folgte er den Debatten anderer zumeist schweigend. Das jiddische Theater, das 1911 nach Prag kam, hatte ihn bewegt, und was in der Zeitschrift "Selbstwehr" zur Behauptung einer jüdischen Kultur - sei es in Europa oder auf dem Boden des alten Israel - vorgebracht wurde, bedachte er stumm.

Zu Zeiten besuchte er verbotene anarchistische Vorträge, wurde einmal festgenommen, bezahlte eine Geldstrafe. Beim Kriegsausbruch, als Österreich einen kaiserlich-königlichen Taumel inszenierte, soll er mit der Menge fuchtelnd durch Prager Straßen gelaufen sein. Doch hauptsächlich schrieb er im August 1914 am "Process". Ab 1918 lernte er Hebräisch, sprach davon, nach Palästina auszuwandern. Doch er war lungenkrank, wäre der Kolonistenarbeit nicht gewachsen gewesen und hätte sich außerhalb der Intelligenz der Diaspora noch einsamer gefühlt als in Prag. Oft war er jetzt in Bädern und Kurheimen. Menschen fanden sich, die der in sich gekehrte Gast begeisterte. Dora Diamant gewann er so als Gefährtin der letzten Jahre. Sie war bei ihm, als er im Juni 1924, einundvierzigjährig, starb. Er, der so oft vom Sterben, gar von der Pflicht zum Freitode geschrieben hatte, starb ungern, aber fast klaglos.

Die Intellektuellen wie Hugo Bergmann, Felix Weltsch, Emil Utitz, Oskar Baum, Willy Haas und Kurt Wolff, der Rowohlts Lektor war und Kafkas Verleger wurde, suchen den Mann und seine Literatur zu verstehen. Keiner habe besser als Kafka das Problem der Epoche erfaßt; doch das Problem und Kafkas Version erörtern sie nicht. Andere nehmen ihn für das Judentum in Anspruch; aber sie unterscheiden nicht zwischen "Gesetz", Geschichte und Lebensform des Volkes. Kafka verschwieg allen, was er dachte. Sie bezeugen, wie er groß und schlank, aus Höflichkeit immer sorgfältig bürgerlich gekleidet, gewinnend lächelnd an ihnen teilnahm und sich verschloß. Nur Gustav Janouch berichtet von einer persönlichen "Aussprache". Indessen ist Janouchs Erinnerung so wenig verläßlich, wie es seine "Gespräche mit Kafka" sind, welche die Forschung als begabte Erfindung beargwöhnt. Also gilt ein wenig für den ganzen Band, was ein Schweizer Zeitungsmann über die Begegnung einer Dame berichtet: "Des weiteren erinnerte sich Frau Beck an gemeinsame Waldspaziergänge mit dem Dichter, nicht aber an die dabei geführten Gespräche."

Den Rang von Kafkas Literatur hat der Prager Kreis erkannt. Die Genauigkeit der Prosa, die sorgfältige Kadenzierung von Satz und Absatz und die leise Nachdenklichkeit der immer vernehmlichen Sprechstimme zog in Bann. Nicht nur Kurt Wolff empfand Kafkas Erzählen als Insel der Stille im damals aufbrandenden expressionistischen Sprachlärm. Manchmal fiel die lautstarke Umgebung Kafka auf die Nerven. Der Friedliche, der sonst zu den törichsten Erstlingsgedichten anderer nur Ermunterndes sagte, wurde scharf. Franz Werfel lief nach einer Vorlesung von Eigenem in Tränen aus Kafkas Zimmer. Was Kafka ihm antat, weiß Dora Diamant nicht zu berichten. Es dürfte dem Urteil über eine Novelle Brods entsprochen haben: "Wenn man nicht nötig hat, durch Stileinfälle vom Geschehen abzulenken, ist die Verlockung hiezu am stärksten."

Kafkas Ruhm war auf den Kreis der Freunde begrenzt. Von elf abgesetzten Exemplaren des "Landarzt"-Bandes hatte der Autor zehn erworben und wollte den einzigen Käufer ermitteln. Seine stärkste Wirkung erzielte er, als bei einer öffentlichen Lesung das grausige Hinrichtungsritual der "Strafkolonie" zwei oder drei Damen in Ohnmacht stürzte.

Nicht aus diesen Gründen ordnete Kafka die Vernichtung des handschriftlichen Nachlasses an. Er meinte, nicht erreicht zu haben, wofür er schreibend gelebt habe. Brod ignorierte den Wunsch. Dora Diamant war gehorsamer und verbrannte einige Manuskripte in Kafkas Auftrag zu seinen Lebzeiten. Sie aber weiß von einem weiteren Verlust: Einmal tröstete Kafka ein weinendes Kind. Eine Puppe war abhanden gekommen. Nun erfand er Briefe, in denen die Vermißte - Tag um Tag - erzählt, wie sie in die Welt aufbrach, sich in der Ferne verliebt, heiratet und glücklich lebt.

Man tauschte, wenn auch ungern, ein erhaltenes Stück Literatur gegen diese rührende Geschichte - die einzige auch, über die wahrscheinlich seine Interpreten nicht zu streiten brauchten.

"Als Kafka mir entgegenkam . . .". Erinnerungen an Franz Kafka. Herausgegeben von Hans-Gerd Koch. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 1995. 206 S., Abb., geb., 39,80 DM.

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 18.10.2005

Der Fremde hat Recht
„Als Franz Kafka mir entgegenkam. . .”: Das Buch mit Erinnerungen an den Prager Autor in einer Neuausgabe
Franz Kafka, so könnte man sagen, war gar nicht kafkaesk. Seine Augen funkelten oft schelmisch, er war stets adrett gekleidet, und wenn er seine eigenen Sachen vorlas, musste er selbst dabei oft herzlich lachen. So erzählen seine Zeitgenossen - meist nachträglich und nicht immer ohne Verdutztheit, dass der, dem sie vor langer Zeit begegnet, nun eine Weltberühmtheit ist. Der Erinnerungsband „Als Franz Kafka mir entgegenkam. . .” berichtet davon, der jetzt in einer Neuausgabe, um sieben weitere Dokumente erweitert, erschienen ist. Natürlich bietet die nachträgliche Erinnerung auch eine hervorragende Gelegenheit, sich selbst als scharfsinnigen Hermeneuten ins rechte Licht zu rücken und zugleich für die eigene Kafka-Deutung sich den Segen des Meisters zu holen. So erinnert sich der Schweizer Schriftsteller Fred Bérence, wie er mit Kafka in einer größeren Runde beisammen saß, seine Bewunderung für den „Heizer” bekannte und sich erkundigte, ob es sich dabei um ein Fragment handle. Da sei ihm eine auftrumpfende Dame dazwischen gefahren: Wie er denn nicht sehen könne, dass diese Erzählung Anfang und Ende habe und in sich meisterlich geschlossen sei! Und dann habe sie zu Kafka geschaut, auf dessen Zustimmung setzend. Der aber, wie Bérenice voll Befriedigung und Selbstbestätigung noch fast drei Jahrzehnte später notiert, „antwortete in wenig freundlichem Ton: ,Der Fremde hat recht!‘”
ijo
Hans-Gerd Koch (Hg.)
„Als Kafka mir entgegenkam”
Erweiterte Neuausgabe. Wagenbach Verlag, Berlin 2005. 254 S., 12,90 Euro.
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