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Ein Plädoyer für Selbstkritik und eine Einladung zur Debatte über ein so einzigartiges wie verwirrendes Verhältnis zweier StaatenWenn Deutsche über Israel reden, reden Sie meist über sich selbst. Worum es in den hitzigen Debatten hingegen selten geht, ist die eigentliche Beziehungsgeschichte zwischen der Bundesrepublik und Israel. Reden deutsche Politiker über diese Beziehungen, so fallen Wörter wie »Wunder« oder »Versöhnung«. Wörter, hinter denen eher Wunschdenken als Realität steckt.Nach der israelischen Staatsgründung von 1948 war es ausgerechnet die Bundesrepublik, die zur wichtigsten…mehr

Produktbeschreibung
Ein Plädoyer für Selbstkritik und eine Einladung zur Debatte über ein so einzigartiges wie verwirrendes Verhältnis zweier StaatenWenn Deutsche über Israel reden, reden Sie meist über sich selbst. Worum es in den hitzigen Debatten hingegen selten geht, ist die eigentliche Beziehungsgeschichte zwischen der Bundesrepublik und Israel. Reden deutsche Politiker über diese Beziehungen, so fallen Wörter wie »Wunder« oder »Versöhnung«. Wörter, hinter denen eher Wunschdenken als Realität steckt.Nach der israelischen Staatsgründung von 1948 war es ausgerechnet die Bundesrepublik, die zur wichtigsten Unterstützerin des Jüdischen Staates wurde. Reparationen, Waffenlieferungen und Finanzmittel halfen, aus dem existenziell bedrohten Land eine Regionalmacht zu machen. Kein Wunder, dass Israel die ausgestreckte deutsche Hand annahm: eine andere Wahl hatte es kaum. Von Versöhnung aber war keine Rede. Niemand machte sich darüber Illusionen, dass in Deutschland ehemalige Nationalsozialisten Karrieremachten - und mit der Israelhilfe ihre blutigen Hände in Unschuld wuschen. Der Preis für die Sicherheit Israels ist die frühe Absolution Deutschlands. Daniel Marwecki wirft einen erhellenden Blick auf die deutsche Israelpolitik von der Staatsgründung bis heute.»Wer die aktuellen Debatten um das deutsch-israelische Verhältnis verstehen möchte, dem sei das Buch von Daniel Marwecki ans Herz gelegt. Quellengesättigt, bestechend argumentiert und glänzend geschrieben - mehr kann man von einer historischen Analyse nicht verlangen.«Stefanie Schüler-Springorum»Marweckis ungeschönter Blick auf die Anfänge der deutsch-israelischen Beziehung entblößt blinde Flecken unserer Erinnerungskultur.«Charlotte Wiedemann»Daniel Marweckis erstaunliches Buch zeigt, auf welch zweifelhafte Weise Deutschland sein moralisches Prestige nach der Shoah zurückgewinnen konnte.Wer sich für Deutschlands Vergangenheit interessiert und sich um seine Zukunft sorgt, sollte dieses Buch lesen.«Pankaj Mishra
Autorenporträt
Daniel Marwecki, geb. 1987, lehrt Internationale Beziehungen an der University of Hong Kong. Er hat 2018 an der SOAS University of London promoviert. Sein Buch 'Germany and Israel: Whitewashing and Statebuilding' erschien 2018 bei Hurst Publishers. Seine journalistischen Beiträge erschienen unter anderem in Le Monde Diplomatique, der taz, Unherd und Jacobin.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Teils lehrreiche, wenn auch nicht durchweg neue Erkenntnisse über das Verhältnis von Westdeutschland und Israel nach dem Zweiten Weltkrieg beschert dieser Band des Historikers Daniel Marwecki Rezensent Matthias Arning. Im Zentrum steht, erfahren wir, die These, dass dieses Verhältnis beidseitig von Zweckrationalität geprägt war: Deutschland wollte international wieder als moralisch legitime politische Macht auftreten, Israel benötigte materielle Unterstützung beim Aufbau eines neuen Staates. Aus diesen Gründen setzten, resümiert Arning, David Ben Gurion und Konrad Adenauer das Bündnis der beiden Staaten durch, jeweils gegen große Widerstände in der eigenen Bevölkerung. Arning verweist auf eine Arbeit Dan Diners zur israelischen Deutschlandpolitik, die Marweckis Ausführungen erweitert und ergänzt. Das Verdienst des besprochenen Buches liegt für den Rezensent im Nachweis, wie früh enge Verbindungen zwischen den beiden Staaten bestanden, Verbindungen, aus denen sich die deutsche Rede von der Staatsräson hinsichtlich des Existenzrechts Israels ableitet. In einem Nachwort geht Marwecki außerdem, so Arning, auf die aktuelle israelische Regierung ein, die sich seiner Meinung nach die Unterstützung Deutschlands auf Kosten palästinensischer Zivilisten zunutze macht. Ganz einverstanden ist der Rezensent mit dieser Darstellung nicht.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2024

Von wegen Wunder der Versöhnung

In einer Geschichte der deutsch-israelischen Beziehungen entkleidet Daniel Marwecki so manchen deutschen Mythos und nähert sich der Frage: Was bedeutet Staatsräson?

Wenn deutsche Politiker an Gedenktagen über die Beziehungen zu Israel sprechen, ist gern vom "Wunder" einer einzigartigen Freundschaft die Rede. Wunder aber gebe es vielleicht in der Bibel, nicht in der Politik, stellt Daniel Marwecki nüchtern fest und räumt dann mit einer ganzen Reihe von Gewissheiten auf, die die deutsche Selbsterzählung über die Nachkriegszeit bislang prägten.

Da ist zunächst das Narrativ, dass es zu Beginn der deutsch-israelischen Beziehungen um "Versöhnung" gegangen sei. Die in Luxemburg unterzeichnete Vereinbarung, in der sich die junge Bundesrepublik 1952 verpflichtete, eine damals unglaubliche Summe von 3,45 Milliarden Mark an Israel zu zahlen, wurde auf deutscher Seite "Wiedergutmachungsabkommen" genannt. In Israel war es wenige Jahre nach der Befreiung von Auschwitz aber unvorstellbar, dass sechs Millionen Tote und unendlich mehr Leid mit etwas "Blutgeld" wiedergutgemacht werden könnten. Staatsgründer David Ben Gurion musste das Abkommen gegen heftige Proteste durchdrücken - und das, obwohl es in der hebräischen Version "Schilumim" betitelt wurde, was eher Strafzahlung als Wiedergutmachung meint.

In Deutschland rede man heute gern von Moral und Werten - und tue sich mit dem Begriff des nationalen Interesses schwer, schreibt Marwecki. 1952 war das noch anders. Die Bundesregierung suchte nicht Vergebung für Verbrechen, die man ohnehin nur "einigen Wenigen" zuschrieb. Adenauer verhandelte hart und folgte handfesten Interessen: Deutschland sollte so schnell wie möglich wieder in den Kreis der "zivilisierten Nationen" aufgenommen werden und damit Souveränität und Handlungsspielraum zurückgewinnen. Für diese Rehabilitierung musste ein Preis gezahlt werden, zumal Adenauer dem antisemitischen Bild anhing, dass man "die Macht der Juden" vor allem in Amerika "nicht unterschätzen" dürfe, wie er offen sagte. Adressat des Abkommens waren also mehr die USA als die Opfer der Schoa, wobei Israels Unterhändler Adenauers antisemitische Angst vor dem "Weltjudentum" offenbar zu nutzen wusste und mit ominösen "Konsequenzen" drohte, sollte keine Einigung gefunden werden.

Am Ende stimmte der Bundestag mit knapper Mehrheit und vielen Gegenstimmen aus der Union für das Abkommen. Doch Marwecki entblößt noch einen weiteren Mythos: den von der deutschen Großzügigkeit gegenüber Israel. So immens die Summe von 3,45 Milliarden Mark auch scheinen mag - der größte Teil floss nicht in Geld, sondern in Sachleistungen aus deutscher Herstellung. Das "Wiedergutmachungsabkommen" wurde so zum riesigen Konjunkturprogramm für das deutsche Wirtschaftswunder und half gleichzeitig dem jungen Staat Israel, mit deutschen Maschinen in kurzer Zeit eine eigene Industrie aufzubauen. An die Opfer floss kein Pfennig - Ben Gurion hatte diesen Weg gewählt, da ihm nach dem Gründungskrieg von 1948 bewusst war, dass Israel eigene Industrie brauchte, um seine Existenz gegen die feindlich gesinnten Nachbarn sichern zu können.

Es war die Bundesrepublik, so die gut begründete These Marweckis, die den jungen Staat Israel auf feste Beine stellte. Für die englische Ausgabe dieses Buches, die vor vier Jahren als Dissertation erschienen, wählte er den Titel: "Whitewashing and Statebuilding". Marwecki zeichnet nach, wie Westdeutschland in den ersten Jahrzehnten der wichtigste Unterstützer und Handelspartner des jüdischen Staates war, lange bevor diese Rolle von den USA übernommen wurde. Die deutsche Wirtschaft verdiente dabei prächtig. Möglicherweise hätte Israel ohne deutsche Hilfe gar nicht überleben können. Es sei eine Ironie der Geschichte, dass dieses Detail auf beiden Seiten kaum Beachtung finde.

Die Annäherung erfolgte über wirtschaftliche Verflechtung und wirkt bis heute nach. Deutschland ist Israels wichtigster europäischer Handelspartner. Das israelische Büro in Köln, das im Rahmen des Abkommens für die Bestellungen bei deutschen Unternehmen zuständig war, entwickelte sich zu einem heimlichen Konsulat, lange bevor beide Staaten diplomatische Beziehungen aufnahmen.

Dass dies erst spät geschah, nämlich erst 1965, lag dann nicht an israelischen Berührungsängsten mit dem Land der Täter, sondern am deutschen Zaudern: Die unionsgeführten Bundesregierungen folgten einer beinahe obsessiven Angst, dass die arabischen Staaten als Retourkutsche für den diplomatischen Schritt die DDR anerkennen würden; später dann, unter Willy Brandt, sorgte man sich Bonn eher ums Öl und die guten wirtschaftlichen Beziehungen zur arabischen Welt. Brandt zeigte Israel gegenüber keinen Kniefall, man fühlte sich inzwischen frei von jeder Schuld, da es in der Regierung keine persönlichen Kontinuitäten mehr gab. Die Israel-Politik sei damals vor allem "prodeutsch" gewesen, analysiert Marwecki.

Entsprechend diskret ging Bonn mit Krediten für Israel und mit der intensiven militärischen Zusammenarbeit um, von der beide Seiten profitierten. Marwecki hält es für gesichert, dass die Bundesrepublik das geheime israelische Atomwaffenprogramm finanzierte. Und er legt nahe, dass Israel auch wegen der deutschen Hilfe den Sechstagekrieg gewann. Israels Sieg wurde von der deutschen Presse wiederum mit befremdlicher Euphorie für einen vermeidlich neuartigen Typus "des Juden" bejubelt, der sich in dem heldenhaften Feldzug gezeigt habe.

Interessant ist dieses äußerst lesenswerte Buch auch in seinem letzten Teil, der sich der "Staatsräson" und jener Zeit widmet, in der Werte an die Stelle von nüchterner Interessenpolitik traten. Marwecki seziert das deutsche "Entlastungsbegehren nach Auschwitz" und die "Erlösungshoffnung", die bisweilen in "Bewältigungsstolz" umschlägt. Wenn in Deutschland über Israel geredet werde, gehe es meist um eigene Vergangenheit und Identität. Kurz gesagt: Wer sich mit Israel identifiziert, weiß sich auf der richtigen Seite der Geschichte. Dass man auf diese Weise mit dem wahren Dilemma des Nahostkonflikts, in dem die Vertreibung der Palästinenser Folge der moralisch gerechtfertigten Staatsgründung Israels war, kaum vernünftig umgehen kann, erklärt sich beinahe von selbst. ALEXANDER HANEKE

Daniel Marwecki: Absolution? Israel und die deutsche Staatsräson.

Wallstein Verlag, Göttingen 2024. 212 S., 22.- Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.03.2024

Nützliches
Tauschgeschäft
Daniel Marwecki über
deutsche Realpolitik nach
der Staatsgründung Israels.
Nicht erst seit dem russischen Angriff auf die Ukraine wird der deutschen Außenpolitik vorgeworfen, die Welt mit allzu idealistischen Augen zu betrachten. Stichworte sind eine „wertegeleitete“ oder – seit Annalena Baerbock (Grüne) das Außenamt innehat – auch „feministische“ Außenpolitik. Harte nationale Interessen hingegen würden selten vertreten, geschweige denn durchgesetzt. Die Lektüre des Buches des in Hongkong lehrenden deutschen Historikers Daniel Marwecki über die deutsch-israelischen Beziehungen seit Gründung des Staates Israel 1948 nährt hingegen Zweifel, wie valide diese Lesart tatsächlich ist. Oder ob sich hinter der moralisierenden Fassade nicht vielmehr eine speziell deutsche Art von Interessenpolitik verbirgt, die zwar einerseits größtmögliche moralische Ambitionen formuliert, andererseits jedoch recht pragmatisch entlang der eigenen Interessen agiert.
In seinem Buch, das auf Englisch 2020 unter dem treffenden Titel „Germany and Israel: Whitewashing and State-Building“ erschienen ist, argumentiert Marwecki, dass die frühen deutsch-israelischen Beziehungen zuvorderst auf einem Tauschgeschäft im beiderseitigen Interesse beruhten. Israel habe Deutschland die Möglichkeit zur „Wiedergutmachung“ für die unfassbaren Verbrechen während der Zeit des Nationalsozialismus gestattet, obwohl es dafür emotional keine Grundlage gab. Deutschland wiederum habe als einziges Land den jüdischen Staat von Anfang an wirtschaftlich, finanziell und auch mit Waffen unterstützt und ihm so seine Etablierung und letztlich Existenz ermöglicht. Dass diese Leistungen für deutsche Unternehmen zugleich ein Konjunkturprogramm bedeuteten, wurde als Nebeneffekt gerne mitgenommen. Die 1952 im Luxemburger Abkommen vereinbarten Entschädigungszahlungen entsprachen im sich abzeichnenden westdeutschen Wirtschaftswunder lediglich 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Marwecki zitiert den israelischen Historiker Tom Segev, der einmal pointiert festgestellt hat, dass nach 1945 der deutsche Weg nach Washington – sprich in den Westen – über Jerusalem geführt habe, während der israelische Pfad unter den Schutzschirm der USA über Bonn verlaufen sei. Erst mit dem Sechs-Tage-Krieg 1967, als Israel seine Stellung als militärisch bedeutsame Regionalmacht unter Beweis gestellt habe, hätten die USA Deutschland als Schutzmacht des jüdischen Staates abgelöst; sehr zur Erleichterung der Regierenden in Bonn, die sich spätestens im Zuge der Ölkrise der Siebzigerjahre um ihre Beziehungen zur arabischen Welt sorgten.
In den Fünfzigern und Sechzigern dienten die Beziehungen zu Israel den handelnden deutschen Politikern, allen voran Konrad Adenauer und Franz Josef Strauß, somit als ein Vehikel, um zwei aus ihrer Sicht für den Bestand des westdeutschen Staates existenzielle Voraussetzungen zu schaffen: zum einen die dauerhafte Westeinbindung der BRD; zum anderen die geräuschlose Wiedereingliederung alter Nazi-Kader in den nunmehr demokratischen Staat.
Wenn heute im politischen Diskurs vom „Wunder der Versöhnung“ zwischen Deutschland und Israel die Rede ist, oder Deutschland als Musterschüler der Vergangenheitsbewältigung hofiert wird, ist das für Marwecki eine aus der Gegenwart heraus vorgenommene Projektionsleistung. Speziell die Frühphase des deutsch-israelischen Verhältnisses war eine Geschichte der interessengeleiteten Realpolitik, bei der ohne den Zuspruch des jeweils anderen die eigene Existenz als gefährdet wahrgenommen wurde.
Dennoch wäre es verfehlt, die Grundlage der deutsch-israelischen Aussöhnung ausschließlich auf Eigennutz zu reduzieren. Marwecki weist darauf hin, dass das Israel-Engagement nicht nur den deutschen Antisemitismus nach 1945 gebändigt, sondern auch frühzeitig das Augenmerk auf den Holocaust sowie das Schicksal Israels gelenkt habe; und so ein „zivilisatorisches Element“ in der politischen Kultur geschaffen worden sei, das der Glaubwürdigkeit deutscher Politik in Bezug auf Israel Vorschub geleistet habe.
Allzu viel Neues in der Sache liefert Daniel Marweckis Buch nicht. Doch eröffnet es einen klaren und nüchternen Blick vor allem auf den Beginn der deutsch-israelischen Beziehungen. Und liefert einen Beleg dafür, dass man mit einer klug austarierten Interessenpolitik in den internationalen Beziehungen langfristig mitunter mehr Gutes erreichen kann, als mit zwar klangvollen, letztlich aber illusorischen moralischen Zielsetzungen.
FLORIAN KEISINGER
Daniel Marwecki:
Absolution? Israel und die deutsche Staatsräson. Wallstein, Göttingern 2024. 212 Seiten, 22 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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»Marwecki schildert manches bislang Unbekanntes im komplizierten Verhältnis zwischen Deutschland und Israel. Flüssig geschrieben, detailreich aber nicht ausufernd. Das Massaker der Hamas verschafft dem Buch zudem eine traurige Aktualität.« (Brigitte Vogel, Buchhandlung Dr.Rudolf Habelt, Bonn)