Produktdetails
  • Verlag: Münster : Unrast
  • ISBN-13: 9783897714076
  • ISBN-10: 3897714078
  • Artikelnr.: 09856228
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.07.2002

Weiß und Schwarz
Afrikaner in Deutschland: Die Klischees sind grob gerastert
SUSAN ARNDT u.a. (Hrsg.): AfrikaBilder – Studien zu Rassismus in Deutschland”, Unrast Verlag, Münster 2001. 463 Seiten, 21 Euro.
„Der Täter ist circa 1,85 groß, 20 bis 30 Jahre alt, weiß.” Schon hier wird klar, dass es sich um eine fiktive Fahndungsmeldung handelt, denn in Deutschland wird weiße Hautfarbe bei der Verbrecherjagd nicht erwähnt. Sie gilt, ungeachtet von Millionen in Deutschland lebender Immigranten, immer noch als die Regel, und nur Abweichungen von dieser vermeintlichen Regel werden benannt („südländischer Typ”, „Afrikaner”).
Weil aber Weiß-Sein als das Normale gilt, „verwandelt es sich unter der Hand unbemerkt zu einem neutralen Referenzort, von dem aus nicht mehr eine weiße Person spricht, fühlt und denkt, sondern der Mensch schlechthin”, schreibt die Psychologin Ursula Wachendorfer in ihrer scharfen Analyse über das Weiß-Sein in Deutschland in dem Sammelband „AfrikaBilder – Studien zu Rassismus in Deutschland”. „Die Weißen genießen das Privileg, dazuzugehören”, folgert sie. Ihre Themen würden verhandelt, in Konkurrenzsituationen verschaffe ihnen ihre Hautfarbe Vorteile, ohne dass darüber gesprochen werde, von ihrer Position aus werde der Rest der Welt in Augenschein genommen und gewertet. Proteste gegen rassistische Mechanismen gelten dennoch in Deutschland nach wie vor als Demonstrationen pedantischer Gutmenschen, die mit nerviger political correctness anderen die Stimmung verderben.
AfrikaBilder stellt in mehr als 20 Beiträgen überzeugend dar, wie Rassismus entsteht und wirkt. Die Mehrzahl der Texte widmet sich nicht dem schon häufiger verhandelten, dumpfbackigen Rassenhass, sondern dem unbewussten, unbedachten Rassismus. „Man muss kein Rassist sein, um rassistische Stereotypen zu benutzen oder sich rassistisch zu verhalten”, schreibt Ralf Koch in seinem Beitrag über Rassismus in den Medien – und erzählt die Geschichte einer deutschen Fernsehredakteurin, die händeringend eine türkische Familie für eine Reportage über die doppelte Staatsbürgerschaft suchte und entsetzt war, als ein türkischer Journalist einen Beitrag ablieferte, der zwar die Stimmung in der türkischen Gemeinde treffend wiedergab, aber leider ihren Erwartungen bezüglich der Inhalte widersprach.
Von solcher Art unbewusst-selbstgerechter Farbenblindheit ist auch Afrikas Präsentation in Ethnologischen Museen geprägt. Europäische Afrikareisende sammelten Objekte, die in der Regel gut erreichbar, sozusagen am Wegesrand oder auf Missionsstationen erhältlich waren, schreibt die Völkerkundlerin Paola Ivanov, und die ihren Vorstellungen vom „traditionellen Afrika” entsprachen. Damit schufen sie die Fiktion eines ahistorischen, unveränderlichen Kontinents.
Die Schöpfer der Werke galten, anders als ihre europäischen Kollegen, zwar als begabte Handwerker, aber eine künstlerische Individualität und die Nennung ihres Namens wird ihnen nicht zugestanden. Die Museumsleute ordneten die Objekte seit jeher, indem sie sie unterschiedlichen Stämmen zuwiesen. Diese aber waren „Schöpfungen der Kolonialverwaltungen, die einfache Klassifikationskriterien brauchten, um die Bevölkerung zu unterteilen, zu besteuern und in die Arbeit der Kolonien einzubeziehen”. Die Sammlungen der Ethnologischen Museen geben demnach vor allem Auskunft über die Vorstellungen der Sammler und Museumsleute von Afrika und nicht so sehr über die Kunst und Kultur des Erdteils.
Kein Platz für Außenseiter
Die Projektionen des deutschen Publikums bestimmen, folgt man dem Band AfrikaBilder, auch die Rezeption afrikanischer Literatur. Weil Autoren wie Albert Schweitzer („Zwischen Wasser und Urwald”) und Hans Grimm („Volk ohne Raum”) sowie moderne Autorinnen wie Corinne Hofmann („Die weiße Massai”) Afrika literarisch besetzen, so die These von János Riesz, bleibe für afrikanische Autorinnen und Autoren kein Platz mehr
auf dem deutschen Büchermarkt.
An dieser Stelle sei eine Kritik an dem informativen, im besten Sinne aufklärerischen und gleichzeitig gut zu lesenden Werk angebracht: Positive Veränderungen werden zu wenig beachtet, wie sich am Beispiel afrikanischer Literatur zeigen lässt. Sie hat sich in den letzten Jahren einen festen Platz in der internationalen Literaturszene erobert. Zwar sind Romane afrikanischer Autorinnen und Autoren bisher nicht zu Bestsellern avanciert, aber das gilt für südosteuropäische oder chinesische Literatur ebenso. Wer aber Veränderungen in Nuancen nicht der Erwähnung für wert findet, setzt sich leicht dem Verdacht aus, selber allzu grob gerasterte Klischees statt hoch auflösende Abbildungen zu liefern.
GABY MAYR
Die Rezensentin ist Journalistin
in Bremen.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Unsere Wahrnehmung und unsere Bilder von anderen Kontinenten und Völkern sind nach wie vor stark eurozentristisch geprägt, meint Gaby Mayr. Deutlich werde das beispielsweise bei Täterbeschreibungen der Polizei, in denen die weiße Hautfarbe als normal gelte, während alle anderen verbal kenntlich gemacht würden. Oder in der Kunst, wo Afrikanern meistens zwar "gutes Handwerk", aber keine künstlerische Individualität bescheinigt wird, oder in der Literatur über Afrika, die von Weißen besetzt sei, berichtet die Rezensentin über den Sammelband von Susan Arndt und anderen. In mehr als 20 Beiträgen gingen die Autorinnen und Autoren den vielfältigen und doch einseitigen "Afrika-Bildern" nach. Und das tun sie, lobt Mayr, "informativ" und "im besten Sinne aufklärerisch". Doch eine Kritik muss Mayr am Ende doch noch loswerden. Geschildert werde viel Negatives, dabei würden positive Entwicklungen beim Abbau von Stereotypen unterschlagen. Schließlich hat beispielsweise die afrikanische Literatur inzwischen einen festen Platz im Literaturbetrieb, findet Mayr. Kleine Fortschritte nicht zu würdigen, lässt den Verdacht aufkommen, dass es Klischees nicht nur auf der einen Seite gebe, denkt die Rezensentin.

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