Maya Vidal wächst behütet bei ihren Großeltern in San Francisco auf. Die leibliche Mutter hat die Familie kurz nach der Geburt des Kindes verlassen, der Vater setzt das Neugeborene kurzerhand bei seiner Mutter ab. Dort erlebt das Mädchen eine glückliche Kindheit. Ihre Großmutter Nidia, eine Exil
Chilenin, und ihr zweiter Ehemann, lieben das Kind über alles und erfüllen jeden Wunsch. Als der…mehrMaya Vidal wächst behütet bei ihren Großeltern in San Francisco auf. Die leibliche Mutter hat die Familie kurz nach der Geburt des Kindes verlassen, der Vater setzt das Neugeborene kurzerhand bei seiner Mutter ab. Dort erlebt das Mädchen eine glückliche Kindheit. Ihre Großmutter Nidia, eine Exil Chilenin, und ihr zweiter Ehemann, lieben das Kind über alles und erfüllen jeden Wunsch. Als der Großvater, liebevoll Pop genannt, stirbt bricht die Familie auseinander und das sechzehnjährige Mädchen verliert den Boden unter den Füßen.
Vom ersten Schulschwänzen bis zur Drogensucht ist nur ein kurzer Weg. Dem Entzug in einer Suchtklinik folgt der totale Absturz nach der Flucht aus der Einrichtung. Maya schlägt sich per Anhalter von Oregon nach Las Vegas durch und landet in den Fängen eines Drogendealers, für den sie als Kurier arbeitet um die eigene Alkohol- und Drogensucht zu finanzieren. Erst als sie obdachlos ist findet sie einen Weg zurück zu ihrer Großmutter. Diese schickt das Mädchen auf die entlegene chilenische Insel Chiloé. Dort soll sie bei einem alten Freund untertauchen, weil in den USA mittlerweile das FBI, Interpol und eine Verbrecherbande aus Las Vegas hinter ihr her sind.
Der Anthropologe Manuel nimmt die äußerlich wie innerlich derangierte junge Frau widerwillig auf. Bald jedoch entwickelt sich eine Freundschaft zwischen den beiden und die wohltuend einfache Umgebung der Insel tut ein übriges um Seele und Körper des Mädchens zu heilen. Die Schatten aus der Vergangenheit lassen Maya jedoch nicht los. Sie erkennt dass sie, um glücklich und frei leben zu können, nicht nur ihr eigenes Vorleben in Ordnung bringen muss.
Im bewährten Tagebuchstil beweist Isabel Allende einmal mehr ihr Können. Das Schreiben ist für die Ich-Erzählerin Maya gleichsam Dokumentation, Reflexion und Therapie. Der Wechsel von aktuellem Geschehen auf der Insel zur Vergangenheit ist fließend. So werden die Unterschiede deutlich, die für den Absturz des Mädchens verantwortlich sind und die (auch) in den Gegebenheiten der Gesellschaft begründet sind.
So selbstverständlich auf der Insel die Zeit in einem ruhigen Fluss Geist und Seele zur Ruhe kommen lässt, so unstet und quirlig treibt die junge Frau vorher in einem Strudel in dem sie keinen Halt findet. Auslöser ist der Tod es Großvaters, den sie nicht bewältigt: “Manche Leute glauben ja ernsthaft eine Trauer sei wie die andere und es gäbe Patentrezepte und Fristen um damit fertig zu werden”. Mayas Trauer führt sie in die Drogensucht und begleitet sie in ihr Exil auf die Insel. Erst das Leben dort, das Gefühl trotz Unzulänglichkeit gebraucht zu werden, Verständnis und Hilfe die ihr entgegengebracht werden, lassen ihre seelische Not schwinden und den Schmerz heilen.
“Mayas Tagebuch” ist ein großer, einfühlsamer Roman. Als Einstieg für die Erfolgsautorin auf jeden Fall zu empfehlen, da er nicht so episch angelegt ist, wie ihr Bestseller aus den 1980er Jahren “Das Geisterhaus”. Auch die weiteren typischen Allende Zutaten wie die politische Vergangenheit, die Mystik und Esoterik Chilés sind nicht so dominant und auch nicht so “magisch” überzeichnet.
Isabel Allende hat das Buch “den Halbwüchsigen ihrer Sippe” gewidmet. Da sie in und durch ihre Bücher die “befreiende und heilsame Kraft des Schreibens” propagiert, liegt die Vermutung nahe, dass auch dieses Werk einen autobiographischen Ursprung hat.
Es ist ein Buch über das Erwachsenwerden, über die Suche nach der eigenen Identität, die Bedeutung der Familie bzw. der eigenen Wurzeln sowie die Kraft der Liebe. Das Werk aus der Feder der südamerikanischen Bestsellerautorin empfiehlt sich für jeden, der Literatur zu schätzen weiß, die neben ebenso kurzweiliger wie intelligenter Unterhaltung, Stoff zum Nachdenken und Balsam für geschundene Seelen bietet.