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Produktdetails
  • Verlag: Babenberg
  • Seitenzahl: 224
  • Deutsch
  • Abmessung: 210mm
  • Gewicht: 585g
  • ISBN-13: 9783933469120
  • ISBN-10: 3933469120
  • Artikelnr.: 12319681
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.05.2001

Die Datierung des Zeitlosen
Einzigartig: Dürers druckgraphisches Werk in chronologischer Ordnung · Von Bettina Erche

Als Joseph Meder 1932 sein berühmtes "Handbuch über Albrecht Dürers Stiche, Radierungen, Holzschnitte, deren Zustände, Ausgaben und Wasserzeichen" veröffentlichte, war er keineswegs ein Pionier. Doch neben seinem Buch können alle früheren Versuche, Dürers graphisches Werk zu fassen, nicht bestehen. Schon der Nürnberger Julius Ayrer (1555 bis 1612), dessen Vater eine umfangreiche Dürer-Sammlung besaß, hatte ein Register der Druckgraphik erstellt, das sich in einer späteren Abschrift erhalten hat. Im neunzehnten Jahrhundert schrieben Adam von Bartsch, Josef Heller und Johann David Passavant ihre OEuvrekataloge. Denn schließlich war Dürer niemals Moden unterworfen, sein Genie hat jede Generation fasziniert.

Um den Wunsch nach Dürer-Graphik zu befriedigen, wurden die Kupferplatten und Holzstöcke bis zur Vernichtung ausgenutzt. Nur zwei Platten haben überdauert, wenn auch überarbeitet. Dürer wurde kopiert und gefälscht. Sein Name sollte gar zum Sammelbegriff für alles Deutsche und Niederländische werden. Noch im Dürerjahr 1928 wurden irrigerweise ganze Konvolute, die zuvor keinem Meister zugewiesen werden konnten, in Dürers OEuvre eingereiht, darunter sämtliche Blätter des sogenannten "Benediktmeisters". Während seiner Recherchen traf Joseph Meder nicht nur im Vatikan auf Arbeiten Schongauers, Lucas van Leidens und der Monogrammisten "IS" und "IB mit dem Vögelchen", die alle das Etikett "Dürer" trugen.

Meder präparierte die authentischen Blätter aus den zahllosen Fehlzuschreibungen heraus und beschrieb die Abzüge bis ins Detail. Nur wenige Proben sind von Dürer erhalten, ebenso wenige Zustandsdrucke sind bekannt. Dürer scheint sie vernichtet zu haben. Nur das, was ihm perfekt erschien, erblickte das Licht der Öffentlichkeit. Meder konzentrierte sich deshalb auf die Druckqualität, die mit jedem Abzug abnimmt. Kratzer und Fehlstellen treten auf. Das nachträgliche Aufstechen und Aufätzen der Platten gar, um erneut Schwärze zu gewinnen, verunklärte endgültig Dürers ursprüngliche Intention. Meders Verfahren setzte ein unbestechliches Auge und ein geradezu phänomenales Bildgedächtnis voraus. Sein Dürer-Katalog sollte die unangefochtene Grundlage für die Kunstgeschichte bleiben. Sie hat indessen eine Fülle von Literatur hervorgebracht, gerade im Dürer-Jahr 1971. Ihr Augenmerk galt auch der Chronologie der Blätter, die Dürer insbesondere in den ersten Jahren nicht datierte. Die Ergebnisse der letzten Jahrzehnte haben das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg bewogen, einen neuen Katalog der Druckgraphik Dürers herauszugeben. Der erste Band - zwei weitere zu den Holzschnitten und Buchillustrationen sollen folgen - behandelt die Kupferstiche, Eisenradierungen und Kaltnadelblätter.

Anstelle einer Gruppierung nach Themen, zu der Meder mangels genauer Datierungen gezwungen war, tritt die Chronologie. Der Katalog setzt mit Dürers Erstlingswerk ein, dem Kupferstich "Der Gewalttätige", entstanden um 1495. Der Liebhaber, der sich beim Stelldichein als Tod entpuppt, reißt die entsetzt zurückweichende junge Frau am Rock. Ihre Haube deutet an, daß sie verheiratet ist. Das Thema "Liebe und Tod", die Mischung aus Frivolität und Moral, aber auch die graphische Struktur zeigen Dürer noch als Stecher des 15. Jahrhunderts.

Wie schnell er jedoch die Fesseln der Tradition sprengte, wie er zu eigenen ungewohnten Kompositionen fand, immer wieder neue Techniken und Strichfigurationen erprobte, macht der Katalog auf bisher einzigartige Weise deutlich. Fotos von höchster Qualität erschließen Dürers graphischen Kosmos. Ausführliche Texte begleiten erstmals die Abbildungen. Sie teilen den neuesten Forschungsstand mit und erschließen die gesamte Literatur zu Dürers graphischem OEuvre. Doch ohne Meders Auflistung der Druckzustände wäre das engagierte Werk unvollständig. Die Autoren machen daraus keinen Hehl. Der Betrachtung jeder Druckgraphik ist Meders Liste vorangestellt, ergänzt durch den Aufbewahrungsort vieler Blätter. Dafür wurden die Bestände von sechzehn namhaften graphischen Sammlungen sowie zahlreiche Bestandskataloge ausgewertet.

Aber es fällt auch ein Schatten auf den Katalog, der das Prädikat eines wissenschaftlichen Handbuchs verdient. Paradoxerweise ist es seine Stärke, die zugleich seine Schwäche ist: Als Abbildungsvorlagen wurden fast ausschließlich Blätter der Sammlung Otto Schäfer ausgewählt, die dem Germanischen Nationalmuseum kostenlos zur Verfügung standen. Die Sammlung des Schweinfurter Industriellen ist unzweifelhaft weltweit eine der führenden. Nur wenige Museen können mit ihr konkurrieren. Für den Anspruch eines wissenschaftlichen Werks jedoch hätte man sich mehr Objektivität gewünscht.

Bei manchen Abzügen ist es bedauerlich, daß nicht das qualitätvollere Exemplar aus einer anderen Sammlung herangezogen wurde. Bei anderen wiederum vermißt man den Vergleich mit einem späteren Druck wie bei "Adam und Eva", dem berühmten Stich von 1504. Schäfer besitzt den Abzug mit der falschen Jahreszahl 1204, den Meder Anfang der zwanziger Jahre in Wien entdeckte. Die Bedeutung des Unikats ist unbestritten. Doch seine Einzigartigkeit erschließt sich erst beim näheren Studium der Abzüge von der korrigierten Platte. Den zarten, fast transluziden Ton verwandelte Dürer in metallische Schwärze.

"Albrecht Dürer. Das druckgraphische Werk". Band 1: Kupferstiche, Eisenradierungen und Kaltnadelblätter. Bearbeitet von Rainer Schoch, Matthias Mende und Anna Scherbaum. Prestel Verlag München, London, New York 2001. Band 2: Holzschnitte und Band 3: Buchillustrationen sollen im Februar und September 2002 erscheinen. Subskriptionspreis bei Abnahme aller drei Bände je 198,- DM, Einzelbezug je Band 248,- DM.

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