Mit seinem Homer in der Hand macht der Kaufmann Heinrich Schliemann im Jahr 1868 eine Reise durch den Nordwesten Kleinasiens. Dabei können ihn weder hinterlistige Roßtäuscher noch schlechtes Essen oder Wanzen im Bett von seinem Vorhaben abbringen, das antike Troja zu finden. Beim Anblick des Hügels Hisarlik weiß er sich am Ziel.
Auch wenn manch gelehrter Zeitgenosse die These ablehnte, war sich Schliemann sicher: an dieser Stelle mußte die Stadt des Priamos gelegen haben. Hier mußten Achill und Hektor gestritten haben.
Auch wenn manch gelehrter Zeitgenosse die These ablehnte, war sich Schliemann sicher: an dieser Stelle mußte die Stadt des Priamos gelegen haben. Hier mußten Achill und Hektor gestritten haben.
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1 | Auf Der Suche Nach Troja | 00:08:32 | |
2 | Auf Der Suche Nach Troja | 00:07:44 | |
3 | Auf Der Suche Nach Troja | 00:07:07 | |
4 | Auf Der Suche Nach Troja | 00:06:16 | |
5 | Auf Der Suche Nach Troja | 00:04:37 | |
6 | Auf Der Suche Nach Troja | 00:10:32 | |
7 | Auf Der Suche Nach Troja | 00:08:50 | |
8 | Auf Der Suche Nach Troja | 00:06:01 | |
9 | Auf Der Suche Nach Troja | 00:06:54 | |
10 | Auf Der Suche Nach Troja | 00:05:07 | |
11 | Auf Der Suche Nach Troja | 00:05:50 |
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 23.04.2008Nichts spornt mehr an als das Elend
Auf der Suche nach Troja: Heinrich Schliemanns Reisebericht
Es musste einfach stimmen, glaubte Schliemann. Liest man die „Ilias” genau, ihre Beschreibungen, Landschaftsschilderungen, ihre Zeit- und Raumangaben, dann müsste der Ort zu finden sein. Aber was bleibt einem wissenschaftlichen Außenseiter? Ein Buch, in dem Eindrücke und Argumente gesammelt und verständlich dargelegt sind, sollte die Überzeugungsarbeit leisten. 1869 also erscheint Heinrich Schliemanns biographisch-archäologische Berichterstattung „Ithaka, der Peloponnes und Troja”.
Auch die Inszenierung des Textes als Hörbuch macht deutlich: Es geht darum, Homers Gesang historisch konkret zu fassen, um den sagenhaften Versuch, tatsächlich den Ort zu betreten, an dem der Mythos seinen epischen Platz gefunden hat. Als der Preuße am Hellespont eintrifft, ist ihm schnell klar, dass Troja nicht wie gemeinhin vermutet an der Stelle des jetzigen Dörfchens Burnabaschi gelegen haben kann. Angeblich noch bevor er einen Spaten auch nur in die Hand genommen hätte. Schliemann führt vielmehr einen topographischen Indizienbeweis – ein Verfahren, das jüngst auch der österreichische Autor Raoul Schrott für seine umstrittenen neuen Thesen zu Homer nutzte (SZ vom 8.3.).
Die Schliemann’sche Ortsbegehung in Burnabaschi vermisst die epische Dichtung an vielen Stellen. Nicht genau zwei Wasserquellen, an denen Trojas Frauen ihre Wäsche wuschen, finden sich hier – sondern vierzig an der Zahl. Die Entfernung zum vermuteten Lager der Griechen beträgt vierzehn Kilometer – eine viel zu große Distanz, wenn man bedenkt, dass allein am Tage der ersten Schlacht sechsmal diese Strecke zurückgelegt werden musste. Und beinahe etwas Rührendes hat es, wenn Schliemann, um den Ort zu prüfen, die Handlung der „Ilias” selbst nachspielt: Er will jenen Weg einschlagen, auf dem Hektor und Achill dreimal um die Stadt gelaufen sind, bevor es zum großen Showdown kam. Von der Unmöglichkeit zeugt dann ein Abhang, „welcher anfangs unter einem Winkel von ungefähr 45 Grad und weiterhin 65 Grad abfällt, sodass ich gezwungen war, auf allen Vieren rückwärts zu kriechen. Ich gebrauchte fast eine Viertelstunde, um hinunterzukommen, und habe dadurch die Überzeugung gewonnen, dass kein sterbliches Wesen, nicht einmal eine Ziege, in eilendem Laufe einen Abhang hinunterkommen könne.” Andernorts läuft es besser: Der nahegelegene Siedlungshügel Hisarlik scheint alle Anforderungen zu erfüllen.
Sympathische Prahlerei
Den entscheidenden Hinweis, es hier zu versuchen, hatte Schliemann von dem ortsansässigen Briten Frank Calvert erhalten. Die Übereinstimmung mit dessen These wird zwar ausdrücklich erwähnt, ihm gebühren auch die letzten lobenden Worte der Darstellung, aber dennoch verschweigt Schliemann gerade so viel, dass er und nur er als Entdecker Trojas gelten kann. Diese Selbststilisierung und die geschilderte Zwangsläufigkeit, mit der er ganz allein und aus eigener Kraft die Heldentat vollbringt, haben ihre Wurzeln in Schliemanns Leben. Es ist das Verdienst des Hörbuchs, auch die Vorrede der Textvorlage ungekürzt an den Anfang der von Frank Arnold vorgetragenen Trojasuche zu stellen. Hier stößt man auf die biographischen Grundsteine von Schliemanns Selbstbildnis: Aus bescheidenen Verhältnissen („Ich kam immer nur mit der niederen Klasse in Berührung”) schafft er es über das Erdulden spärlicher Lebensverhältnisse („Nichts spornt mehr zum Studium an als das Elend”), den zweiten Bildungsweg einzuschlagen. Für das Erlernen mehrerer Sprachen habe er jeweils nur wenige Wochen gebraucht – und oft nicht mal einen Lehrer. Als Kaufmann bringt er es zu einem beträchtlichen Vermögen, das es ihm schließlich ermöglicht, sein archäologisches Unternehmen zu finanzieren.
Im kurzen Lebensabriss wie auch in den Schilderungen der Entdeckung unterstreicht die Lesung gekonnt die Elemente der Übertreibung und Selbsterhöhung. Die suggestive Kraft des persönlichen Erzählens gibt der nicht unsympathischen Prahlerei ihre ureigene Ausdrucksform. Eine Symbiose aus modernem Unternehmer, der die Gunst der Stunde nutzt, und philologischem Liebhaber des Altertums entdeckt Troja. Diese Leistung ist dargestellt als die One-Man-Show eines Selfmademan, des Heros der neuen Zeit. Und besungen hat er sich auch noch selbst.
CHRISTOPH SCHMAUS
HEINRICH SCHLIEMANN: Auf der Suche nach Troja. Reisebericht gelesen von Frank Arnold. Audiobuch Verlag, Freiburg i. Br. 2008. 1 CD, 78 Min., 9,95 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
Auf der Suche nach Troja: Heinrich Schliemanns Reisebericht
Es musste einfach stimmen, glaubte Schliemann. Liest man die „Ilias” genau, ihre Beschreibungen, Landschaftsschilderungen, ihre Zeit- und Raumangaben, dann müsste der Ort zu finden sein. Aber was bleibt einem wissenschaftlichen Außenseiter? Ein Buch, in dem Eindrücke und Argumente gesammelt und verständlich dargelegt sind, sollte die Überzeugungsarbeit leisten. 1869 also erscheint Heinrich Schliemanns biographisch-archäologische Berichterstattung „Ithaka, der Peloponnes und Troja”.
Auch die Inszenierung des Textes als Hörbuch macht deutlich: Es geht darum, Homers Gesang historisch konkret zu fassen, um den sagenhaften Versuch, tatsächlich den Ort zu betreten, an dem der Mythos seinen epischen Platz gefunden hat. Als der Preuße am Hellespont eintrifft, ist ihm schnell klar, dass Troja nicht wie gemeinhin vermutet an der Stelle des jetzigen Dörfchens Burnabaschi gelegen haben kann. Angeblich noch bevor er einen Spaten auch nur in die Hand genommen hätte. Schliemann führt vielmehr einen topographischen Indizienbeweis – ein Verfahren, das jüngst auch der österreichische Autor Raoul Schrott für seine umstrittenen neuen Thesen zu Homer nutzte (SZ vom 8.3.).
Die Schliemann’sche Ortsbegehung in Burnabaschi vermisst die epische Dichtung an vielen Stellen. Nicht genau zwei Wasserquellen, an denen Trojas Frauen ihre Wäsche wuschen, finden sich hier – sondern vierzig an der Zahl. Die Entfernung zum vermuteten Lager der Griechen beträgt vierzehn Kilometer – eine viel zu große Distanz, wenn man bedenkt, dass allein am Tage der ersten Schlacht sechsmal diese Strecke zurückgelegt werden musste. Und beinahe etwas Rührendes hat es, wenn Schliemann, um den Ort zu prüfen, die Handlung der „Ilias” selbst nachspielt: Er will jenen Weg einschlagen, auf dem Hektor und Achill dreimal um die Stadt gelaufen sind, bevor es zum großen Showdown kam. Von der Unmöglichkeit zeugt dann ein Abhang, „welcher anfangs unter einem Winkel von ungefähr 45 Grad und weiterhin 65 Grad abfällt, sodass ich gezwungen war, auf allen Vieren rückwärts zu kriechen. Ich gebrauchte fast eine Viertelstunde, um hinunterzukommen, und habe dadurch die Überzeugung gewonnen, dass kein sterbliches Wesen, nicht einmal eine Ziege, in eilendem Laufe einen Abhang hinunterkommen könne.” Andernorts läuft es besser: Der nahegelegene Siedlungshügel Hisarlik scheint alle Anforderungen zu erfüllen.
Sympathische Prahlerei
Den entscheidenden Hinweis, es hier zu versuchen, hatte Schliemann von dem ortsansässigen Briten Frank Calvert erhalten. Die Übereinstimmung mit dessen These wird zwar ausdrücklich erwähnt, ihm gebühren auch die letzten lobenden Worte der Darstellung, aber dennoch verschweigt Schliemann gerade so viel, dass er und nur er als Entdecker Trojas gelten kann. Diese Selbststilisierung und die geschilderte Zwangsläufigkeit, mit der er ganz allein und aus eigener Kraft die Heldentat vollbringt, haben ihre Wurzeln in Schliemanns Leben. Es ist das Verdienst des Hörbuchs, auch die Vorrede der Textvorlage ungekürzt an den Anfang der von Frank Arnold vorgetragenen Trojasuche zu stellen. Hier stößt man auf die biographischen Grundsteine von Schliemanns Selbstbildnis: Aus bescheidenen Verhältnissen („Ich kam immer nur mit der niederen Klasse in Berührung”) schafft er es über das Erdulden spärlicher Lebensverhältnisse („Nichts spornt mehr zum Studium an als das Elend”), den zweiten Bildungsweg einzuschlagen. Für das Erlernen mehrerer Sprachen habe er jeweils nur wenige Wochen gebraucht – und oft nicht mal einen Lehrer. Als Kaufmann bringt er es zu einem beträchtlichen Vermögen, das es ihm schließlich ermöglicht, sein archäologisches Unternehmen zu finanzieren.
Im kurzen Lebensabriss wie auch in den Schilderungen der Entdeckung unterstreicht die Lesung gekonnt die Elemente der Übertreibung und Selbsterhöhung. Die suggestive Kraft des persönlichen Erzählens gibt der nicht unsympathischen Prahlerei ihre ureigene Ausdrucksform. Eine Symbiose aus modernem Unternehmer, der die Gunst der Stunde nutzt, und philologischem Liebhaber des Altertums entdeckt Troja. Diese Leistung ist dargestellt als die One-Man-Show eines Selfmademan, des Heros der neuen Zeit. Und besungen hat er sich auch noch selbst.
CHRISTOPH SCHMAUS
HEINRICH SCHLIEMANN: Auf der Suche nach Troja. Reisebericht gelesen von Frank Arnold. Audiobuch Verlag, Freiburg i. Br. 2008. 1 CD, 78 Min., 9,95 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Als großen Vorzug des Hörbuchs, auf dem Frank Arnold Heinrich Schliemanns Reisebericht seiner Troja-Entdeckung liest, lobt Christoph Schmaus, dass es auch die Vorrede zur Textausgabe mit den biografischen Details ungekürzt wiedergibt. Denn aus den lebensgeschichtlichen Selbstauskünften werde deutlich, wie sich Schliemanns Selbstbild als heroischer Alleingänger im Auffinden Trojas, das Homer in der "Ilias" beschrieb, ausgebildet hat, erklärt der Rezensent gefesselt. Der Entdecker, der aus einfachsten Verhältnissen stammte und sich aus eigener Kraft zum erfolgreichen Kaufmann und Altertumsforscher entwickelte, stilisiert sich in seinem Reisebericht zum "Heroen", meint Schmaus, dem dieser Prahlhans dennoch recht sympathisch ist.
© Perlentaucher Medien GmbH
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