Produktdetails
  • Verlag: Plaza & Janes
  • Spanisch
  • Gewicht: 755g
  • ISBN-13: 9788401335556
  • ISBN-10: 8401335558
  • Artikelnr.: 14167175
Autorenporträt
Isabel Allende, geboren 1942 in Lima/Peru, ging nach Pinochets Militärputsch am 11. September 1973 ins Exil. 1982 erschien ihr erster Roman "Das Geisterhaus", der zu einem Welterfolg und 1993 vom dänischen Regisseur Bille August verfilmt wurde. Allende arbeitete unter anderem als Fernseh-Moderatorin und war Herausgeberin verschiedener Zeitschriften. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Kalifornien.
Im Jahr 2011 wurde ihr der Hans-Christian-Andersen-Literaturpreis, einer der wichtigsten Literaturpreise Dänemarks, verliehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.06.2005

Reiten für Suhrkamp
Isabel Allendes "Zorro" mischt den Frankfurter Verlag auf - und erzählt, was der Mann mit der Maske wirklich will

Neulich ist Post von Zorro gekommen. Es war ein Brief, mit der Hand geschrieben, etwas schnörkelig die Schrift, aber insgesamt ganz gut zu lesen. "Damas y Caballeros", so fing er an, der Mann aus Alta California, schrieb dann aber weiter in einem Deutsch, das fehlerfrei und nur ein bißchen gestelzt klang: "Wie viele Abenteuer muß man bestehen, um sich einer großen Erzählerin würdig zu erweisen", fragte Zorro gleich im ersten Satz, und bevor man lang darüber nachdenken konnte, ob die korrekte Antwort nicht "null" heißen müßte, weil ja große Erzählerinnen von Dorothy Parker bis Judith Hermann immer ganz gut ohne Fechtduelle, Reiterkunststücke und schwarze Masken ausgekommen sind, bevor einem also die Sinnlosigkeit dieser Frage so recht bewußt wurde, gab Zorro schon die Antwort: Er jedenfalls habe genug Abenteuer erlebt, und deswegen habe jetzt eine gewisse Doña Isabel ein Buch über ihn geschrieben, welches endlich das Geheimnis enthülle, wie Zorro wurde, was er ist. Es habe Schwung, dieses Buch, schrieb Zorro weiter, und es werde ihm großer Erfolg beschieden sein. Der Brief hörte auf, wie er angefangen hatte - auf spanisch grüßte uns Zorro ganz herzlich; unterschrieben hat er mit einem riesigen Z.

Dieser Brief, so sah es aus, mußte lange unterwegs gewesen sein; denn nach übereinstimmender Ansicht aller maßgeblichen Zorroforscher ist dieser Mann, erstens, die reine Erfindung; und er ist, zweitens, in dieser Eigenschaft vor etwa hundertfünfzig Jahren gestorben, im Kampf, wie es sich für Zorro gehört.

Wo also kam dieser Brief her, und was wollte er seinen Lesern sagen? Das Rätsel löste sich auf bei Durchsicht der restlichen Post - der Brief war Teil eines größeren Pakets, welches der Suhrkamp-Verlag anscheinend an Buchhändler und Journalisten verschickt. Darin findet sich, außer Zorros netten Zeilen, auch eine Broschüre, deren Titelseite das große Z zeigt; ein paar Seiten weiter ist ein Bild der Schriftstellerin Isabel Allende abgedruckt, und ganz am Schluß zeigt ein Foto große Stapel von "Zorro", dem Roman; und daneben listet Suhrkamp weitere sogenannte Werbemittel auf. Als Buchhändler kann man sich eine lebensgroße Zorro-Pappfigur fürs Schaufenster bestellen; wer nicht soviel Platz hat, bekommt Aufkleber mit einem roten Z oder Lesezeichen in der Form des Mannes mit der Maske. Der Brief war offensichtlich eine Fälschung; ein Pseudo-Zorro aus dem Suhrkamp-Verlag hat ihn geschrieben.

Was macht aber Zorro in der Suhrkamp-Kultur, und wie ist er da hineingeraten? Theodor W. Adorno, um dieser Kultur mal kurz an den Kopf zu fassen, taucht ja auch nicht in einem amerikanischen Superheldenfilm auf, nennt sich nicht "The Teddy" und stellt auch nicht Spiderman vor die unlösbare Frage, ob es ein richtiges Leben im falschen geben könne. Und Peter Handke, als er "Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina" unternahm und "Gerechtigkeit für Serbien" forderte, war nicht mit Maske, Degen und Pferd unterwegs (obwohl die Vorstellung reizvoll wäre). Zorro als Bewohner der Suhrkamp-Kultur, das ist nur als grandioses Mißverständnis denkbar - oder als elaborierter Pop, so ironisch wie die Prosa von Thomas Meinecke, so reflektiert wie die Texte von Rainald Goetz.

Es ist aber alles viel einfacher: Isabel Allende, die Exil-Chilenin und Nichte des ermordeten Präsidenten, Isabel Allende, die dem Suhrkamp-Verlag mit ihrem "Geisterhaus" einen gewaltigen kommerziellen Erfolg bescherte und die zwar schon immer ein sehr verschwenderisches Verhältnis zu Adjektiven hatte, von den meisten Kritikern aber trotzdem für ihre erzählerische Kraft und die Intensität ihrer Gefühle gelobt wurde, diese Isabel Allende hat einen neuen Roman geschrieben. Der heißt "Zorro" - und der erste Eindruck ist der: Diesen Roman gibt es doch schon, "Zorro", auf deutsch erst vor kurzem wiederveröffentlicht als Taschenbuch, erschien 1919 als Fortsetzungsgeschichte in einem Pulp-Magazin unter dem Titel "The Curse of Capistrano", und als das Buch, nach dem sensationellen Erfolg des ersten "Zorro"-Films noch einmal herauskam, hieß es "The Mark of Zorro". Es ist die Geschichte des Don Diego de la Vega, eines spanischen Adligen, der im frühen 19. Jahrhundert eine große Hacienda in der Nähe der Ortschaft El Pueblo de Nuestra Señora la Reina de los Angeles besitzt (während die Stadt wuchs, schrumpfte ihr Name; heute heißt sie nur noch LA).

Don Diego gibt sich tagsüber als Schöngeist und Bücherwurm, als ein Mann, der mit einem Gedicht deutlich mehr anfangen kann als mit dem Degen oder der Pistole. Aber nachts schiebt er sich eine Maske vor die Augen, bindet sein schwarzes Cape um, besteigt seinen Mustang, der Tornado heißt, und dann kämpft er, der beste Fechter des amerikanischen Kontinents, gegen Ausbeuter und Unterdrücker, und wenn er einen Bösen besonders hart strafen will, dann ritzt er ihm das große Z in die Haut: Nachts ist er Zorro, der Fuchs, und das Z ist sein Zeichen.

Johnston McCulley, ein ehemaliger Journalist, war der Autor dieser Geschichte - und offenbar war Zorro der erste in der langen Reihe der Doppelexistenzen in der amerikanischen Popkultur, der Urahn und das Vorbild jener gespaltenen Persönlichkeiten, die, als sie knapp zwanzig Jahre später vor allem in den Comic strips erschienen, meist Superhelden hießen. Bob Kane, der Erfinder von Batman, hat immer wieder betont, daß sein Superheld eine Kreuzung aus Zorro und Dracula war. Und Clark Kent, Supermans ziviles Alter ego, hat seine Konfliktscheu und sein Stubenhockertum auch von Don Diego de la Vega. Und natürlich ging es in all diesen Geschichten darum, den amerikanischen Nächten, aus welchen Rationalität und elektrisches Licht alle Geister vertrieben hatten, einen Zauber und ein Geheimnis zurückzugeben.

McCulleys Roman ist trivial, mit allem, was das in der amerikanischen Literatur bedeutet: Viel Action, knappe Dialoge; es gibt keine Reflexion, es gibt aber auch keine Prätention; die Dinge werden beim Namen genannt, die Handlung folgt dem Autor aufs Wort - und natürlich wirft das die Frage auf, was Isabel Allende dieser Prosa entgegenzusetzen habe: den weiblichen Blick, den sogenannten magischen Realismus der Lateinamerikaner?

Die erste Antwort steht schon im Brief des Suhrkamp-Zorros: Isabel Allende erzählt eine andere Geschichte; sie will davon berichten, wie Don Diego zu Zorro wurde. Damit ist das, nachdem George Lucas im Kino von der Darthvaderwerdung des Anakin Skywalker erzählt hat und Christopher Nolan von der Batmanwerdung des Bruce Wayne, in dieser Saison schon die dritte Geschichte, die davon handelt, wie ein Mann zu seiner schwarzen Maske und seinem schwarzen Umhang kam. Und auch wenn drei schwarze Männer noch keinen Trend ergeben, deuten doch diese populärkulturellen Zeichen womöglich auf eine Abkehr von der Authentizitätsduselei der vergangenen Jahrzehnte. Die Wahrheit liegt nicht hinter den Masken - Darth Vader, Batman, Zorro, sie alle zeigen erst als Maskierte ihr wahres Gesicht.

Natürlich muß man auch Isabel Allende jetzt endgültig der populären Kultur zurechnen; ihr "Zorro" ist trivialer, als das die Literaturkritik normalerweise erlaubt, eine wüste Kolportage, mit Schauplätzen in Kalifornien, Barcelona, Santiago de Compostela und New Orleans, er ist bevölkert von indianischen Schamaninnen, katalanischen Verschwörern, herzensguten Zigeunern und karibischen Piraten, die gerne einen Papagei auf der Schulter tragen, und natürlich sind die Frauen, die Diego begehrt, überirdisch schön; wenn es um die Schönheit der Frauen und das Begehren der Männer geht, kommen gern die Schwanenhälse und das stockende Blut ins Spiel: "Ihre Anmut, die ebenmäßigen Züge und der Dreiklang ihres pechschwarzen Haars mit dem milchweißen Teint und den jadegrünen Augen waren unvergeßlich", heißt es einmal über ein adliges Fräulein, welches Diego dann aber doch nicht kriegt, weil die Schöne sich in einen gutaussehenden Piraten verliebt. So geht das bei Isabel Allende, und womöglich würde man sich von diesem überbordenden Blödsinn ganz gern hinreißen lassen, wenn sich Isabel Allende nur nicht als Schriftstellerin so furchtbar ernst nähme, weshalb sie, wenn sie die Gefühle beschwört: also ständig, jeder Metapher noch eine zweite und dritte hinterherschickt, damit nur ja kein Leser auf die Idee komme, ihre Sprache nach so bösen männlichen Eigenschaften wie Präzision oder gar Reflexion zu befragen.

Als Johnston McCulley seinen Zorro erfand, ging es ihm offensichtlich auch darum, dem historisch scheinbar absolut leeren und unbeschriebenen Land Kalifornien eine Vorgeschichte zu erfinden - und zugleich beschrieb er diese spanisch-mexikanische Zeit als so grausam, so ungerecht, so barbarisch, daß das Ziel dieser Geschichte nur darin bestehen konnte, daß das Land hier eines Tages zu den Vereinigten Staaten von Amerika werden würde, zum Land der Freien, der Heimat der Tapferen, wie es im Jahr 1848 auch geschah. Die Wahlkalifornierin Allende betreibt dagegen ethnopopuläre Geschichtspolitik. Der immer zahlreicher werdenden hispanischen Bevölkerung von Alta California ruft sie zu: Dieses Land war schon einmal unser Land. Und wenn die Zeiten damals auch nicht besser waren - galanter, zauberhafter und abenteuerlicher waren sie auf jeden Fall!

Mit Suhrkamp hat das alles nur insofern zu tun, als Verlage dieser Größe ja längst zu den Schwachen, den Bedrängten, den Armen gehören, zu denen also, die Schützlinge des Manns mit der Maske sind. Wenn also "Zorro" den Suhrkamp-Verlag am Leben erhält, wird das nicht die schlechteste seiner guten Taten gewesen sein.

CLAUDIUS SEIDL

Isabel Allende: "Zorro". Roman. Aus dem Spanischen von Svenja Becker. Suhrkamp-Verlag, Frankfurt 2005. 444 Seiten, geb., 22,80 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.08.2005

Zorro? Lange nichts von ihm gehört
Populäre Mythen sind nahezu unendlich wandlungsfähig: Davon profitiert auch Isabel Allendes neuer Roman „Zorro”
Rouben Mamoulian hat 1940 „Im Zeichen des Zorro” gedreht. Die sieghafte Geste, mit der Tyrone Power am Anfang und Ende seinen Degen in die Balken der Decke wirft, bleibt unvergesslich. Alex Toth, einer der großen Stilisten der amerikanischen Comics, hat sich in den späten Fünfzigern Zorro gewidmet. Die Geschichten, die im Auftrag Disneys entstanden sind, lesen sich etwas einfältig, aber die schwarzweißen Zeichnungen sind wunderbar. Ohne den kalifornischen Rächer gäbe es zudem keinen Batman. Nicht nur das dunkle Kostüm mit Maske und Cape, das beide tragen, weist auf ihre Verwandtschaft hin. Als Bob Kane 1939 seinen Superhelden erfand, übernahm er vor allem die spezifische Form der Doppelidentität: Damit sie nicht für ihre nächtlichen Aktivitäten verantwortlich gemacht werden können, markieren Diego de la Vega und Bruce Wayne tagsüber den harmlosen, etwas effeminierten Sohn aus reichem Hause.
Inzwischen hat Batman seinen Vorgänger an Popularität bei weitem überholt. Die Zeit verlangt nach gebrochenen, manischen Helden, eine romantische Mantel- und Degengestalt, die Herzen holder Frauen bricht und noch im hitzigsten Kampf nie um ein Scherzwort verlegen ist, wirkt heute wohl altmodisch. Dass Zorro nun dennoch eine viel beachtete Wiederauferstehung feiern kann, liegt an einem Trend, der sich schon seit mehreren Jahren beobachten lässt. Immer wieder nehmen zeitgenössische Bestseller-Autoren die Aufgabe an, berühmte Romane der populären, seltener der hohen Literatur fortzuschreiben. Die künstlerischen Erfolge waren stets sehr unterschiedlich: Robert B. Parker etwa imitierte Raymond Chandler besser, als dies Joan Aiken mit Jane Austen gelang. Zu Recht schon wieder fast vergessen ist die Fortsetzung von „Vom Winde verweht”.
Isabel Allende greift für „Zorro” auf einen Geschichtentyp zurück, der zum festen Bestandteil der Superhelden-Comics gehört. Es handelt sich um eine origin story, die erzählt, wie der Held zu dem wurde, was er ist. Zugleich variiert die Autorin den bekannten Stoff in einigen entscheidenden Punkten. Diegos Mutter, die zuvor nie eine Rolle spielte, ist nun eine Indianerin, die im Jahre 1790 ihren Stamm im Kampf gegen die Weißen anführt. In einem Gefecht wird sie verletzt und von Alejandro de la Vega gefangen genommen. Der Soldat und spätere Großgrundbesitzer verliebt sich in die schöne Toypurnia und beschließt - allen gesellschaftlichen Widerständen zum Trotz -, sie zu heiraten. So wächst Diego mit zwei Traditionen auf: Sein Vater erzieht ihn zum spanischen Aristokraten, seine Mutter und Großmutter, eine Schamanin, machen ihn mit der indianischen Weise, die Welt zu sehen, vertraut. Der stumme Bernardo, bisher nicht mehr als das treue Faktotum Diegos, ist nun dessen indianischer Milch- und Blutsbruder.
Seit der massenhaften Verbreitung der Rede des Häuptlings Seattle, erst recht seit dem Erfolg von „Der mit dem Wolf tanzt” ist offenbar keine Schilderung indianischen Lebens mehr möglich, die glaubt, auf eine gewisse New Age-Spiritualität verzichten zu können. Allende macht von dieser Regel keine Ausnahme. Das kann man ein wenig albern finden. Dennoch ist es nicht möglich, der Autorin vorzuwerfen, sie entstelle die ihr anempfohlene Tradition - denn diese zeigt sich für viele Auslegungen offen. Sollten populäre Mythen einen Schutzgott besitzen, dann ist es sicherlich Proteus: Wird ihr kleiner, harter Kern respektiert, sind sie nahezu unendlich wandlungsfähig.
Wie es sich für die Muster der origin story gehört, fehlt es in „Zorro” nicht an frühen Hinweisen auf das spätere Schicksal des Helden. Die „Feldzüge der Gerechtigkeit”, die seine Mutter führt, prägen ihn ebenso wie der Umgang mit seinem jüdischen Fechtlehrer, der aufklärerischen Ideen anhängt und Mitglied eines Geheimbundes namens „La Justicia” ist. Die akrobatischen Kunststücke Zorros werden zurückgeführt auf die waghalsigen Klettereien in der Takelage, die Diego als Halbwüchsiger auf der Überfahrt von der Neuen in die Alte Welt vollführt. Wichtiger noch sind freilich die Szenen, in denen die verschiedenen Elemente des Mythos sich in ihrer jungfräulichen Gestalt zeigen - und hier stößt Allende an ihre erzählerischen Grenzen. Wenn Diego zum ersten Mal sein Kostüm überstreift, um unschuldige Gefangene zu befreien, ist dies zwar spannend zu lesen. Es fehlt jedoch der Glanz, den das zauberische Licht des Anfangs auf das Vertraute zu werfen vermag. Vielleicht ist dieser Effekt in einem visuellen Medium, im Comic oder Film, auch wirkungsvoller herzustellen als in der Literatur.
Nahezu die Hälfte des Romans spielt in Barcelona, wo Diego ab seinem 15. Lebensjahr im Colegio de Humanidades seine Ausbildung vervollständigt. Hier verliebt der Held sich unglücklich in die bezaubernd schöne Juliana und begegnet Rafael Moncada, seinem Erzfeind, der ihm fortan heftig zu schaffen machen wird. Nicht ohne Geschick bettet Allende die Fiktion in die reale Geschichte ein, in das Spanien der napoleonischen Ära, das zerrissen ist zwischen Auflehnung gegen die französischen Besatzer und gelegentlicher Sympathie für deren liberale Ideen.
Um einen Schmöker von Rang zu schreiben, bedarf es einer gewissen Schamlosigkeit, einer Fähigkeit zum Exzess, zum reflektierten Kitsch. Die Autorin ist dazu am ehesten in der Lage, wenn sie Frauen schildert, seien sie traumhaft schön oder schon überreif wie eine führende Dame der feinen katalanischen Gesellschaft: „Andere Witwen mochten sich vom Häubchen bis zu den Ellenbogen unter düsteren Schleiern begraben, nicht so Eulalia. Sie bot all ihr Geschmeide auf dem Sims ihres Busens dar. Riesigen und rissigen Netzmelonen im Hochsommer gleich, quoll der Ansatz ihrer Brüste über den Ausschnitt, und Diego konnte, schwindlig vom Geglitzer der Steine und dem überbordenden Fleisch, den Blick nicht davon wenden.”
Als Diego, inzwischen 20-jährig, wieder an Bord geht, löst sich der Roman weitgehend aus seiner historischen Verankerung und segelt mit seinem Helden direkt in das Reich der Träume: zunächst in eine Karibik, die von einem skrupellosen, todschicken Korsaren beherrscht wird, dann in ein Kalifornien, das nur darauf wartet, zur Kulisse kühner Abenteuer zu werden. Von der tropischen Sonne erhitzt, treibt Allende die Handlung sehr schwungvoll voran, bis zu der hübschen Schlusspointe, die dem Mythos noch einmal eine neue Wendung gibt. Gleich drei Zorros gibt es nun - und einer von ihnen ist tatsächlich eine Frau.
CHRISTOPH HAAS
ISABEL ALLENDE: Zorro. Roman. Aus dem Spanischen von Svenja Becker. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2005. 447 Seiten, 22,80 Euro.
Ohne den kalifornischen Rächer gäbe es keinen Batman: Tyrone Power als Zorro (1940)
Foto: Cinetext
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