Siegfried bewundert und man kurzzeitig aus der Lektüre hochschreckt mit der Befürchtung, der Text könne doch noch komplett entgleisen, entfaltet diese zarte Groteske einen eigenwilligen Charme.
Denn insgeheim weiß eben nicht nur Adas Vater, sondern auch sie selbst schon früh, dass diese Liebe zerbrechen wird. Nicole Balschun, 1975 in Leer geboren und in Hannover lebend, stellt dieses Scheitern als Prolog sogar an den Anfang ihres Romans, so dass auch der Leser eingeweiht ist. Ganz in Ruhe lässt sich deshalb der Liebesschwund beobachten, den Ada, Liebende wie Wissende, im Folgenden aufrollt, mit hingeworfener Leichtigkeit, die den Ernst dieser Liebe nie verrät.
Sie erzählt ihre Geschichte ein wenig taumelig, verfügt aber über genügend Distanz, so dass Komik und Würde sich die Waage halten. Die Komik ergibt sich durch die Gegensätze wie von selbst und muss eher im Zaum gehalten werden. Ada erinnert sparsam an "die Momente", spricht aber bereits wie absichtslos von ersten, unguten Vorzeichen ("Bo hatte mal eine Kuh, dachte ich und wusste nichts damit anzufangen"). Unmerklich changiert der Text so zwischen Naivität und Abgeklärtheit, weshalb man selbst diejenigen Passagen verzeiht, die doch etwas kitschig geraten sind.
Zunächst ist Bo kaum mehr als eine Art Marlboro-Held: wettergegerbtes Gesicht, leuchtende Augen, kleine Grübchen, die ihm "etwas Verwegenes" geben. Der Liebesfall, merkt man früh, hat eine besondere Sehnsucht zu stillen - die nach Erde und Stall statt nach Buch und Bibliothek. Der junge Landwirt weiß durchaus um seinen verführerischen Trumpf. "Was ist das wirkliche Leben, fragte ich Bo und er sagte, das hier, heute Abend. Und ich sah auf die vier wollenen Füße auf dem Tisch, die sich nicht berührten, das Buch auf meinem Schoß und die Weingläser in unseren Händen, und ich hörte in der Ferne die Kühe unter dem mondlosen Himmel und fragte mich, ob Bo recht hatte" - was kaum von der Hand zu weisen ist, verfügt er doch über "eine andere Klugheit" und wortloses Einfühlungsvermögen. Dass er sich daneben sogar für Adas Bücher zu interessieren beginnt und bald schon eine eigene Meinung zu "Mrs. Dalloway" hat - umso besser. Aber er sagt schließlich auch Dinge wie "Komm melken" und "Ich hatte ja auch keine Hilfe". Nach einigen leuchtenden und lähmenden Neuversuchen vertieft sich Bo erneut in landwirtschaftliche Fachzeitschriften, und Ada tauscht in ihrer Stadtwohnung trotzig die Leberwurst gegen Holunder-Cassis-Gelee.
Das ist sie schon, Nicole Balschuns große, kleine Geschichte über die Liebe und wie sie ihre eigenen Stillleben produziert; wie sie herhalten muss für ein Ausprobieren von Lebensweisen, die verlockend klingen, bei Realitätsprüfung aber zusammenbrechen wie Kartenhäuser. Eigentlich erwartbar bis zum letzten Gummistiefel, den Ada schließlich aus ihrer Wohnung entfernt - mitsamt dem Traum vom Glück im Dreck. Man folgt der Geschichte nicht wegen der parallel erzählten, gleichfalls erwartungsgemäß desaströs endenden Beziehungsgeschichte einer Schulfreundin. Viel entzückender und relativierender ist die dritte Beziehung, die Nicole Balschun spartanisch, aber sehr wirkungsvoll an uns vorüberziehen lässt: die von Adas Eltern, die immer mal wieder ein Wort der Besorgnis einlegen oder sich gemeinsam lustig machen. Die Schilderung dieser reifen Beziehung kleidet die rasant in Ada rotierende Glücksfrage in leise Ironie. Und so wird aus allem schließlich doch luftige, frühlingshafte Prosa über die verschiedenen Stufen der Liebe, die Bo und Ada schon am Anfang verlassen. Zum Glück? Das nicht mit Bestimmtheit sagen zu wollen, ist die Leistung von Nicole Balschuns Roman.
Nicole Balschun: "Ada liebt". Roman.
Dumont Buchverlag, Köln 2011. 191 S., geb., 16,99 [Euro].
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