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Adalina - so hieß die Cousine Johannes Maculins, in die er sich mit sechzehn verliebte und die wenig später tragisch verunglückte. Als Johannes nun nach zwanzig Jahren in seine Heimatstadt Chur zurückkehrt, überwältigt ihn die Erinnerung an seine erste Liebe und die dramatische Geschichte einer uneingelösten Schuld wird offenbar.
"Wann sind je einem Schweizer Autor so eindringliche, direkte und dennoch diskrete Liebesszenen gelungen?" Charles Linsmayer, Der Bund
"Eine Kindheitsgeschichte, die den Vergleich mit den besten dieser Gattung in der Schweizer Literatur der letzten Jahrzehnte nicht scheuen muß." Beatrice von Matt, Neue Zürcher Zeitung
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Produktbeschreibung
Adalina - so hieß die Cousine Johannes Maculins, in die er sich mit sechzehn verliebte und die wenig später tragisch verunglückte. Als Johannes nun nach zwanzig Jahren in seine Heimatstadt Chur zurückkehrt, überwältigt ihn die Erinnerung an seine erste Liebe und die dramatische Geschichte einer uneingelösten Schuld wird offenbar.

"Wann sind je einem Schweizer Autor so eindringliche, direkte und dennoch diskrete Liebesszenen gelungen?"
Charles Linsmayer, Der Bund

"Eine Kindheitsgeschichte, die den Vergleich mit den besten dieser Gattung in der Schweizer Literatur der letzten Jahrzehnte nicht scheuen muß."
Beatrice von Matt, Neue Zürcher Zeitung
Autorenporträt
Silvio Huonder, 1954 in Chur geboren, studierte an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Graz und an der Hochschule der Künste in Berlin. Er hat mehrere Theaterstücke geschrieben, die an zahlreichen Bühnen aufgeführt wurden, und lebt heute in Berlin. 1997 veröffentlichte er seinen ersten Roman Adalina (Fischer Taschenbuch Verlag Bd. 14131), der bei Kritik und Lesern auf große Resonanz gestoßen ist.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.09.1997

Der Schmerz des Schweizers
Schuld und Sühne auch hier: Silvio Huonders Prosadebüt "Adalina"

Ein Bündner - aus Chur - in Berlin verletzt sich an den Scherben eines Sektglases im Spülbecken; ein "scharfer Schmerz" durchzuckt seinen Körper, es fließt ein bißchen Blut. Hier ist offensichtlich der sprichwörtlich gewordene zeitgenössische Schweizerschriftsteller am Werk, der sich in den Finger schneidet und auf dreihundert Seiten seinen Weltschmerz abarbeitet. Wenige Seiten später folgt der Eidgenosse in der weiten Welt einer Prostituierten aus der Kurfürstenstraße: "Bumsen oder Blasen?" Er kann - oder will: noch bleibt die Frage offen - dann doch nicht. Ein Hunderter ist weg und das Wochenende vorüber. "Alles in allem, denkt er, geht es dir doch gut. Du bist ein privilegierter Schweizer im besten Alter, Ende Dreißig, alleinstehend, und kannst dich in der Weltstadt Berlin als freischaffender Zeichner behaupten. Was ist daran auszusetzen."

Das Abflußloch des Spülbeckens, in dem das tropfende Blut versickert, vermittelt einen Vorgeschmack von den existentiellen Abgründen, in die Silvio Huonder seinen tragischen Helden verwickelt. Er heißt Maculin - Maculin ohne "s". Nomen est omen in diesem symbolträchtigen und bedeutungsschwangeren Roman. Maculins Makel ist eine Phimose, die als sexuelle Verkrüppelung durch die erste Hälfte der Erzählung geistert.

"Die Rasierklinge war dünn und leicht": Mit einem dramaturgisch perfekten Schnitt nach Maculins Blick auf die Scherben bringt Silvio Huonder die Retrospektive in Gang. "Er steckt den verletzten Finger in den Mund" und verläßt die Wohnung. Maculin fährt zurück in die Heimat und besichtigt vor Ort ein letztes Mal seine versehrte Jugend. Die Odyssee nach Chur führt mit unerbittlicher Konsequenz in den Suizid, aber zunächst auf dem Weg der Metapher vom Finger zu tiefer Liegendem: Die Rasierklinge verweist auf eine spätere Schlüsselszene, in der Maculin Hand an sich legt, um sich selbst zu operieren. Sie ist einer der Höhepunkte in dieser Geschichte einer verbotenen Liebe, die Maculin zu seiner Cousine Adalina, nach der das Buch benannt ist, unterhält. Sie scheitert am Widerstand der Familie, bevor sie überhaupt vollzogen wird - ansatzweise einmal in einem ehemaligen Schweinestall.

Kein Klischee erspart der Autor seinem Leser. Die Verlogenheit der authentischen Proletarier, die es hier ebenso noch gibt wie Autos der Marke NSU, Vorurteile und Prostituiertenerotik, sexuelle Unterdrückung und ihre Sublimierung am Steuer, psychische Gewalt, ein bißchen Drogen und Alkohol - all das gehört zu dieser Geschichte aus einer anderen Zeit, in der "Bravo" noch verboten war. Doch so unglaublich anachronistisch sie wirkt - Huonder erzählt sie mit überzeugender Authentizität. Er bezieht sie nicht nur aus dem Dekor der sechziger Jahre, die den zeitlichen Rahmen von Maculins Jugend darstellen. Auch die Figuren sind brillant gezeichnet. Was sich wie die Vergangenheitsbewältigung einer Mimose mit Phimose ankündigt, entpuppt sich als helvetisches Generationenporträt der Vierzigjährigen, verpackt in eine ländliche Tragödie um Schuld, Sühne und Suizid in der Provinz. Die Intensität der Gefühle wie die Ausweglosigkeit der Handlung, auf die Huonder von den ersten Seiten an setzt, hielt man seit Charles-Ferdinand Ramuz nur noch in der Trivialliteratur für möglich.

Silvio Huonder, 1954 in Chur geboren, lebt seit 1989 in Berlin. Er hat bei Heiner Müller und Tankred Dorst "Szenisches Schreiben" studiert und Hörspiele wie Theaterstücke verfaßt. In seinem Romanerstling bleibt er den großen Stoffen, die man nur mit Gemeinplätzen gestalten kann, treu. Damit hat er die Latte sehr hoch gelegt. Und das Niveau, obwohl er manchmal allzu dick aufträgt, auch erreicht: sein Umgang mit Kitsch, Klischees und menschlichen Katastrophen ist überzeugend, seine Sprache genau und virtuos. Zurecht steht das fulminante Prosadebüt "Adalina" in der Schweiz auf den Bestseller- und hierzulande auf den Bestenlisten der Kritiker. JÜRG ALTWEGG

Silvio Huonder: "Adalina". Arche Verlag, Zürich 1997. 264 S., geb., 36,- DM.

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