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Giuliana Chamedes offers the first comprehensive history of the Vatican's efforts to defeat the forces of secular liberalism and communism through international law, cultural diplomacy, and a marriage of convenience with authoritarian and right-wing rulers.

Produktbeschreibung
Giuliana Chamedes offers the first comprehensive history of the Vatican's efforts to defeat the forces of secular liberalism and communism through international law, cultural diplomacy, and a marriage of convenience with authoritarian and right-wing rulers.
Autorenporträt
Giuliana Chamedes is Assistant Professor of History and a faculty affiliate of the Religious Studies Program at the University of Wisconsin¿Madison. During a stint as a journalist for ANSA, the Italian news agency based in Rome, she had the opportunity to observe the Vatican closely, and she returned as a scholar to probe its archives.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.08.2019

Kreuzzug für eine neue Ordnung in Europa?
Konkordatsdiplomatie: Giuliana Chamedes sichtet den Antikommunismus des Vatikans, klammert aber die historische Realität aus

"Gerade die Kommunisten denken wie Christen", sagte Papst Franziskus vor drei Jahren im Gespräch mit Eugenio Scalfari. Dass seine Vorgänger das bisher nicht so formulierten, liegt an Aspekten des klassischen Kommunismus, die sie mit dem christlichen Menschenbild nicht in Einklang bringen konnten - am Atheismus und jenem Materialismus, der einen personalen Gott, die Seeleund den freien Willen des Menschen für naturwissenschaftlich widerlegt hält, am Totalitarismus, Kollektivismus, Klassenkampf und der Abschaffung des Privateigentums.

Die amerikanische Historikerin Giuliana Chamedes legt eine Studie vor, die sich durch die Linse der Vatikandiplomatie mit dem Antikommunismus des Vatikans befasst. Sie konzentriert sich dabei vor allem auf Italien und Deutschland, vom Ende des Ersten Weltkriegs bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil. Liberale Demokratie habe den Vatikan anfangs ebenso beunruhigt wie Kommunismus, denn beide drohten den Einfluss der Kirche zu mindern. Um das zu verhindern, habe der Vatikan einen "Kreuzzug" gegen den Kommunismus, als gemeinsamen Feind der neuen Demokratien, orchestriert und gleichzeitig durch Konkordatsdiplomatie versucht, sich als Mitbestimmer der neuen Ordnung Europas zu positionieren.

In seiner Antrittsenzyklika von 1922 habe sich Pius XI. gegen das "wilsonische Modell liberaler Demokratie" gestemmt, "weil nur ,Könige' und ,Königreiche' (vierundzwanzig Mal erwähnt) Frieden bringen können . . . Demokratien aber nicht", berichtet Chamedes. Im Text ist der einzige Verweis auf "Demokratie" jedoch die Bestätigung, dass die Kirche diese Regierungsform nicht verwerfe, und mit "Reich" geht es ausnahmslos um das Gottesreich. Als Monarchie missverstehen lässt sich das nur in englischer Übersetzung. Dass Demokratie aus theologischer Sicht weder besser noch schlechter sei und Staatsformen eine politische und keine Glaubensfrage seien, hatte schon Leo XIII. artikuliert. Was am Liberalismus als problematisch galt, wäre hier für Chamedes interessanter gewesen, aber sie lässt sich in ihrer Studie auf Theologisch-Philosophisches nicht ein. Auch was der Vatikan wann über kommunistische antireligiöse Gewalt wusste, wird nicht zum Thema. Für die Kommunismuskritik von Pius XI. und XII. bleibt damit der religiös motivierte Massenmord unter Stalin merkwürdig irrelevant. Es ist lediglich zu erfahren, dass "anti-religiöse Arbeit" zur "Unterstützung weitreichender ökonomischer Entwicklungsprogramme" stattgefunden habe.

Was Chamedes so an Realität ausklammert, schafft Platz für ihre Theorie, dass es "zu einfach" sei, den Antikommunismus des Vatikans als Reaktion zu verstehen. Tatsächlich habe der Vatikan im Konstrukt einer kommunistischen Bedrohung das Potential erkannt, sich als "Macher einer alternativen Ordnung für Europa zu präsentieren". Mit seiner Konkordatsdiplomatie habe der Vatikan das gleiche Ziel verfolgt. Nur vordergründig sei es um die Existenzsicherung der Kirche gegangen. Tatsächlich seien auch Konkordate in erster Linie Instrumente einer kirchlichen Machtpolitik gewesen, der unheilige Allianzen mit rechten Diktaturen, im angeblichen Kampf gegen den Kommunismus geradezu gelegen kamen.

Das erinnert an Michael Phayers Studie "The Catholic Church and the Holocaust 1935-60" (2000), die versuchte, das Verhalten Papst Pius' XII. während des Nationalsozialismus als Fixierung auf das Reichskonkordat und die kommunistische Bedrohung zu erklären. Chamedes übernimmt das Muster und dehnt es auf weitere Konkordate und das Pontifikat des Vorgängers, Pius' XI., aus. Wie Phayer, gerät auch Chamedes in den Sog der Frage nach dem Verhältnis zwischen Kirche und Nationalsozialismus, wobei das Motiv des Antikommunismus oft aus dem Blickfeld driftet. Die Enzyklika "Mit brennender Sorge" von 1937, in der Pius XI. neben dem politischem "Götzenkult" in Deutschland "den Mythos von Blut und Rasse" verurteilte, soll nun ebenfalls ins Schema selbstreferentieller Konkordatsdiplomatie eingeordnet werden. Chamedes behauptet, der Papst beginne mit der Aussage, "dass Konkordate gute und notwendige Instrumente seien". Das ist vom Wortlaut weit entfernt. Pius XI. distanzierte sich geradezu vom Konkordat: Die Regierung habe die Verhandlungen initiiert, und der Vatikan habe sich aus "Sorge um die Freiheit der kirchlichen Heilsmission . . . trotz mancher schwerer Bedenken . . . den Entschluss abgerungen . . ., die Zustimmung nicht zu versagen". Die Nichtachtung der Abmachungen hingegen zeige "Machenschaften, die von Anfang an kein anderes Ziel kannten als den Vernichtungskampf".

Unbeirrt kommt Chamedes zum Ergebnis: die "primäre Reaktion" des Papstes auf "Partner, die fremdgehen", sei auch hier, "den katholischen Legal-Internationalismus zu erklären und zu feiern". Auch den Eindruck, dass der Vatikan rechts keine Feinde gesehen habe, kann Chamedes nur dank selektiver Wahrnehmung aufrechterhalten. So versenkt sie die Verurteilung der rechtsextrem-monarchistischen katholischen Bewegung Action Française durch Pius XI. kommentarlos in die Anmerkungen. Völlig abhanden kommt bei Chamedes die Bedeutung der katholischen politischen Mitte, die sowohl den Nationalsozialismus und Faschismus als auch den Kommunismus ablehnte und von ihr zu Unrecht zur kleinen Schar von "Dissidenten" stilisiert wird.

Italiens Partito Popolare vereinte als zweitgrößte Partei im Parlament konservative und moderat linke Katholiken. "Nicht Macht der Linken, nicht Diktatur der Rechten", warb die Bayerische Volkspartei. Als katholischste im Parlament verlor sie von allen bürgerlichen Parteien Deutschlands die wenigsten Stimmen an die NSDAP. Dass diese, von den rechten Diktaturen unterdrückte katholische Mitte in den Christlichen Demokratischen Parteien der Nachkriegszeit wiederauferstanden sei, sieht Chamedes als Mythos, der nationalsozialistische Sympathien verschleiern sollte.

1949 verhängte Pius XII. die Strafe der Exkommunikation. Nicht für den "Dialog mit Kommunisten", wie Chamedes meint, sondern für das "Vertreten und Verbreiten" der "materialistischen und anti-christlichen Doktrin" des Kommunismus. Warum der Papst gerade jetzt auf Exkommunikation setzte, prüft Chamedes nicht, diagnostiziert aber auch hier Selbstinszenierung und politischen Aktivismus. Es sei dem Vatikan darum gegangen, den Antikommunismus als zentrales Element "katholischer Identitätspolitik" zu bestätigen und die Christlich Demokratischen Parteien Europas "weiter nach rechts zu drängen". Doch in jenen Jahren, beginnend mit extremem Druck auf die Kirche in der Tschechoslowakei, stellten sich neue Fragen darüber, wo die Grenzen der Kollaboration der Ortskirchen mit kommunistischen Regimen zu ziehen seien.

Chamedes' Bemühungen um Charakterisierungen sind löblich, wenn auch nicht immer treffsicher: Dass Pius XI. Manzonis Klassiker "Die Verlobten" schätzte, macht ihn keineswegs zum "Liebhaber sentimentaler Romane". Sein Versprechen, zu zeigen "wie der Vatikan die Welt sah", kann dieses Buch nicht erfüllen, denn bis zum Schluss bleibt unklar, wo genau die Kirche Inkompatibilitäten sah und welche Gegenentwürfe die katholische Soziallehre parat hatte. Das kommt dafür der nicht falsifizierbaren zentralen These zugute, der Vatikan habe ein Feindbild vermittelt, das Gläubige mit ängstlicher Aversion erfüllte, die freilich durch ein besseres gegenseitiges Kennenlernen hätte abgebaut werden können.

RAPHAELA SCHMID

Giuliana Chamedes: "A Twentieth-Century Crusade". The Vatican's Battle to Remake Christian Europe.

Harvard University Press, Cambridge, Mass. 2019.

440 S., Abb., geb., 36,- [Euro].

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