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Ein Mann steht zur falschen Zeit am falschen Ort und hat auf einmal zwei Probleme: Was macht man mit einer Abfindung von 8 ½ Millionen und vor allem: Wie lässt sich ein Leben wieder ins Lot bringen, dem abgeht, was zuvor selbstverständlich war - die Selbstverständlichkeit?
Eine Lösung scheint sich aufzutun, als ihn beim Anblick eines Risses in einer fremden Badezimmerwand plötzlich ein immenses Glücksgefühl überkommt: Da war einmal ein identischer Riss und um ihn herum hatte es einen Alltag gegeben, eine Wohnung, einen Ausblick, Gerüche, Klänge. Vor allem aber das Gefühl, lebendig zu sein.…mehr

Produktbeschreibung
Ein Mann steht zur falschen Zeit am falschen Ort und hat auf einmal zwei Probleme: Was macht man mit einer Abfindung von 8 ½ Millionen und vor allem: Wie lässt sich ein Leben wieder ins Lot bringen, dem abgeht, was zuvor selbstverständlich war - die Selbstverständlichkeit?

Eine Lösung scheint sich aufzutun, als ihn beim Anblick eines Risses in einer fremden Badezimmerwand plötzlich ein immenses Glücksgefühl überkommt: Da war einmal ein identischer Riss und um ihn herum hatte es einen Alltag gegeben, eine Wohnung, einen Ausblick, Gerüche, Klänge. Vor allem aber das Gefühl, lebendig zu sein. Fortan verwendet der namenlose Ich-Erzähler alles darauf, sich diesen Alltag zurückzuholen: als Realität zum An- und Ausschalten, Vor- und Zurückspulen, in Endlosschleife: und all dies nur um jenes kurzen Kribbelns der Authentizität willen. Doch es ist nie genug, der Stoff macht süchtig, der Realisierungszwang gerät außer Kontrolle...

Bei Tom McCarthy werden Millionen verflüssigt und Ideen verfestigt, doch die Realität sträubt sich gegen Spekulation in jeder Hinsicht. Sein Debüt verteidigt auf so ironische wie unterhaltsame Weise den Ruf der guten alten Materie: matter matters. Die Literatur konnte noch nie ohne ihren Stoff. Hier meldet sich ein Autor zu Wort, der diese Erkenntnis neu reklamiert: voller Sprach- und Aberwitz, beste britische Tradition.
Autorenporträt
McCarthy, TomTom McCarthy ist Generalsekretär der International Necronautical Society, einem semi-fiktiven Avantgarde-Netzwerk, und hat zahlreiche Erzählungen und Essays veröffentlicht. »8½ Millionen«, sein erster Roman, erhielt 2008 den Believer Book Award. Seine Romane »C« (2010) und »Satin Island« (2015) standen auf der Shortlist des Man Booker Prize. Er lebt in Berlin.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.05.2012

Kunstvoll knistert die Konstruktion
Kalter Kitsch: Tom McCarthys „K“ hüllt den Umbruch der Moderne in das Gewand des historischen Romans
Bereits der Beginn ist Täuschungsmanöver und Irrfahrt. Denn da rollt im Anfangskapitel von „K“ eine Kutsche auf das Gut Versoie zu; auf dem Vordersitz des Einspänners sitzt Dr. Learmont, „frisch zugelassener Arzt für die Bezirke West Masedown und New Eliry“, auf dem Weg zu einer Geburt. Man schreibt das Jahr 1898, und die in den ersten Sätzen von Tom McCarthys Roman ganz bewusst platzierten Stichworte (Kutsche – Landgut – Geburt) rufen einen Assoziationszusammenhang auf, der unwillkürlich verknüpft ist mit den Begriffen Viktorianisches Zeitalter, Bildungsroman, Psychologie. Und schon ist man auf der falschen Fährte.
Das ist das Bauprinzip des gesamten Textes, der mit Verbindungen innerhalb seiner selbst, Anschlüssen an die Literatur- und Technikgeschichte, Verweisen und Rückkoppelungen nur so gespickt ist. Der Engländer Tom McCarthy, 1969 geboren und einer der Stars der jungen britischen Literaturszene, hat es vor allem seinem deutschen Übersetzer Bernhard Robben nicht leicht gemacht. „C“, so heißt der Roman im Original. C steht für communication, connection, code, catacomb und allerlei mehr. All das ließ sich, wie Robben in seinem Nachwort anmerkt, noch relativ problemlos ins Deutsche retten; andere, feinere Nuancen seien verloren gegangen. Stattdessen tritt in der Übersetzung eine nicht unbedeutende Komponente hinzu: K wie Krieg.
Zurück nach Versoie. Dort wird Serge Karrefax als Sohn einer tauben Mutter und eines wissenschaftseuphorischen Vaters geboren. Der Vater unterrichtet taube Kinder im Sprechen und hat sein Landgut nicht nur in das telegrafische Kommunikationssystem sozusagen eingehackt, sondern es auch zu einer Art labyrinthischem Großlabor ausgebaut. Dass „K“ alles ist, nur kein psychologischer Roman, begreift man schnell. McCarthy erzählt streng im Präsens und aus der reinen Außenperspektive. Es gibt keine Reflexionen, nur Reize, die allerdings in schieren Massen. Sie strömen auf Serge und seine Schwester ein, durch sie hindurch, reißen sie mit, verführen sie. Im Fall der naturwissenschaftlich genialischen Schwester, deren Geist sich zusehends verwirrt, wird das bereits früh einen tödlichen Ausgang haben.
Serge fungiert als ein Medium der neuen, heraufkommenden Zeit. „K“ ist ein Schwellenroman; ein aufnahmebereites Buch, das die revolutionären Umbrüche der Jahrhundertwende mitnimmt und die vibrierende Nervosität jener Zeit mit dem Heutigen verbindet: Kommunikation als Herrschaftsinstrument, Kriegsführung nicht als blutiges Gemetzel, sondern als präzise berechenbares Brettspiel. Unter der nur zu Beginn halbwegs heimeligen historischen Erzähloberfläche verbirgt sich etwas Kaltes, Lauerndes: Technik, Erkenntnisdrang, Kapitalismus und Gewalt. In diesen Zusammenhängen steht das Subjekt Serge, wenn man von einem solchen überhaupt sprechen darf, zunächst hilflos und verloren. Wenn es so etwas wie eine Entwicklung im konventionellen Sinn gibt, dann lässt sie sich anhand zweier aufeinanderfolgender Kapitel veranschaulichen: Im einen, dem besten des gesamten Romans, soll Serge in einem böhmischen Heilbad von der Krankheit der schwarzen Galle, der „mela chole“ geheilt werden, die sich über sein Gesichtsfeld legt wie bei seiner Geburt die Fruchtblase. Im darauf folgenden Kapitel zieht Serge als Aufklärungsflieger in den Ersten Weltkrieg und erst hier, in der geometrisch klaren Sicht auf die Welt, erschließt sich ihm, der von Kind an keine Perspektiven zeichnen konnte, die im ätherischen Rauschen der Codes verloren gegangene Einheit von Zeichen und Bezeichnetem.
Das Kriegskapitel ist es aber auch, das den Roman zum Kippen und McCarthys bereits zuvor deutlich spürbare Lust am Brillieren zum Vorschein bringt. Kurbad und Thomas Mann als Verweiszusammenhang mögen in einem derart angespannten Sprachumfeld, auf dem alles rast, nach Begriffen, nach Bedeutung und Entgrenzung sucht, noch funktionieren; Krieg und Ernst Jünger im Sound von McCarthy produzieren dann aber doch Technokraten-Schwulst: „In diesen Momenten kommt Serge sich wie der Eiffelturm vor, wie ein Mast, der die ganze Welt reanimiert, der die Nullstunde eines neuen Zeitalters ausruft, die Ära von Metall und Sprengstoff, von Geometrie und Verbundenheit – sie wieder und wieder ausruft, auf dass ihre Geburt während dieser so komplexen und ekstatischen Opferhandlung in weihevoller Wiederholung begangen werde.“
„K“ mag über alles Mögliche verfügen, über zweierlei ganz gewiss nicht: über Ironie und über ein Verhältnis zu sich selbst. Das ist das Problem dieser Art von handwerklich zweifellos brillanter Literatur, in der die Motive bis in die diversen Tiefenschichten hinein miteinander korrespondieren, in der sogar die Seidenspinnerei der Mutter ihre Spiegelung in den Fallschirmen der Kampfflieger findet, einer Literatur, in der alles flirrt und blinkt und glitzert – sie besitzt keine Haltung, sondern nur ein ausfaserndes Bündel von Ideen, das der Text mit sich schleift. „K“ also nicht nur wie Karrefax. „K“ auch wie kalter Kitsch.
CHRISTOPH SCHRÖDER
TOM MCCARTHY: K. Roman. Aus dem Englischen von Bernhard Robben. Deutsche Verlagsanstalt, München 2012. 474 Seiten, 24,99 Euro.
Diesem brillanten Buch
fehlt es an Ironie und einer
Haltung zu seinem Gegenstand
Fallschirmexperimente am Eiffelturm in Paris, 1913. Foto: Scherl
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»McCarthy bewegt sich leichthändig zwischen Kunst, Theorie und Literatur.« Florian Keller, Tages-Anzeiger