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Brilliant, witzig, böse behandelt Boyle in seinen neuesten Geschichten auf seine gewohnt sarkastische Weise Alltagsschicksale und merkwürdige Angewohnheiten amerikanischer Bürger. Er erzählt von super-coolen Vätern, tatkräftigen Greisinnen, schrillen Athletinnen und einsamen Männern.

Produktbeschreibung
Brilliant, witzig, böse behandelt Boyle in seinen neuesten Geschichten auf seine gewohnt sarkastische Weise Alltagsschicksale und merkwürdige Angewohnheiten amerikanischer Bürger. Er erzählt von super-coolen Vätern, tatkräftigen Greisinnen, schrillen Athletinnen und einsamen Männern.
Autorenporträt
T. Coraghessan Boyle, geboren 1948 in Peekskill, New York, unterrichtet an der University of Southern California in Los Angeles. Für seinen Roman ¿World's End¿ erhielt er 1988 den PEN/Faulkner-Preis. Als Enfant terrible der amerikanischen Gegenwartskultur wurde T. C. Boyle zum Pop- und Literaturstar seiner Generation.   
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.05.2002

Schwaches Fleisch, starker Abgang
Triebverzicht und Glückssuche: T. C. Boyles Erzählungen

Komik wie Tragik scheinen sich in der amerikanischen Kultur aus dem doppelten, zugleich befreienden und einengenden Versprechen der protestantischen Sekten herleiten zu lassen, die jedem versprochen hatten, er sei seines eigenen Glückes Schmied und könne eine exklusive, persönliche (und möglicherweise auch sehr seltsame) Beziehung zum Absoluten erfinden und unterhalten. Dieses Versprechen hat die turbulent-komischen wie die tragischen Konflikte und Kompromisse zwischen Rechtschaffenheit und Ausgeflipptheit, Triebverzicht und Glückssuche, protestantischem Spießer und protestantischem Bohemien ins Werk gesetzt, die von Arthur Millers "Tod eines Handlungsreisenden" bis zum Film "The Big Lebowski" der Brüder Coen jene innerprotestantischen Fraktionierungskämpfe zu einem längst universal gewordenen Element der zeitgenössischen Weltkultur gemacht haben, ein kultureller Archetypus, den man versuchsweise als "Lebowskisches Schema" bezeichnen könnte.

"Sie wollte den Wettstreit", heißt es in einer der in dem Band "Schluß mit cool" versammelten neuen Geschichten von T. C. Boyle, "und sie wollte ihn gewinnen - immer glänzte da vor ihr als schillernde Ikone das Bild des Triumphs. Und wenn sie mal einen Durchhänger hatte, wenn Schnupfen oder Grippe an ihren Reserven zehrten und sie im eisigen Wasser des Pazifik oder im teuflischen Wind oben am San Marcos Pass den Mann mit dem Hammer zu spüren bekam, peitschte sie sich weiter nach vorn, trieb sich an mit einer inneren Reitgerte, die weder Ausreden akzeptierte noch Ausnahmen für das schwache Fleisch gewährte. Sie war achtundzwanzig und bereit, die Welt zu erobern."

So beispielsweise beschreibt Boyle in einer Geschichte den asketisch-erfolgsorientierten Pol jenes protestantischen Dilemmas, eine vom Marathonlaufen, dem Geldverdienen und dem Traum von der ewigen Jugend besessene Angestellte. Und so sieht ihr Antagonist aus: "Jason Barre dagegen, der dreiunddreißigjährige Surf-Tauch-Shop-Besitzer, mit dem sie seit etwa neun Monaten ziemlich regelmäßig ausging, schien wahrlich keinen Funken von Konkurrenzgeist zu besitzen . . . Jason war leidenschaftlicher Surfer, atmete gern Zigarettendunst in Sportkneipen, hatte ständig ein schläfriges kalifornisches Grinsen auf dem Gesicht, Plastiksandalen an den Füßen, und von der Taille abwärts war er bekleidet mit verblichenen Schlabberschorts, die nur mühsam von seinem sanft herabhängenden Bierbauch und dem Zwillingsanker der Hüftknochen gehalten wurden."

Es gehört zu den Regeln jenes "Lebowskischen Schemas", daß sich der Erzähler mit seinen Sympathien auf keine der beiden Seiten des protestantischen Dilemmas stellt. Und so findet sich, soweit man sehen kann, in diesen Geschichten eigentlich keine wirklich sympathische Figur. Sie sind bevölkert von Menschen, die man mit einem unübersetzbaren angelsächsischen Ausdruck am treffendsten bezeichnet als "people you love to hate". Und doch schreibt eine sadistische und ebenfalls sehr protestantische Grundhaltung vor, daß der Loser in jenen Geschichten dann eigentlich doch jedesmal siegt, auf wie dreckige und hinterhältige Weise auch immer.

T. C. Boyle, ein populistischer und technisch versierter Erzählprofi, spinnt seine Leser meist schon in den ersten Zeilen in eine komplizenhafte Parteigängerschaft mit dieser sadistisch-protestantischen Schadenfreude ein. So in der zitierten Geschichte, wenn Beachboy Jason seiner Freundin, nachdem er ihr "schwaches Fleisch" am Abend vor dem alles entscheidenden Marathon bereits mit seinem Verlangen nach Geschlechtsverkehr geschwächt hatte, einen Cocktail aus Beruhigungsmitteln in Obstsaft zureicht: den Schierlingsbecher, der seiner Amazone dann bald genug die Bekanntschaft mit "dem Mann mit dem Hammer" verschaffen wird.

"Winning ugly" lautet das Motto eines protestantischen Verlierers wie T. C. Boyles Jason Barre. Und es versteht sich eigentlich von selbst, daß seine Siege ihm selbst am meisten schaden. Daß alles, was schiefgehen kann, auch tatsächlich schiefgeht, ist das verschwiegene Motto der in diesem tiefschwarz komischen Band sich aneinanderreihenden amerikanischen Katastrophen. Das allamerikanische Highschool-Liebespaar bringt das in einem Moment der romantischen Unachtsamkeit in der heroischen Landschaft der Catskill-Mountains gezeugte Baby um und wirft es in einen Müllcontainer. Der jugendliche Delinquent, der zu Resozialisierungszwecken seinem Bruder in dessen Abtreibungsklinik beim Petrischalenspülen helfen soll, richtet unter den das Krankenhaus mit Transparenten und Trillerpfeifen umzingelnden Abtreibungsgegnern ein Blutbad an. Das übergewichtige Scheidungsopfer aus San Francisco fällt an seinem mexikanischen Urlaubsort einer femme fatale zum Opfer, die ihm so schöne Augen macht, daß unser Dickerchen sich wieder als Mann fühlt - und prompt von den Komplizen seiner Dulcinea am sternenüberglänzten balsamisch duftenden Tropenstrand ausgeraubt wird. "Man könnte es Hybris nennen", heißt es auf dem Höhepunkt seines trügerischen Glücks, und "er hatte kein Recht auf Gina, auf diesen Tisch und auch nicht auf das Hotel. Er würde es nicht mal bis ans Ende der ersten Runde schaffen."

Es ist deshalb ein spezielles Kunststück, daß Boyle seine erzähltheoretisch ambitionierteste und menschlich rührendste Geschichte über eine voyeuristische Internet-Frauen-WG schreibt, die sich im spießigsten amerikanischen Suburbia ansiedelt und die - man erinnere sich an das "Lebowskische Schema" - ins Leben des dort verschlossen und unbefriedigt herumlebenden Helden tritt. Eine der Frauen klingelt bei ihm, um ihn dafür zu gewinnen, daß er sich bei der Unterschriftensammlung der Anwohner gegen ihr Etablissement nicht beteiligen möge. Die Verlockung, die ihn gut protestantisch eigentlich nur als zahlenden Techno-Voyeur übers Internet erreichen sollte, tritt ihm - ein pathetischer, am Rand des Kitschs balancierender Moment - schon zu Beginn der Geschichte in Fleisch und Blut gegenüber. Pflichtschuldig bemüht sich der Held, die Gegenwart dieser wirklichen Frau in die Virtualität zurückzuverwandeln, die ihm einzig erlaubt und vorstellbar scheint: Er tut in den nächsten Tagen nichts anderes mehr, als "zu www. peephall.com hinüberzusurfen und eine andere Sorte Roman vor meinen Augen Gestalt annehmen zu lassen" (selten ist der postmoderne Roman so einleuchtend mit einer Internet-Peepshow verglichen worden wie in dieser Geschichte).

Aber der Geist ist schon aus der Flasche und es wird nicht mehr lange dauern, bis die reale Kurzgeschichten-Figur in dem Haus, wo jener Internet-Roman spielt, anklopfen wird, um die reale Kurzgeschichten-Frauenfigur in seine Arme zu schließen - worauf die beiden nicht mehr weiterwissen: ",Nicht hier', sagte sie und sah direkt in die Kamera. ,Sie mögen das nicht. Sie mögen nicht einmal das hier.' ,Na gut', sagte ich, und auch ich blickte auf, geradewegs in das gläserne Auge von Kamera 1. ,Was machen wir dann jetzt?' ,Ich weiß nicht', sagte sie. ,Halt mich einfach fest.'"

In diesem ingeniös verschachtelten Schluß der Kurzgeschichte "Peep Hall" sind Tragik und Komik des protestantischen Glücksversprechen auf so verteufelt humane Art dasselbe geworden, daß es einem Leser literarisch auch dann einleuchten kann, wenn er gegen die manifeste moralische "message" des Autors - dem tief protestantischen Credo, daß Triebenthemmung in Wirklichkeit totalitäre Unterdrückung sei - mißtrauisch bleiben möchte.

STEPHAN WACKWITZ.

T. C. Boyle: "Schluß mit cool". Erzählungen. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Werner Richter. Hanser Verlag, München und Wien 2002. 392 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Erfrierendes Lächeln
Fällt der Name T.C. Boyle, fällt auch das Stichwort Humor. Gemeint ist dann allerdings nicht jene heitere Ausgelassenheit, die uns Tränen in die Augen treibt, sondern schwarzer Humor. Das Groteske und Absurde, das Boyle in beinahe allen Stories und Romanen beschreibt, ist an sich nicht lustig, aber ungewohnt und überraschend. Das zaubert uns ein Lächeln auf die Lippen, das sogleich wieder erfriert.
Apokalypse und Paranoia
So gilt das auch für einen Großteil der 16 Stories, die in diesem Band vorliegen. Die für Boyle typische Mischung aus apokalyptischen Szenarien, unheimlichen Paranoikern und absurden Begebenheiten lässt einen nicht gerade fröhlicher in die Welt schauen. Ein alternder und zunehmend erfolgloser TV-Star wird von einer Gruppe Jugendlicher angepöbelt und greift schließlich zum Gewehr. Ein smarter Geschäftsmann randaliert in einem Flugzeug und kann nur nach einem mittleren Blutbad ruhig gestellt werden. Ein junges Pärchen wähnt sich von einem Massenmörder verfolgt, als bei einer Nachbarin eingebrochen wird und erschießt um ein Haar einen verwahrlosten, aber harmlosen Penner. Ein Barkeeper in Alaska läuft Amok, weil ihm das Mädchen ausgespannt wird. Zwei Schwestern haben sich ihre Welt komplett in schwarz-weiß eingerichtet und nötigen ihren Gärtner, den in jahrelanger Arbeit gepflegten Garten einzubetonieren. Zu viel Farbe.
Böse, schrill, zärtlich, leise
So treibt Boyles Fantasie wieder gewohnt eigenartige Blüten, eingebettet in szenische Miniaturen, getragen von einem Erzählstil, der zwar distanziert, aber nicht gleichgültig wirkt. Beispielhaft die Story "Meine Witwe", in der ein verstorbener Mann aus der Ferne seine Frau dabei beobachtet, wie sie einen Trickdieb (was sonst?) überwältigt. "Schluss mit cool" ist eine Sammlung von gegensätzlichen Geschichten: böse und schrill auf der einen Seite, zärtlich und leise auf der anderen. Und die Moral von den Geschichten? Der Hebel im Hirn steht ständig auf der Kippe. rgendwann macht es "Klick". Und dann ist schluss mit cool.
(ah/André Lorenz. Medien)
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 17.04.2002

Der Putzerfisch im Aquarium einer schwangeren Serienkillerin
Betont verrückte Zuckerwattenexplosionen: T. C. Boyle lässt in dem Sammelband „Schluss mit cool” den Textgenerator heisslaufen
Wer das Gefühl hat, seiner Prosa den letzten Schliff geben zu müssen, kann an der University of Southern California bei T. C. Boyle ein Studium in Creative Writing absolvieren. Seit 1977 unterrichtet der Romancier und Verfasser von Short Stories in Los Angeles amerikanische Schreibtechniken. Wer jedoch zu viel Angst vor Erdbeben, Elektrizitätsausfällen und Downtown- Gangs hat, kann auch einfach T. C. Boyles neueste Sammlung von Kurzgeschichten lesen.
In jeder dieser Kurzgeschichten spürt man Boyles unmittelbare Nachbarschaft zu Hollywood. Ohne großen Aufwand ließen sich alle Texte in ein Drehbuch umschreiben. Boyle packt das zappelnde Leben in einem besonders dramatischen, exemplarischen oder allegorischen Moment am ängstlich gesträubten Nackenfell und sperrt es zwischen seine Zeilengitter, wo er mit seinem Opfer lustige Experimente veranstaltet. Bleibt die Frage, ob das Leben im echten Leben überhaupt so viel zappelt.
Mit herzerweichender Willkür wählt Boyle seine Extremsituationen aus. Das Grundmuster der Konflikte ist die Gegenüberstellung von möglichst gegensätzlichen Charakteren. In Alaska werden bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung Dates mit kalifornischen Frauen versteigert. Eine verbissene Triathletin führt eine gestörte Beziehung mit einem trinkenden, motivationsarmen Surf-Slacker. Ein manischer Einsiedel verliebt sich in eine sorglose Exhibitionistin, die in einem Haus voller Web-Cams lebt und ihre Privatsphäre einer voyeuristischen Abonnement-Gemeinde verkauft.
Manchmal pfercht der Autor gleich mehrere Problemkinder in einen engen Laufstall, bis all das geballte Konfliktpotential seine Story sprengt: Ein ehemaliger Kokser kommt zwecks sozialer Eingliederung zu seinem älteren Bruder, der eine gynäkologische Klinik betreibt, vor deren Toren hartnäckige Abtreibungsgegner so lange protestieren, bis der Ex-Kokser Amok läuft und unter Tabletteneinfluss ein paar Demonstranten erschießt: „Ich war nämlich bewaffnet.” Das ist schön. Nur schade, dass nicht noch ein schwuler Pastor mit Hirntumor in der Geschichte vorkommt. Boyle hat es gerne ein, zwei Nummern zu groß. Er zeigt nicht einfach nur das Zerbrechen einer Jugendliebe, sondern schildert, wie zwei Teenager ein ungewolltes Baby in den stinkenden Müllcontainer werfen, verhaftet werden und sich dann gegenseitig den Prozess machen. Das ist der Stoff für Schlagzeilen im Ressort „Vermischtes”. Boyle hat das lakonische Genre der klassischen amerikanischen Short Story in eine betont verrückte Zuckerwattenexplosion verwandelt.
All seine Scherenschnitte tragen noch die löchrigen Spuren an jenen Stellen, wo der Autor sie an sein Reißbrett geheftet hat. Die Figuren sind nur hölzerne Bauernopfer in abstrakten Fingerübungen und gezwungenen satirischen Kabinettstückchen. Die Plots wirken zu konstruiert, um aus dem prallen Leben gegriffen zu sein, von dem sie vorgeben zu handeln. Der Leser dieser Texte bekommt den Eindruck, dass die Short Story mittlerweile eine ziemlich leere Formenhülse ist, die in der Prosa ihre Schuldigkeit getan hat wie das Sonett in der Lyrik. Es braucht schon sehr viel Experimentierfreude, um diese starre Form wiederzubeleben. Sonst bleibt sie einfach nur ein zuverlässiger Textgenerator für den Schreib-Workshop.
Boyles Markenzeichen ist der extravagante Vergleich, das schräge Bild und die skurrile Metapher. In einer Art literarischem Fordismus produziert er Bilder am laufenden Band. Unermüdlich befördern die Schaufeln der ratternden „Wie”-Maschine poetische Rohmasse. Mit seinen skurrilen Bildern appliziert der Autor tatsächlich manch originellen Zierrat an seine wackeligen Prosafassaden. In seinen besten Momenten bekommt Boyle das zweite Gesicht, mit dem er die Poesie hinter den Kulissen entdeckt.
Oft offenbart sie sich in verblüffenden visuellen Eindrücken, was das Filmische an Boyles Texten verstärkt. Sieht man einmal von der schematischen, sehr gekünstelten Dramaturgie dieser Short Stories ab, lässt sich ihre phantasievolle sprachliche Oberfläche durchaus genießen. Die Situationen sind meist albern, ihre Schilderung jedoch ist humorvoll.
Vor allem aber hat diese Sammlung einen unbestreitbaren pädagogischen Wert. Aus ihr lassen sich die zehn goldenen Regeln der total verrückten, poppigen und quietschvergnügten Short Story ableiten. So entsteht ein Kanon, der als hervorragendes Arbeitsmaterial für ein Fernstudium des American Cool an der University of Southern California dient:
Erstens: Wen interessiert der bescheuerte Kassierer am Geldschalter? Schreib über den Bankräuber.
Zweitens: Lade eine Person mit positiver, eine zweite mit negativer Energie auf, stecke sie in einen Fahrstuhl oder Wellness-Tank, und dann lass es krachen. Aber richtig!
Drittens: Zieh dir zehn Stunden lang Backstage- Interviews mit Gangsta-Hip-Hoppern rein. Dann liest du eine Seite aus Salingers „Fänger im Roggen”, und erst danach schreibst du deine Dialoge. Versteht ihr Crack-Heads da draußen, was ich meine?
Viertens: Wenn dein Held vom Klo in die Küche geht, beschreibe den Flur. Im Flur liegt die Wahrheit. Vergiss auf keinen Fall zu erwähnen, dass das Telefontischchen aus lackiertem Palisanderholz ist. Vertiefe dich in seine hypnotische Maserung, beschreibe die Wasserringe auf seiner Oberfläche und leite von da aus einfühlsam, aber witzig auf den zivilisierten Nachmittag-Alkoholismus der Mutter deines Helden über.
Fünftens: Eine Rose ist keine Rose ist keine Rose. Sondern ein zerrupftes, durch beschissene NATO-Stacheln geschütztes Chlorophyll- Endlager, das aussieht, als hätte fuckin´ Bugs Bunny sich seine Blume in Erdbeerkaugummi-Rosa gefärbt und danach vergessen, sie zu kämmen, Himmel Arsch und Zwirn.
Sechstens: Wenn du plötzlich eine Schusswaffe für deinen Helden brauchst, nimm sie einfach aus seinem Nachttischchen. Da liegt immer eine.
Siebentens: Die Munition ist eine Schublade tiefer, zwischen den Socken.
Achtens: Damit auch der allerletzte Amazon.com-Kunde noch versteht, dass Du hier der Hipster bist und niemand sonst, druckst du einfach ein paar Worte in Kursivschrift. Ich meine kursiv, so richtig kursiv. Erst dann klingst du im inneren Ohr des Lesers wirklich wie Robert de Niro.
Neuntens: Versuch doch einfach mal, eine kleine Geschichte aus der Perspektive des unterernährten Putzerfisches im veralgten Wohnzimmeraquarium einer schwangeren Serienkillerin aus einem Industriegebiet zwanzig Kilometer vor New Orleans zu schreiben. Es bringt ziemlichen Spaß, und ich meine, versuchen kostet ja nichts.
Zehntens: Lass alles von Werner Richter übersetzen. Er kann es.
Diesen Regeln möchte man allerdings nach knapp vierhundert Seiten eine elfte hinzuzufügen: Schluss mit cool!
STEPHAN MAUS
T. C. BOYLE: Schluß mit cool. Erzählungen. Aus dem Amerikanischen von Werner Richter. Carl Hanser Verlag, München Wie 2002. 392 Seiten, 19,90 Euro.
T.C. Boyle beim Autogrammegeben in der Münchner Muffathalle, 2001.
Foto: D. Samanns
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Keinen Gefallen getan hat sich T.C. Boyle mit der Veröffentlichung dieses Erzählbandes, meint Thomas Leuchtenmüller. Enttäuscht registriert der Rezensent mehr als in den früheren Prosabänden ein "geschicktes Verwalten" des erzählerischen Wunderkastens, den Boyle gerne in bewährter Manier mit kleinen Knalleffekten öffnet und skurrile Geschichten, allesamt realistisch vorgetragen, entsteigen lässt. Wiederkehrende Handlungsmodelle und Motive - Umwelt- und Kapitalismuskritik, Medienschelte, Ticks und Laster - stören Leuchtenmüller nicht, wohl aber ihre mal eitle, mal seichte Wiederaufbereitung. Jüngeren Erzählern wie Bret Easton Ellis oder Will Self, die ebenfalls gerne Rundumschläge austeilen , mag Leuchtenmüller ihre Eitelkeit ja nachsehen, nicht aber T.C. Boyle, dem Älteren, der schon viel Besseres vorgelegt hat, wie der Kritiker findet. Allerdings, gesteht Leuchtenmüller, enthält der Band mit seinen 16 Short Stories zumindest drei Geschichten, die unbedingt lesenswert sind und ihn mit allem aussöhnen.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Boyle packt das zappelnde Leben in einem besonders dramatischen, exemplarischen und allegorischen Moment am ängstlich gesträubten Nackenfell und sperrt es zwischen seine Zeilengitter, wo er mit seinem Opfer lustige Experimente veranstaltet." Stephan Maus, Süddeutsche Zeitung, 17.04.02 "Diese 16 Geschichten üben einen rätselhaften Sog aus. So gesehen, liest sich das Buch wie eine systematische Studie von betörender Genauigkeit." Walter van Rossum, Die Zeit, 15.09.02 "Mit T.C. Boyle ist Franz Kafka in Amerika angekommen, nur realitätssatter und besser konsumierbar." Erich Demmer, Die Presse, 16.03.02 "Virtuos entwirft Boyle Charaktere aus verschiedenen US-Regionen, aus verschiedenen Generationen und sogar Epochen." Basil Wegener, Frankfurter Neue Presse, 07.03.02