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Wie demokratisch war Konrad Adenauer?
Konrad Adenauer prägte als Gründungskanzler und hochverehrter Staatsmann eine ganze Epoche. Zur eigenen Machtsicherung hebelte der CDU-Chef dabei allerdings die von ihm selbst mitgestalteten demokratischen Spielregeln des Grundgesetzes aus: Über Jahre hinweg profitierte er heimlich von der gesetzwidrigen Ausforschung der SPD-Führung durch den Auslandsnachrichtendienst, die sein Kanzleramtschef Hans Globke und der BND-Präsident Reinhard Gehlen eingefädelt hatten. Der angesehene Historiker Klaus-Dietmar Henke beschreibt dieses größte Demokratieverbrechen…mehr

Produktbeschreibung
Wie demokratisch war Konrad Adenauer?

Konrad Adenauer prägte als Gründungskanzler und hochverehrter Staatsmann eine ganze Epoche. Zur eigenen Machtsicherung hebelte der CDU-Chef dabei allerdings die von ihm selbst mitgestalteten demokratischen Spielregeln des Grundgesetzes aus: Über Jahre hinweg profitierte er heimlich von der gesetzwidrigen Ausforschung der SPD-Führung durch den Auslandsnachrichtendienst, die sein Kanzleramtschef Hans Globke und der BND-Präsident Reinhard Gehlen eingefädelt hatten.
Der angesehene Historiker Klaus-Dietmar Henke beschreibt dieses größte Demokratieverbrechen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage erstmals ausgewerteter Unterlagen des BND sowie Hunderter Geheimberichte in den Archiven der CDU - ein zeithistorischer Politkrimi ersten Ranges.

»Vor allem wird sich das schöne Bild, das sich die Nachwelt vom Gründungskanzler Konrad Adenauer macht, heftig verfärben.« Willi Winkler, Süddeutsche Zeitung
Autorenporträt
Klaus-Dietmar Henke, Jahrgang 1947, Zeithistoriker; 1979-1992 wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Zeitgeschichte München, ab 1986 stv. Chefredakteur der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte; 1992-1996 Abteilungsleiter Bildung und Forschung der Gauck-Behörde in Berlin; 1997-2012 Univ.-Prof. für Zeitgeschichte in Dresden, bis 2002 zugleich Direktor des Hannah-Arendt-Institus für Totalitarismusforschung; 2007-2021 Beiratsvorsitzender der Stiftung Berliner Mauer; 2011-2022 Sprecher der Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des BND 1945-1968; zahlreiche Publikationen zur deutschen Geschichte im 20. Jahrhundert.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensents Peter Sturm beschränkt sich in seiner Besprechung des Buchs Klaus-Dietmar Henkes weitgehend auf eine Rekonstruktion des Spionagefalls, dem dieses gewidmet ist. Konrad Adenauer hatte in den Fünfzigerjahren, erfahren wir, mithilfe des ehrgeizigen Staatssekretärs Hans Globke sowie zweier SPD-Mitarbeiter die SPD ausspionieren lassen, um sich politische Vorteile zu verschaffen. Nachvollziehbar findet Sturm Henkes Einordnung dieses Vorfalls als "Demokratieverbrechen", wobei er darauf verweist, dass Adenauers Politik populär war, weshalb die Spitzelei vermutlich keinen großen Unterschied im historischen Verlauf gemacht hat. Ein wichtiges Buch hat Henke vor allem insofern geschrieben, heißt es weiter, als es Aufschlüsse über die Mentalität der Gesellschaft in den Fünfzigern gibt. Tatsächlich wäre die Spionage möglicherweise gar nicht groß skandalisiert worden, wäre sie damals aufgeflogen, spekuliert Sturm im Anschluss an Henke.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.10.2023

Attacke auf
die Bonner Baracke
Jahrelang ließ der Kanzler die SPD ausforschen –
Für den Historiker Klaus-Dietmar Henke war das
„Adenauers Watergate“. Doch der Vergleich hinkt
VON CONSTANTIN GOSCHLER
Im Jahr 1972 entdeckte ein aufmerksamer Wachmann den Einbruch einer Gruppe von Männern im Watergate-Hotel in Washington, D.C. Es stellte sich heraus, dass sie im Auftrag des US-Präsidenten Richard Nixon Abhörmikrofone im Wahlkampf-Hauptquartier der Demokratischen Partei installiert hatten. Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte es da leichter: Von 1953 bis 1962 erhielt er regelmäßig detaillierte Berichte aus dem Vorstand der SPD. Dazu mussten keine Mikrofone installiert werden: Die Informationen stammten von Siegfried Ortloff, dem Personal- und Sicherheitschef beim Parteivorstand der SPD in Bonn. Sein Kontaktmann Siegfried Ziegler übergab diese Berichte dem Chef des bundesdeutschen Auslandsnachrichtendienstes, Reinhard Gehlen, der sie dann bei Adenauers rechter Hand im Kanzleramt, Hans Globke, ablieferte. Dieser legte sie dem Bundeskanzler auf den Schreibtisch, der sie aufmerksam studierte und kommentierte.
Der Historiker Klaus-Dietmar Henke bezeichnet diesen Vorgang als Adenauers Watergate, ja als das „größte Demokratieverbrechen in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“, wobei es sich nicht um eine strafrechtliche, sondern um eine historische und politische Bewertung handelt. Die Motive der Beteiligten werden von Henke intensiv erörtert. Am schwierigsten fällt die Beurteilung des Verrats durch den Informanten Siegfried Ortloff, einen eingefleischten Sozialdemokraten. Das anfängliche Nehmen und Geben von Informationen mit dem BND-Kontaktmann Siegfried Ziegler entwickelte sich schnell und bereitwillig zu einem weitgehend einseitigem Vorgang, wofür als plausibelstes Motiv das Misstrauen Ortloffs gegen die Rolle Herbert Wehners in der SPD aus dem Nebel der Spekulationen herausragt.
Weniger rätselhaft erscheint die Motivation der übrigen Beteiligten: Ziegler konnte mit dem wertvollen Kontakt seine Stellung gegenüber Gehlen stark verbessern, während dieser wiederum gegenüber Globke und Adenauer mit wertvollen Informationen seine durchaus problematische Stellung verbessern konnte. Ging es zunächst darum, die unter amerikanischer Führung stehende Organisation Gehlen in Gestalt des Bundesnachrichtendienstes (BND) der bundesdeutschen Regierung zu unterstellen, konnte Gehlen anschließend den berechtigten Zweifeln an der Leistungsfähigkeit seines Dienstes bei der Auslandsaufklärung etwas entgegensetzen. Dass der bundesdeutsche Auslandsnachrichtendienst seine Energie vorrangig rechtswidrig auf das Ausspähen von politischen Gegnern im Inneren verlegte, ist ein zentraler Punkt Henkes.
Ebenso wenig rätselhaft ist das Interesse Adenauers an den frei Haus ins Kanzleramt gelieferten Berichten aus der Bonner Baracke. Der detaillierte Einblick in die innersten Diskussionen des SPD-Vorstands, die in den Spitzelberichten weit detaillierter dargestellt wurden als in den gleichfalls von Ortloff verfassten offiziellen dürren Ergebnisprotokollen, verschaffte genau das, was das eigentliche Wesen von Geheimdienstinformationen ausmacht: einen Zeitvorsprung, bevor die Informationen allgemein bekannt werden, der es erlaubt, Aktionen zu antizipieren. Die Frage, wie groß der politische Nutzen aus diesen über viele Jahre hinweg regelmäßig eintreffenden Berichten für Adenauer war, ist für Henke nicht entscheidend, zumal es ja auch noch andere, nicht immer geheime Informationsquellen gab. Während der Nutzen bei der Bekämpfung der SPD – in Adenauers Perspektive eher ein politischer Feind als nur ein Gegner – also schwer abzuschätzen ist, liegt ein Vorteil auf der Hand: Innerparteilich konnte Adenauer mit diesen exklusiven Informationen seine Autorität unterstreichen.
Henke interessiert vor allem die Frage, was die langjährige und planmäßige Aushorchung des politischen Gegners für die politische Kultur der Bundesrepublik bedeutete. Das Ergebnis ist eine vernichtende Kritik an Adenauers ambivalentem Verhältnis zu den Spielregeln der parlamentarischen Demokratie. Hierfür spielt gewiss eine Rolle, dass sich Henke in den 1990er-Jahren als Leiter der Forschungsabteilung der Gauck-Behörde mit der Überwachung politischer Gegner in der DDR beschäftigte. Diese Forschungen betonten den Unterschied zwischen Diktatur und Demokratie. Sein Buch über die Ausspähung des politischen Gegners in Adenauers Kanzlerdemokratie fällt nun in eine Zeit, in der dieser kategoriale Unterschied auf beiden Seiten des politischen Spektrums zumindest rhetorisch infrage gestellt wird – und sei es in Gestalt von Bierzeltappellen, sich die Demokratie zurückzuholen. Was bedeuten also die von Henke detailliert dargestellten Bespitzelungsaktionen in dieser Perspektive?
Der Hauptteil seines Buches widmet sich allerdings nicht dieser Frage, sondern bietet gestützt auf die detaillierten Spitzelberichte eine Geschichte der SPD von der Ära des glanzlosen Erich Ollenhauer in den 1950er-Jahren bis zum kometenhaften Aufstieg des neuen Hoffnungsträgers Willy Brandt Anfang der 1960er-Jahre. Gezeigt werden die Auseinandersetzungen, die mit der „Häutung“ der SPD verbunden waren: von einer von Marxismus und Nationalismus gleichermaßen geprägten Arbeiterpartei zu einer Volkspartei, die sich vom Neutralismus zur Westbindung und von der Sozialisierung zur sozial abgefederten Marktwirtschaft bewegte. Und zugleich verschob sich das Machtzentrum in der SPD von den alten Kadern zu den gewählten Abgeordneten.
Ergänzt werden diese ausführlichen Beschreibungen jeweils um die Reaktionen Adenauers. Der Kanzler begleitete die allmähliche Verwandlung der SPD zuerst mit tief verwurzeltem antikommunistischem Misstrauen und später vor allem mit Sorge vor dem möglichen politischen Erfolg dieses Reformprozesses, zumal als mit Willy Brandt ein bald als deutscher Kennedy gefeierter sozialdemokratischer Herausforderer erschien.
War dies also ein deutsches Watergate? In Washington hatten sich amerikanische Journalisten nach der Entdeckung der Abhöraktion auf die Fährte gesetzt und wurden dabei von einem anonymen Whistleblower unterstützt, dessen Identität erst Jahrzehnte später gelüftet wurde: Es handelte sich um den stellvertretenden Direktor des FBI, Mark Felt. Am Ende trug die mediale Skandalisierung der Abhöraktion in den USA entscheidend dazu bei, dass Nixon 1974 zurücktrat. In Bonn geschah nichts dergleichen. Der potenzielle Whistleblower Siegfried Ziegler wurde vom BND vorsorglich durch eine infame Treibjagd diskreditiert, Verdachtsmomente blieben zu vage, um zu nachdrücklichen Untersuchungen zu führen. Anders als in Washington gab es in Bonn also Feuer, aber keinen Rauch.
Demokratien zeichnen sich nun nicht in erster Linie dadurch aus, dass die regierenden Politiker Engel sind. Entscheidend ist vor allem, ob gegebenenfalls die Überwachung und Behinderung der demokratischen Opposition durch die Regierung erfolgreich skandalisiert werden kann und ob dies politische Konsequenzen nach sich zieht. In der Bundesrepublik war dies in den 1950er- und den 1960er-Jahren, wie Henke zeigt, noch nicht der Fall. Am Ende seines Buches zitiert er daher den SZ-Redakteur und Historiker Joachim Käppner: „Die junge deutsche Demokratie wurde zur Erfolgsgeschichte dank Konrad Adenauer – und trotz Konrad Adenauer.“ Und so ließe sich die kontrafaktische Frage stellen, was eigentlich passiert wäre, wenn ein Whistleblower die Überwachung des SPD-Vorstands durch den Auslandsnachrichtendienst enthüllt hätte. Hier zum Schluss eine Wette: Adenauer wäre geblieben.
Constantin Goschler lehrt Zeitgeschichte an der Ruhr-Universität Bochum.
Der Kanzler studierte
die von Gehlen beschafften
Berichte aufmerksam
Im Grunde hat Henke
eine Geschichte der Wandlungen
der SPD geschrieben
Klaus-Dietmar Henke:
Adenauers Watergate.
Die Geheimoperation des BND gegen die SPD-Spitze.
Ch. Links-Verlag,
Berlin 2023. 288 Seiten,
19,99 Euro.
Für Konrad Adenauer war die SPD und vor allem Willy Brandt (hier im Bundestag 1956) mehr politischer Feind als Gegner. Darum waren ihm auch alle Mittel recht, um zu erfahren, was in der SPD-Zentrale gedacht wurde.
Foto: dpa
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.11.2023

Dienst auf Abwegen
Wie der BND die SPD ausspionierte

In diesem Buch steht nichts, was der Autor nicht schon im vergangenen Jahr in der Schriftenreihe der Unabhängigen Historikerkommission für die Frühgeschichte des Bundesnachrichtendienstes publiziert hätte. Allerdings hatte die Erstveröffentlichung im Vergleich zum vorliegenden Buch mehrere Nachteile: Sie war knapp 1500 Seiten lang und entsprechend zu teuer für den gern so genannten "allgemeinen Leser". Nicht zuletzt klingt der Titel "Adenauers Watergate" deutlich verkaufsfördernder als "Geheime Dienste", wie die Langfassung hieß.

Der renommierte Zeithistoriker Klaus-Dietmar Henke beschreibt, wie der für Auslandsaufklärung zuständige Bundesnachrichtendienst über Jahre gegen Recht und Gesetz die größte Oppositionspartei im Bund, die SPD, ausspionierte. Die Initiative dazu ging von Staatssekretär Hans Globke, Chef des Bundeskanzleramtes unter Konrad Adenauer, aus. Der Kanzler nahm die Erkenntnisse der Geheimdienstler gerne entgegen, verschafften sie ihm doch tagesaktuelle Einblicke in die Pläne des wichtigsten politischen Gegners. Die Zuträger waren zwei Sozialdemokraten, die Zugang zu allen führenden Vertretern der Partei und allen Gremien hatten. Ihre Motive sind nicht mehr genau nachzuvollziehen. Zwar erhielten sie für ihre Berichte Geld, aber das scheint nicht der alleinige Grund für ihre Spionage gewesen zu sein.

Am Dienstsitz des Geheimdienstes in Pullach bei München traf Globke in Gestalt des ersten BND-Präsidenten Reinhard Gehlen auf einen Verwandten im Geiste. Gehlen, während des Zweiten Weltkrieges Leiter der Militäraufklärung gegen die Sowjetunion, hatte sich gleich nach Kriegsende den Amerikanern angedient und schuf sich durch eine geschickte Öffentlichkeitsarbeit den Ruf eines Meisterspions, an dessen Expertise man nicht vorbeikomme. Der ehemalige General hatte politische Ambitionen, die mit dem Amt eines Chefs des Auslandsgeheimdienstes noch längst nicht befriedigt waren. Er wäre gerne "der" Geheimdienstchef geworden. Auch die Arbeit im Inland gehörte nach Gehlens Denken selbstverständlich dazu.

Insofern war für ihn die Bespitzelung der Sozialdemokraten wenn nicht zwangsläufig, so doch überaus logisch. Die Partei galt, vor allem in den Fünfzigerjahren, vielen als Sicherheitsrisiko, weil sie sich bis dahin nicht zur Bindung der Bundesrepublik an das westliche Bündnissystem ausgesprochen hatte.

Somit erscheint es zwar etwas dramatisierend, aber nicht völlig unangemessen, die Operation gegen die SPD, wie Henke es tut, ein "Demokratieverbrechen" zu nennen. Allerdings gesteht auch der Autor ein, dass die SPD in den Fünfzigerjahren noch nicht wirklich regierungsfähig gewesen sei. Auch sei durch die Geheimdienstoperation nicht eine frühere Regierungsbeteiligung der SPD verhindert worden. Die Frühgeschichte der Bundesrepublik muss also nicht umgeschrieben werden. Adenauer traf mit seiner Politik den Nerv der Mehrheit der Bevölkerung.

Wirklich wertvoll ist Henkes Buch deshalb dadurch, dass er ein Bild der Gesellschaft der Bundesrepublik in den ersten zwei Jahrzehnten nach dem Ende des Krieges vermittelt. In dieser Zeit wurden noch viele Dinge hingenommen oder gar aktiv propagiert, die heute nicht mehr möglich wären. Deshalb ist nicht gesagt, dass zwangsläufig eine große Krise ausgebrochen wäre, wenn schon in den Fünfzigerjahren die Bespitzelung der Sozialdemokraten bekannt geworden wäre. Spätestens nach der Bundestagswahl 1961 änderte sich aber allmählich das politische Klima. Adenauer war politisch angeschlagen, hatte die absolute Mehrheit verloren und war mittlerweile so alt, dass sich ein Ende seiner Kanzlerschaft unmittelbar abzeichnete. Es "drohte" also eine Regierungsbeteiligung der SPD. Das veranlasste auch die eifrigen Späher in Pullach zum Einstellen ihrer illegalen Spionage. Sowohl im Kanzleramt als auch im BND gewannen allmählich Reformer die Oberhand. PETER STURM

Klaus-Dietmar Henke: Adenauers Watergate. Die Geheimoperation des BND gegen die SPD-Spitze.

Ch. Links Verlag, Berlin 2023. 287 S., 25,- Euro.

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