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Wien gilt als Geburtsort des Schnitzels, Wiege der Hochkultur und Stadt mit der höchsten Lebensqualität. Das klingt so weit ziemlich sensationell, bis man die eine Sache tut, die Wiener am wenigsten ausstehen können: nämlich ihre Postkarten-Idylle hinterfragen.
Dann bemerkt man ziemlich rasch, dass das Schnitzel eigentlich aus Mailand kommt, die Hochkultur hier nur noch im Museum existiert und die Daten zur Lebensqualität von einem Personalunternehmen erhoben werden, das alljährlich gut situierte Auslandsmitarbeiter befragt, in welcher Stadt man sich mit viel Taschengeld am besten vor der…mehr

Produktbeschreibung
Wien gilt als Geburtsort des Schnitzels, Wiege der Hochkultur und Stadt mit der höchsten Lebensqualität. Das klingt so weit ziemlich sensationell, bis man die eine Sache tut, die Wiener am wenigsten ausstehen können: nämlich ihre Postkarten-Idylle hinterfragen.

Dann bemerkt man ziemlich rasch, dass das Schnitzel eigentlich aus Mailand kommt, die Hochkultur hier nur noch im Museum existiert und die Daten zur Lebensqualität von einem Personalunternehmen erhoben werden, das alljährlich gut situierte Auslandsmitarbeiter befragt, in welcher Stadt man sich mit viel Taschengeld am besten vor der rauen Realität des 21. Jahrhunderts verstecken kann.

Das klingt zwar weitaus weniger sensationell, beschreibt aber viel besser, was Wien wirklich ist: nämlich ein Ort des charmanten, walzertanzenden Selbstbetrugs und der mondänen Verlogenheit. Hinter jedem "Küss die Hand" lauert ein "Heast, Gschissener", hinter jedem Minderwertigkeitskomplex ein bisschen Größenwahn - und hinter jeder Ecke ein Haufen Hundekot.
Autorenporträt
Lust, Markus
MARKUS LUST, 1982, ist Chefredakteur von VICE Österreich. Er lebt seit 15 Jahren in Wien, was für manche ein Leben und für geborene Wiener natürlich nicht lang genug ist. Unter anderem veröffentlichte Lust bereits mehrere internationale Artikel zu Wien. Zuletzt widmete ihm die Washington Post einen guten Teil ihres Wien-Porträts.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.01.2017

NEUE REISEBÜCHER

Für die Tasche Der Wiener ist berühmt dafür, die Wahrheit ungeschminkt zu sagen. Er hatte ja Thomas Bernhard, der vom "schamlosen Schwachsinn des gemeinen rotzigen Wienertums" schrieb. Da passt es, dass der Wiener Journalist Markus Lust ein Buch über "111 Gründe, Wien zu hassen" veröffentlicht. Es geht um: die Mentalität (wie im Altersheim), den öffentlichen Nahverkehr (kaputt), den Meiselmarkt (hässlich), den Westbahnhof (hässlich), die Kaffeehauskultur (Disneyland). Zu alldem liefert das Buch längere Absätze, quasi 100 Zeilen Hass für jeden einzelnen Gegenstand. Nun ist es sicher manieriert, wenn ein eher junger Autor (34), zudem Chefredakteur des Krawallmagazins "Vice", sich in Publikumsbeschimpfungen versucht. Amüsant ist es aber auch, denn man lernt viel. ("Sobald beim Bäcker mehr als zwei Personen hintereinanderstehen, bricht eine Stimmung aus wie beim Ladenansturm kurz vor Naturkatastrophen", und dazu eine lange Tirade darüber, dass Wiener nicht geordnet Schlange stehen können.) Wie der Autor sich einmal einen Tag lang auf einem Klo der Wiener Uni übergeben musste, ist dann eher nur für "Vice"-Leser gedacht. Der Tonfall des Magazins lebt ja davon auszustellen, was man alles Unglaubliches mal getan hat. Immer wenn das Buch das nicht versucht, ist es gut. Seine Berechtigung hat es schon, weil Wien in letzter Zeit wieder einen Ruf als aufregende Metropole bekommen hat, vom "Hype" wird gesprochen, gefährliche Worte, denen junge Touristen bekanntlich immer sofort glauben schenken und losfliegen. Nachdem das Hass-Buch oft konstatiert, dass Wien keine Metropole sei und keinen Stil habe, endet es versöhnlich. Das möge man überblättern! Der Groll und die Wut waren witziger. Wer sich aufregt, dem liegt etwas an der Sache.

tlin

Markus Lust: "111 Gründe, Wien zu hassen. Die Stadt, so wie sie wirklich ist". Schwarzkopf und Schwarzkopf, 220 Seiten, 9,99 Euro

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